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Der Präsident initiierte eine Neuausrichtung der Regierung entsprechend der Krise


Unter den Bedingungen der zunehmenden Unbestimmtheit und des signifikanten Rückgangs sowohl der Bevölkerungseinkommen als auch der Einnahmen des Haushalts hat sich die Situation in der russischen Wirtschaft grundlegend verändert. In den Vordergrund sind andere Aufgaben gerückt: Auf der Tagesordnung steht nicht so sehr die Realisierung der nationalen Entwicklungsprojekte als vielmehr die Anpassung an die langwierige Krise. Die Regierung bedurfte einer Neuausrichtung. Gebraucht wurden auf die Schaffung von Wachstumstreibern ausgerichtete Minister-Praktiker und Administratoren für die Haushaltseinnahmen, die dem buchhalterischen Vorgehen des Finanzblocks trotzen werden. 

Am Dienstag behandelte die Staatsduma während ihrer Plenartagung die Frage nach der Bestätigung von fünf neuen Ministern und einem neuen Vizepremier, die durch Premier Michail Mischustin nach den durch Präsident Wladimir Putin initiierten Personalveränderungen in der Regierung vorgeschlagen wurden.

Es geht dabei um die neuen Leiter des Energieministeriums, des Ministeriums für Bauwesen, des Transportministeriums, des Ministeriums für Naturressourcen sowie des Ministeriums für die Entwicklung des Fernen Ostens und der Arktis und um die Nominierung des neuen, des zehnten Vizepremiers Alexander Nowak. 

Anstelle von Nowak hatte für das Amt des Energieministers der Premier Nikolaj Schulginow, bisher Generaldirektor von „RusHydro“, vorgeschlagen. Die Leitung des Ministeriums für Bauwesen wird Irek Faisullin anvertraut, der in dieser Institution 1. Stellvertreter von Minister Wladimir Jakuschew war, der ins Amt des bevollmächtigten Vertreters des Präsidenten im Uraler Föderalen Bezirk wechselte. Für das Amt des Transportministers wurde der Generaldirektor von „Aeroflot“, Vitalij Saweljew, vorgeschlagen; für das Amt des Ministers für Naturressourcen und Ökologie – Alexander Kozlow, der bereits Ex-Chef des Ministeriums für die Entwicklung des Fernen Ostens und die Arktis ist. An seine Stelle kommt der Leiter des Fonds für die Entwicklung des Fernen Ostens und der Aktis Alexej Tschekunkow ins Ministerium.  

„Die Erörterung der Kandidaturen wird eine gewissenhafte und öffentliche“, kündigte am Montag der Vorsitzende des Unterhauses des russischen Parlaments, Wjatscheslaw Wolodin, an. Am gleichen Tag unterstützten die zuständige Duma-Ausschüsse alle Kandidaten für die vakant gewordenen Ministerposten und das Amt des Vizepremiers. 

Gemäß den in diesem Jahr angenommenen Verfassungsänderungen müssen alle neuen Regierungsmitglieder die Prozedur einer Bestätigung durch die Staatsduma durchlaufen. Der Präsident hatte am 6. November das föderale Verfassungsgesetz „Über die Regierung der Russischen Föderation“ unterschrieben, das dieses Prozedere beschreibt. Allem Anschein nach wolle der Präsident sehen, wie dies funktionieren wird, vermutete auf Facebook Sergej Markow, der Direktor des Zentrums für politische Forschungen. Schließlich habe die Duma jetzt die Möglichkeit, wie er präzisierte, irgendwen nicht zu bestätigen. Was freilich am Dienstag nicht geschah. Alle neuen Minister und auch Vizepremier Nummer 10 wurden von den Volksvertretern bestätigt. 

Dmitrij Peskow, der Pressesekretär des Präsidenten, bezeichnete die Umbesetzungen als eine gewöhnliche Rotation. Obgleich nach Markows Meinung die Veränderungen im Ministerium für Naturressourcen und Ökologie unter anderem mit dem Scheitern der Müllreform zusammenhängen würden. Im Fall bezüglich des Bauministeriums erfolgte eine Verstärkung der Positionen des Vizepremiers für Bauwesen, Marat Chusnullin. Und Nowak habe, wie der Politologe präzisierte, eine Erhöhung „als Auszeichnung für den riesigen Erfolg des OPEC+-Deals“ bekommen.  

