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Der Kampf gegen die sogenannten ausländischen Agenten soll auf das gesamte Land ausgedehnt werden


Die Staatsduma (das russische Unterhaus – Anmerkung der Redaktion) hat bisher keinen Zeitplan für die Behandlung eines Pakets von neuen Gesetzen zu den sogenannten ausländischen Agenten festgelegt, das fünf fraktionsübergreifende Initiativen enthält. Und die entstandene Pause hängt wohl kaum nur mit der Abreise der Abgeordneten in die Regionen zusammen. Möglicherweise besteht der Grund darin, dass hinsichtlich des entscheidenden Gesetzentwurfes bisher keine Meinung der Regierung der Russischen Regierung formuliert worden ist. Der Grundgedanke dieser Gesetzesänderung besteht darin, dass das Justizministerium die Kontrolle schon nicht hinsichtlich der ausländischen Agenten an sich, sondern der Einhaltung der Gesetzgebung über den Kampf gegen sie vornehmen soll. Die Pflicht, diesen Kampf zu führen, erstreckt sich auf die ganze Gesellschaft. Und diejenigen, die unvorsichtig sind oder Schwäche an den Tag legen, werden einer Bestrafung unterzogen.

Die am 26. April von der Kommission zur Bekämpfung einer ausländischen Einmischung in die Staatsduma eingebrachten Gesetzesvorlagen, sind – urteilt man anhand der Datenbank des Unterhauses – sozusagen am Eingang hängen geblieben. Und auch am nächsten Tag waren sie nicht mit Vermerken hinsichtlich einer Weiterleitung an die zuständigen Ausschüsse versehen gewesen. Einerseits sind die Abgeordneten gegenwärtig formal nicht in Moskau. Sie haben die sogenannte regionale Woche abzuarbeiten. Andererseits störte dies gewöhnlich den Apparat im Haus an der Ochotny Rjad (Straße im Moskauer Stadtzentrum, wo die Staatsduma ihren Sitz hat – Anmerkung der Redaktion) nicht, entsprechend dem Reglement zu handeln.

Es ist möglich, dass die Ursache wirklich darin besteht, dass, während Korrekturen am Strafgesetzbuch und am Ordnungsstrafrecht durch offizielle Reaktionen der Regierung begleitet werden, es diese hinsichtlich der entscheidenden Gesetzentwürfe des Pakets zu den ausländischen Agenten nicht gibt. Und natürlich ist es bezeichnend, dass vor allem ohne eine Beurteilung des Ministerkabinetts die Änderungen am grundlegenden normativen Rechtsakt – „Über die Kontrolle der Tätigkeit der Personen, die sich unter einem ausländischen Einfluss befinden“ – geblieben sind. Dieses Dokument hat erst vor kurzem die frühere Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen an die ausländischen Agenten und der für sie verhängten Restriktionen (vielfach diskreditierender Art – Anmerkung der Redaktion) ersetzt und sogar kodifiziert.

Und die grundlegende Änderung für dieses Gesetz ist gleich in seinem allerersten Paragrafen so formuliert worden: „Die Organe der öffentlichen Macht, die Organisationen aller Eigentumsformen, aber auch ihre Amtspersonen sowie die natürlichen Personen – unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft oder des Nichtvorhandenseins solch einer – sind bei der Vornahme ihrer Tätigkeit verpflichtet, die Restriktionen zu berücksichtigen, die mit dem Status eines ausländischen Agenten verbunden sind und im Paragrafen 11 des vorliegenden föderalen Gesetzes ausgewiesen wurden. Die Handlungen (die Untätigkeit) der ausgewiesenen Personen dürfen nicht die Verletzung der Gesetzgebung der Russischen Föderation über die ausländischen Agenten durch einen ausländischen Agenten, unter anderem des vorliegenden föderalen Gesetzes, anderer föderaler Gesetze sowie anderer normativer Rechtsakte, die die Tätigkeit ausländischer Agenten regeln, fördern“. Es sei daran erinnert, dass durch den ausgewiesenen Paragrafen 11 die Rhetorik der Herrschenden der vorangegangenen Jahre vollkommen ausgehebelt wurde. Ihr Tenor war: Der Status eines ausländischen Agenten sei ja keine Bestrafung, ausländische Agenten würde keiner verbieten. Sie müssten lediglich den Staat über ihre Existenz in Kenntnis setzen. Im neuen Gesetz ist dies nun aber aller über den Haufen geworfen worden. Die ausländischen Agenten wurden mit rund zwei Dutzend Restriktionen unterschiedlichster Art belegt.

Jetzt werden sie aber noch auf die gesamte russische Gesellschaft projiziert, die verpflichtet sein wird, aufmerksam darauf aufzupassen, ob nicht irgendwo nebenan ein ausländischer Agent herumläuft. Allem nach zu urteilen, ist die Logik hier eine simple: Hast du einen ausländischen Agenten ausgemacht, melde dies dort, wohin es sich gehört. Folglich hast du alles richtig gemacht (damit wird natürlich ein Denunziantentum in Russland massiv gefördert – Anmerkung der Redaktion). Wenn du aber unvorsichtig gewesen bist oder Schwäche an den Tag gelegt hast, indem du Kontakt mit einem ausländischen Agenten aufgenommen oder ganz und gar eine Zusammenarbeit begonnen hast… Lies die entsprechenden Paragrafen des Ordnungsstrafrechts und des Strafgesetzbuches. Gerade diese Novelle begleitet auch die zum gesamten Wortlaut des Gesetzes vorgenommene Präzisierung, dass das russische Justizministerium jetzt nicht die Kontrolle der ausländischen Agenten an sich vornehmen werde, sondern „der Einhaltung der Gesetzgebung über die ausländischen Agenten“.

Wahrscheinlich bleibt gerade deshalb vorerst das Register der natürlichen Personen, die mit ausländischen Agenten affiliiert sind, ein nichtausgedrucktes. Dies sind jene, die bisher noch nicht zu dem ernsthaften Status herangereift sind, aber bereits in Verdacht geraten und zwecks Prophylaxe erfasst worden sind. Übrigens, da gibt es noch eine Initiative aus dem Paket der sogenannten Volksvertreter: Dies ist das Verbot für Russlands Bürger, mit ausländischen Nichtregierungsorganisationen zusammenzuarbeiten, die versuchen, im Land illegal oder unter einem Deckmantel zu agieren. Zusammen mit der oben ausgewiesenen Gesetzesänderung wird dies, wie es scheint, zu der Schlussfolgerung hinsichtlich einer möglichen Verstärkung der vor allem am Freitag bekanntgemachten Entscheidungen des Justizministeriums führen, dass diese Praxis des Auffüllens der Register der ausländischen Agenten zu einer täglichen wird.