Russland und der Iran sind bereit, ein großes Abkommen über eine technologische Zusammenarbeit zu unterzeichnen. Nach Moskau war in dieser Woche eine recht repräsentative Delegation iranischer Industrieller zur traditionellen Auto-Ausstellung gekommen, obgleich nach deren Beendigung nichts über getätigte Vertragsabschlüsse gemeldet wurde. Die Russische Föderation könnte aus dem Iran nicht nur fehlende Fertigerzeugnisse erhalten, sondern auch Erfahrungen aus der Entwicklung einer eigenen Produktion unter den Bedingungen von Sanktionsverboten. Persische Technologien der Luftfahrt- und Autoindustrie, aber auch des Schiffsbaus können im heutigen Russland gefragt sein.
Der Iran und Russland planen, Abkommen für eine Erweiterung der Zusammenarbeit im Schiffbau sowie in der Flugzeug- und Autoindustrie zu unterzeichnen, erklärte am Montag Irans Minister für Industrie, Bergbau und Handel, Reza Fatemi Amin, gegenüber der Nachrichtenagentur IRNA. Er berichtete unter anderem, dass 50 iranische Unternehmen ihre Erzeugnisse auf der Ausstellung für Ersatzteile, Auto-Bauteile, Anlagen und Ausrüstungen sowie Waren für eine technische Wartung von Atos (MIMS Automechanika Moscow 2022) vorstellen würden, die in dieser Woche in der russischen Hauptstadt stattgefunden hat. Irans Botschafter in der Russischen Föderation, Kazem Jalali, bezeichnete solch eine umfangreiche Präsenz iranischer Unternehmen als eine beispiellose.
Die Iraner behaupteten, dass ihre Vertretung bei der Moskauer Automesse die größte gewesen sei. Nach Moskau waren bekannte Hersteller nicht nur von Autoersatzteilen, sondern auch von PKWs – solche wie die Unternehmen Iran Khodro und Saipa – gekommen. Angekündigt wurde, dass die Business-Delegation aus mehr als 60 Personen mit russischen Vertretern am Rande der Ausstellung, aber auch beim Besuch russischer Autowerke sprechen werde. Von den Vertretern der iranischen Delegation war gleichfalls zu erfahren gewesen, dass der Beginn eines Exports von Gasturbinen und wissenschaftsintensiver Produkte nach Russland vorbereitet werde. Verhandelt werde über die Bildung einer gemeinsamen Auto-Plattform, die zur Grundlage eines iranisch-russischen oder gar iranisch-russisch-chinesischen Autos werden könne.
Die Iraner präsentierten auf der Messe ihre neuen Limousinen unter dem Markennamen Iran Khondo Tara. Der Preis für eine maximale Version dieses Autos kann 1,1 bis 1,2 Millionen Rubel (umgerechnet bis zu 20.000 Euro) ausmachen. Der nach dem Weggang der westlichen Konzerne verwaiste Automarkt der Russischen Föderation kann vom Konzern Iran Khodro auch den neuen modernen Crossover Rira bekommen. Er positioniert sich als ein luxuriöses Auto, das dazu berufen sei, die Vorstellung von der iranischen Auto-Industrie nicht nur im eigentlichen Iran, sondern auch in der Welt zu verändern. Versprochen wird, seine Fertigung Anfang des kommenden Jahres aufzunehmen.
Für den iranischen Binnenmarkt werden auch PKW auf alten französischen Plattformen vom Typ Peugeot gebaut (könnte die Bürger Russlands anziehen, die nostalgische Gefühle für den Film „Taxi“ von Luc Besson verspüren, oder vom Typ des einstigen Kleinwagens Peugeot 206, der durch den Kofferraum verunstaltet wurde. Deren Exportperspektiven auf dem Markt der Russischen Föderation muss man zusätzlich unter die Lupe nehmen.
„Die iranischen Autobauer sind an einem Betreten des russischen Marktes interessiert“, sagte der „NG“ Andrej Olchowskij, Generaldirektor des Unternehmens „Avtodom“. „Sie leben schon lange im Regime von Sanktionen, und ihre Erfahrungen sind für uns unschätzbar. Ungeachtet jeglicher Restriktionen tauchen auf den Straßen des Irans neue Modelle von Premium-Marken auf. Wenn sie eine freie Menge an Autos haben, die sie zu exportieren bereit sind, so ist Russland für sie offenkundig ein perspektivreicher Markt“.
Probleme für ein Betreten des russischen Marktes durch ausländische Marken würden jedoch bleiben, konstatiert der Experte. „Wir hatten bewusst die Hersteller stimuliert, Montagefertigungen auf dem Territorium Russlands zu organisieren. Es gibt keine zusätzlichen Programme, denen entsprechend Autohersteller frei zu günstigen Bedingungen Autos in die Russische Föderation liefern können“, sagt der Experte. „Im Zusammenhang damit sind die Perspektiven für ein Betreten unseres Marktes durch ausländische Hersteller vorerst nicht offensichtlich. Es wird Zeit gebraucht, um Importschemas durchzuspielen, die Nachfrage nach iranischen Autos zu sondieren und Reaktionen russischer Käufer über deren Qualität zu bekommen. Dabei muss man verstehen, dass dies ein Konkurrent für unseren Konzern AvtoVAZ sowohl hinsichtlich des Preises als auch bezüglich der Hauptcharakteristika sein wird. Und wenn es bereits politische Vereinbarungen gibt, so wird es für AvtoVAZ nicht einfach – unter Berücksichtigung der bekannten Schwierigkeiten mit den Bauteilen“.