Am Montag hatte Nowak aufgezählt, welchen Aufgaben er besondere Aufmerksamkeit im neuen Status widmen werde. Dies seien Fragen, die die strategische Entwicklung der Energiewirtschaft und die Stimulierung der Branche betreffen würden.

„Wir müssen stimulierende Maßnahmen für eine effektivere Nutzung der funktionierenden Lagerstätten in Westsibirien entwickeln, die Fragen der Gasifizierung weiterverfolgen und der Entwicklung der Petrol- und Gaschemie vorrangiges Augenmerk schenken“, zählte er auf. „Wir müssen solche Richtungen wie die Wasserstoffenergiewirtschaft entwickeln… Wir müssen der Monetarisierung des Gases von Ostsibirien Aufmerksamkeit widmen“. Und dies sind bei weitem nicht alle vorrangigen Themen.

Wovon zeugen aber die vorgenommenen Umbesetzungen? „Dies ist eine Personal-Rotation im Rahmen eines geschlossenen Systems. Ich denke, die Veränderungen hängen in größerem Maße mit dem Bestreben zusammen, die Regierung aufzurütteln denn die Schlüsselrichtungen in ihrer Arbeit zu verändern“, vermutete Alexej Antonow, Chefanalytiker des Unternehmens „Alor“. Jedoch verstärke Mischustin weiter das Team durch effektive Kader, wie Konstantin Ordow, Leiter eines Departments der Finanzuniversität bei der russischen Regierung, meint. „Für die Regierung ist ein großes Problem nicht das Fehlen von Plänen, sondern die Unfähigkeit, ihre Umsetzung zu erreichen. Die Neuernennungen sollen die Organisations- und Ausführungsdisziplin erhöhen“, meint der Experte.   

Derzeit, unter den Bedingungen der zunehmenden Unbestimmtheit und der signifikanten Verringerung der Einnahmen, haben sich die Schlüsselaufgaben für die Arbeit der Regierung verändert. Wie der Rechnungshof mitteilte, habe der Gesamtumfang der Einnahmen des föderalen Haushalts entsprechend den Ergebnissen des Zeitraums Januar-September 13,2 Billionen Rubel ausgemacht, wobei er im Vergleich zum analogen Zeitraum von 2019 um 1,8 Billionen Rubel oder um 12 Prozent zurückgegangen sei. Die Öl- und Gaseinnahmen seien um fast 36 Prozent eingebrochen. 

Zu Jahresbeginn waren die Hauptziele der gebildeten Mischustin-Regierung die Realisierung der nationalen Entwicklungsprojekte, die vollständige Offenlegung der Einkommen durch eine Digitalisierung sowie das Erreichen eines spürbar höheren Tempos für das Wirtschaftswachstum unter relativ normalen Bedingungen. Jetzt aber steht auf der Tagesordnung die Vorbereitung auf eine langwierige Krise. Dies ist sowohl eine Krise im Zusammenhang mit den Pandemiefolgen als auch eine Krise des Ölmarkts und eine Krise der Bevölkerungseinkommen sowie die ökologische Problematik und vieles andere. 

Erforderlich wurde eine Verstärkung des Teams durch Minister aus den Reihen der Praktiker, durch Administratoren der Haushaltseinnahmen, die in der Lage sein werden, zum notwendigen Zeitpunkt der buchhalterischen Einstellung des Finanzblocks, der über den Haushalt sowie eine strenge Geld- und Kreditpolitik wacht, zu trotzen. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Minister aus den Reihen der Praktiker müssen eine Entbürokratisierung, das Einrichten der Treiber für ein Wirtschaftswachstum, die Stimulierung der Produktion und des Bauwesens, die Schaffung neuer hochbezahlter Arbeitsplätze sowie eine Mobilisierung der vorhandenen Ressourcen stehen.