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Der Mörder war ein künftiger Jurist


Am 20. September betrat um 10.00 Uhr ein 18jähriger Student ein Gebäude der Permer staatlichen nationalen Forschungsuniversität und erschoss Menschen. Das Gesundheitsministerium und andere offizielle Vertreter meldeten sechs Tote und 24 Verletzte. Die Schusswaffe hatte der Mörder laut Angaben des Untersuchungskomitees Russlands im Mai legal erworben, und er besaß eine Lizenz dafür. Ihn verletzte ein Polizeimitarbeiter der Verkehrspolizei, der sich gerade neben dem Ort der Tragödie befunden hatte. Das Untersuchungskomitee informierte, dass der Todesschütze in einem schweren Zustand in einem der Krankenhäuser der Millionenstadt Perm sei.

Der unbekannte junge Mann, der, wie sich später herausstellte, der Student der Rechtsfakultät Timur Bekmansurow (Jahrgang 2003) des 1. Semesters war, hatte ein Gebäude des Uni-Campus betreten, einen Wachhabenden erschossen und weiter auf die ihm in den Weg gekommenen Menschen geschossen. Ein Teil der Studenten verbarrikadierte sich in Unterrichtsräumen und Vorlesungssälen, andere suchten die Flucht, indem sie aus Fenstern des ersten Obergeschosses sprangen.

Wie die offizielle Sprecherin des russischen Innenministeriums Irina Wolk gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur TASS erklärte, waren Mitarbeiter einer Verkehrspolizeistreife als erste am Ort des Geschehens eingetroffen. Das Hauptgebäude, in dem sich der Amokläufer befand, betrat Unterleutnant Konstantin Kalinin. Er verletzte den Schützen mit einem Gegenschuss, wonach er zu ihm lief, entwaffnete und begann, erste medizinische Hilfe zu leisten. Es wurde ein Strafverfahren wegen der Ermordung von zwei bzw. mehr Personen eingeleitet. In der Verwaltungsregion Perm wurde der Dienstag zum Trauertag für die ums Leben gekommenen sechs Menschen im Alter von 18 bis 66 Jahren. Der Unterricht wurde in allen Bildungseinrichtungen der Region ausgesetzt.

Die Rechtsschützer interessierte natürlicherweise vor allem die Frage nach möglichen Komplizen des Schützen. Er selbst hatte vor der Tat eine Mitteilung im sozialen Netzwerk „VKontakte“ („Im Kontakt“) gepostet. Der Täter hatte gewarnt, dass er ohne Mitstreiter handele und eigenständig agiere. Der Account von Timur Bekmansurow in dem sozialen Netzwerk ist blockiert worden. Der Permer Fall ähnelt sehr der Tragödie von Kasan, die sich im letzten Mai ereignet hatte. Sowohl hinsichtlich der Rhetorik des Täters als auch in Bezug auf die Handlungen. Dort hatte sich der Schütze, der Klassenkameraden in einem College erschossen hatte, auch lange auf die Tat vorbereitet und im Internet mitgeteilt, dass er im Alleingang handele.

Die gerade gewählte neue Staatsduma (das Unterhaus des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) werde die systematische Arbeit zur Vervollkommnung der Gesetzgebung zum Waffenbesitz fortsetzen, meint Alexander Hinstein, Abgeordneter der russischen Staatsduma der 7. Legislaturperiode. Der Amokschütze von Perm hätte nach Aussagen Hinsteins die Waffe auf legaler Grundlage erworben. „Es sei betont, dass er alle Dokumente vor Inkrafttreten unseres Gesetzes, das die medizinische Begutachtung und die Anforderungen für Kandidaten für den Erhalt einer Waffe verschärft, erhalten hat. Freilich fürchte ich, dass auch ist dies kein Allheilmittel ist. Der Verbrecher selbst schrieb in den sozialen Netzwerken, dass die Ärzte seine realen Absichten nicht zu ermitteln vermochten und es wohl auch nicht können, da er es gelernt hätte, sie meisterhaft zu verheimlichen“.

Wladimir Sernow, der Rektor der Russischen Neuen Universität und das Mitglied der Russischen Akademie für Bildungswesen, lenkte das Augenmerk der „NG“ auf die Tatsache, dass bei einer Immatrikulation kein ärztliches Berufs- und Konsultationsgutachten (medizinischer Bescheid gemäß dem Formblatt 286) obligatorisch sei. „Dieser Bescheid informierte aber doch die Hochschule in irgendeiner Weise über die psychische Gesundheit des potenziellen Studenten. Heute verlangt man ihn nicht unbedingt von den Abiturienten. Viele Rektoren würden aber gern eine Rückkehr zu diesem Dokument“, betonte der Experte. Er erzählte, dass die Hochschulen nach der Tragödie von Kasan die Regeln für den Gesundheitsschutz der Studenten revidiert hätten. Man könne aber nicht alle Fälle vorsehen.

Russlands Ombudsmann für den Bereich des Bildungswesens Amet Wolodarskij teilte der „NG“ mit, dass die Leitungen der Hochschulen und Hochschullehrer mit Berichten überhäuft werden würden. Im Zusammenhang mit der Reformierung des Systems der Hochschulausbildung seien es noch mehr Papiere und Unterlagen geworden. Aufgrund dieser würden die Hochschullehrer nicht ihren Studenten sehen. „Wenn den Hochschulen die Möglichkeit gegeben wird, sich auf den Lehrprozess und auf die Entwicklung der Bildungseinrichtung, unter anderem auf die Vervollkommnung des Sicherheitssystems, zu konzentrieren, werden die Universitäten objektiv auf ihre Probleme schauen können. Vorerst sehen sie alle durch das Prisma der Berichtspapiere für die übergeordneten Beamten. Es gibt keine Zeit, um den Kopf zu heben und sich umzuschauen“, meint Wolodarskij.