Sich eine Montage iranischer Autos auf dem Territorium der Russischen Föderation vorzustellen, sei vorerst schwierig, sagt Olchowskij. „Man muss zu viele Bauteile lokalisieren, damit die industriemäßige Montage gerade im Rahmen eines speziellen Investitionsvertrages erfolgt. Um solch einen Prozess möglich zu machen, muss man international verbindliche Verträge abschließen. Mit dem Weggang einer Reihe ausländischer Hersteller sind in Russland Fertigungsstätten geblieben, wo Anlagen und Ausrüstungen für eine Montage von Autos geblieben sind. Auf jeden Fall ist es bisher verfrüht, darüber zu sprechen. Beginn muss man mit Lieferungen von Autos, die im Iran montiert worden sind“, betont er.
„Der Iran hat große Erfahrungen aus den Lieferungen seiner Autos in Länder Lateinamerikas und Afrikas. Sie hatte sogar versucht, sie in Spanien zu verkaufen. Der Iran wird wohl kaum auf einen großen Anteil des russischen Marktes Anspruch erheben können. Dafür ist hinsichtlich der Abwehr der Sanktionen die Arbeit mit iranischen Geschäftspartnern weitaus sicherer“, sagte der „NG“ Alexej Maslow, Direktor des Instituts für die Länder Asiens und Afrikas an der Moskauer staatlichen Lomonossow-Universität. Das Land habe etwas anzubieten, sagt er. „Im Iran ist teilweise die Herstellung von Ersatzteilen für deutsche und japanische Autos organisiert worden. Dort ist gut die Fertigung von Auto-Elektronik organisiert worden“, zählt der Experte auf. „Dort legt man das Schwergewicht auf die Fertigung preiswerter Autos für das Volk“.
„Der Iran besitzt gute Turbinen-Anlagen. Mögen sie veraltete sein, sie sind aber zuverlässige“, sagt Maslow. „In dieser Richtung kann sich eine fruchtbare Zusammenarbeit entwickeln. Sie können Bauteile für Flugzeuge liefern. China hält strikt die Lizenzabkommen mit den Herstellern von Flugzeug-Ersatzteilen ein. Der Iran ist aber gegen derartige Verbote. Wobei die Iraner nach eigenen Aussagen die Kompetenzen für die Herstellung von Ersatzteilen für die modernsten Typen westlicher Flugzeuge besitzen würden. Und von den Herstellern sind keine Dementis zu diesen Erklärungen gekommen“.
„Derzeit befindet sich in Moskau eine große Delegation aus dem Iran. Im Verlauf von Gesprächen stellen sie ihre Erzeugnisse vor, prüfen die russischen Angebote“, sagt der Vertreter des „K2“-Engineeringunternehmens, Iwan Andrijewskij. „Der Iran ist an einer Erweiterung der Zusammenarbeit und der Präsenz auf solch einem großen Markt wie die Russische Föderation interessiert. Beide Länder befinden sich unter harten Sanktionen, die weder den einen noch, den anderen Angst gemacht haben. Sie verfügen über eine vollkommene Souveränität und gehen aufeinander zu. Die Iraner sind — meinen Erfahrungen aus den Kontakten mit ihnen nach zu urteilen – bereit, sowohl uns ihre Erzeugnisse zu verkaufen als auch sie hier mit einem unterschiedlichen Lokalisierungsgrad zu montieren. Es geht dabei insbesondere um ein neues Auto, eine Limousine, die bereits in zwei, drei Monaten in Moskau vorgestellt wird.
Andrijewskij betont, dass vorerst erste Gespräche erfolgen. Es sei aber bereits klar, dass es nicht schwer werde, eine gemeinsame Sprache mit Partnern aus dem Iran zu finden. „Die Delegationsmitglieder sprechen hauptsächlich ausgezeichnet Russisch, viele haben bei uns noch zu Zeiten der UdSSR studiert“, unterstreicht er.
„Das Wichtigste in dieser Zusammenarbeit ist, dass es keine Probleme im Zusammenhang mit Sanktionen geben wird“, sagte der „NG“ der wissenschaftliche Mitarbeiter des Zentrums für Analyse von Strategien und Technologien, der Autor des Buches „Die persische Bastion“, Jurij Ljamin. „Der Iran ist an einer Entwicklung des Exports hochtechnologischer Erzeugnisse interessiert, aber auch bereit, Russland seine Technologien zu übergeben, aber auch sie von uns anzunehmen. Hier sind ein Barter möglich, ein Austausch von Technologien ohne Sanktionen im Blick zu haben, die Währungen usw. Hinsichtlich einiger Richtungen sind die Kompetenzen des Irans weitaus fortgeschrittenere. Dieses Land ist seit 1995 der Möglichkeit beraubt, neue Flugzeuge westlicher Marken zu erwerben. Seitdem haben sich bei ihnen sehr ernsthafte Kompetenzen hinsichtlich der Unterhaltung des Flugzeugparks entwickelt, darunter in Bezug auf Jets von Boeing, ohne Lizenzen von den Herstellern. Ihre Dienstleistungen in dieser Richtung nutzen schon Fluggesellschaften aus Venezuela und Syrien. Andererseits ist bei uns die Arbeit hinsichtlich der Flugzeugtriebwerke weitaus stärker vorangekommen, die für die Iraner interessant sein können“.
