Analytiker und Politiker konstatieren eine Zunahme des Kader-Hungers – des Bedarfs an Personal – im Land. Wie Umfragen und Untersuchungen belegen, werden fast 70 Prozent der Unternehmen mit einem Personalmangel konfrontiert. Wobei es meistens um Linienpersonal und Beschäftigte des Massensegments geht. Jedoch ergeben sich auch Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifizierten Spezialisten. Es besteht ein offensichtlicher Mangel an Ingenieuren, IT-Spezialisten, Facharbeitern und Wissenschaftlern. Experten unterstreichen, dass die Wirtschaft mit allen Kräften bemüht ist, in erster Linie junge Menschen zu gewinnen. Die Demografie in Russland ist jedoch solch eine, dass sich bereits die Hälfte der Menschen im arbeitsfähigen Alter in der Kategorie 40+ befindet, in deren Hinsicht immer noch oft „Ageism – Altersdiskriminierung“ an den Tag gelegt wird.
Experten des Personalunternehmens UTEAM betonen in ihrer neuen Untersuchung (befragt wurden 115 Unternehmen), dass sich in den letzten anderthalb Jahren der russische Arbeitsmarkt stärker als in den vorangegangenen fünf bis sieben Jahren verändert hätte. Die demografische Grube hätte die Folgen der Pandemie beeinflusst, was unter anderem zu einer Verschärfung des Personal-Hungers geführt habe. Mit einem Personalmangel würden laut den Angaben ihrer Umfrage heute beinahe 70 Prozent der Unternehmen konfrontiert werden.
Am meisten geht es um Funktionen, die keine ernsthafte Berufsausbildung verlangen (Geschäfte, Lager usw.). Schwierigkeiten ergeben sich jedoch bei der Suche nach qualifizierten Spezialisten.
Nach Meinung von Experten provozieren die Verschärfung des Personal-Hungers sowohl die demografischen Probleme (laut Angaben des russischen Statistikamtes Rosstat hat sich innerhalb von zehn Jahren die arbeitsfähige Bevölkerung Russlands um 5,3 Millionen Menschen verringert) als auch die größere Aktivität der Arbeitgeber. Im letzten halben Jahr sind im Durchschnitt um 70 Prozent mehr Stellen als im Jahr zuvor ausgeschrieben worden, wobei dies meistens keine Stellen waren, die neu zu besetzen waren (aufgrund des Ausscheidens bisheriger Mitarbeiter), sondern Jobs mit Blick auf eine weitere Entwicklung. Noch ein Faktor ist die geringe Aktivität der eigentlichen Arbeitssuchenden. Laut Angaben des Internetportals HeadHunter hat sich die Anzahl der Jobsuchenden im April dieses Jahres um vier Prozent im Vergleich zum März verringert. Und im Mai ist diese Zahl noch einmal um sieben Prozent gesunken.
„In einzelnen Bereichen, beispielsweise in der Medizin und Pharmazeutik, gibt es mehr freie Stellen als eigentliche Bewerber. Es besteht ein offenkundiger Mangel an Ingenieuren. Den größten Personalmangel verspüren heute die Produktion, das Bauwesen und der IT-Sektor, aber auch alle Industriebereiche, in denen es einen Verkaufsbereich gibt“, sagte Irina Antonenko, Leiterin der Abteilung für Personalerfassung des Personalunternehmens UTEAM.
Am Donnerstag lenkte der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates Dmitrij Medwedjew die Aufmerksamkeit auf die ernste Personalprobleme in der russischen Wissenschaft. Nach seinen Worten erfordere die Anzahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter eine Analyse, unter anderem mit Blick auf den Bereich der Doktoranden.
Einen akuten Mangel an Spezialisten verspüren die Unternehmen der digitalen Wirtschaft. Laut Schützungen von Personalagenturen, die sich mit den auf ihren Seiten veröffentlichten Stellenausschreibungen befassen, macht der Mangel an IT-Spezialisten insgesamt im Land bis zu einer Million Menschen aus. Die Schätzungen der Assoziation der Unternehmen für Computer- und Informationstechnologien sind bescheidener, beeindrucken aber auch. Laut ihren Angaben mache der Bedarf an Spezialisten mit einem hohen Qualifikationsgrad und Erfahrungen mindestens 222.000 Menschen aus.
Der Personalmangel im Bereich der Schulausbildung beträgt 250.000 Menschen, teilte Tatjana Kljatschko, Leiterin des Zentrums für die Wirtschaft einer ununterbrochenen Ausbildung der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsdienst, gegenüber Journalisten mit. Der Generaldirektor der Unternehmensgruppe „Korib“, Oleg Korobtschenko, betonte seinerseits, dass der Baubranche bis zu einer Million Arbeiter fehlen würden.
Der Hunger nach Personal – der Kadermangel – führt dazu, dass sich die Arbeitslosenrate in Russland der von vor der Pandemie nähert. Im Mai dieses Jahres ist sie laut Angaben des russischen Statistikamtes Rosstat bis auf 3,7 Millionen Menschen zurückgegangen, während sie im März vergangenen Jahres auf einem Stand von 3,48 Millionen lag. Dabei waren laut Angaben der staatlichen Arbeitsagentur Rostrud im Mai 1,6 Millionen Menschen in den Arbeitsämtern registriert gewesen, von denen 1,4 Millionen den Status eines Arbeitslosen hatten. Und 0,8 Millionen von ihnen erhielten Arbeitslosengeld.
„Die Verringerung der Arbeitslosigkeit und der Hunger nach Personal sind miteinander verbundene Ereignisse“, sagte der „NG“ Natalia Danina, Direktorin des Departments für analytische Business-Lösungen von HeadHunter. „Unter den Bedingungen eines Mangels an Arbeitsressourcen und der rasanten Zunahme freier Stellen verringern sich die Schwellen für eine Einstellung und werden die Bedingungen für geeignete Kandidaten gelockert. Das Suchen seitens des Arbeitgebers wird zu einem proaktiven. All diese Faktoren fördern eine Reduzierung der Arbeitslosigkeit“. «
Das Jahr 2021 hat mit einer ungeahnten und sehr überraschenden Zunahme der Aktivität der Arbeitgeber begonnen: Viele Unternehmen beschlossen, Personal einzustellen, dessen Suche man im Jahr 2020 aufgrund der Instabilität der Situation gestoppt hatte, fährt der Experte fort.