„Im Iran ist eine Serienfertigung von Drohnen unterschiedlicher Klasse angeschoben worden, wobei zu dieser Palette auch Apparate gehören, die aus sehr einfachen Komponenten gebaut werden“, betont Ljamin. „Wir haben uns ein wenig an der Arbeit an einmaligen Apparaten festgefahren, zu denen es keine analogen gibt. Und die Arbeit an ihnen ist jetzt aus verständlichen Gründen vertagt worden. Der Iran produziert aber Apparate in großen Mengen, darunter Kamikadse-Drohnen, die vom Wesen her eben jene Aufgabe erfüllen, wie auch Flügelraketen. Sie sind aber weitaus billiger. Überdies ist es auch sehr schwierig, sie auszumachen, da bei deren Fertigung viele Kompositwerkstoffe eingesetzt werden“.
„Der Iran fertigt eine breite Palette von Drohnen sowohl für militärische als auch zivile Zwecke mit einer Beförderungsleistung von bis zu 200 Kilogramm. Solche Apparate können sich beispielsweise für unser Gesundheitsministerium für die operative Anlieferung von Medikamenten in abgelegenen Gebieten jenseits des Urals als geeignete erweisen. Sicherlich wird sie auch „Russlands Post“ zu schätzen wissen, die Express-Sendungen, Pakete sowohl im Interesse des Staates als auch einfacher Bürger zustellen kann“, sagt Andrijewskij.
Denis Manturow, Russlands Vizepremier sowie Industrie- und Handelsminister, traf sich am Montag mit Reza Fatemi Amin. Erörtert wurden Perspektiven einer Zusammenarbeit auch im Land- und Energiemaschinenbau sowie in der Pharma-Industrie. „Die Situation in der Welt schafft nicht nur neue Herausforderungen, sondern öffnet auch ein Fenster von Möglichkeiten für eine Beziehungen der Partnerschaftsbeziehungen. Wir sind bereit, aktiv mit den iranischen Partnern in allen Bereichen, die von gegenseitigem Interesse sind, zu arbeiten“, betonte Manturow.
Für die Zusammenarbeit der Russischen Föderation und des Irans würden sich gerade jetzt neue Perspektiven eröffnen, meint Elmira Imamkulijewa, Oberlehrerin des Departments für ausländische Regionalkunde der Fakultät für Weltwirtschaft und Weltpolitik an der Moskauer Hochschule für Wirtschaftswissenschaften, die den Status einer Forschungsuniversität besitzt. „Dies hängt teilweise damit zusammen, dass der Iran über langjährige Erfahrungen aus dem Sich-Befinden unter Sanktionen und deren Umgehen besitzt“, sagt sie. „Im Unterschied zur Türkei und zu China können ihm keine sekundären Sanktionen im Falle einer Verstärkung der Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation drohen“.
Dieses Land im Nahen Osten, fuhr die Expertin fort, habe eine Reihe von Entwicklungen in solchen Bereichen wie beispielsweise die Medizin, die zivile Luftfahrt und Landwirtschaft vorgenommen. „Dort ist die Herstellung von Generika und eigener pharmakologischer Präparate angeschoben worden. Dabei hat der Iran zu Hochzeiten der COVID-19-Pandemie russische „Sputnik“-Vakzine importiert. Hier kann das Interesse beider Länder ein gegenseitiges sein. In der Russischen Föderation können sich auch die iranischen Erfahrungen aus der Instandsetzung und laufenden Wartung von Flugzeugen der Konzerne Boeing und Airbus unter den Sanktionsbedingungen als recht gefragte erweisen“, sagte die Expertin der „NG“.
„Was die Landwirtschaft angeht, so ist eine Forcierung des gegenseitigen Imports von Agrarerzeugnissen zu erwarten. Es eröffnen sich Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit im militärischen Bereich, darunter beispielsweise in Bezug auf den Erwerb iranischer Drohnen (die ersten sollen laut westlicher Medienberichte bereits nach Russland geliefert worden sein – Anmerkung der Redaktion). Der nationale Autobauer „Khodro“ produziert Autos auf der Basis von „Peugeot“- und „Mercedes-Benz“-Modellen. Hier ist ebenfalls eine Zusammenarbeit möglich“, sagt Imamkulijewa. „Russland hat jedoch eine eigene Automobilindustrie. Möglich ist aber sowohl eine Lokalisierung sowohl deren Fertigung bei uns als auch potenziell die Fertigung russischer Auto-Modelle im Iran in der langfristigen Perspektive“.