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Der turkmenische Sprung gen Westen


Die Pipeline-Megalomanie (Megalomanie – Größenwahn) der turkmenischen Offiziellen beginnt scheinbar, aus dem Ziel die Offiziellen Turkmenistans in Geiseln zu verwandeln, wobei es dieses endgültig in eine Ideologie, in einer Superidee transformiert. Die natürlichen Absichten, den Hauptreichtum des Landes – Erdgas – dort zu verkaufen, wo dies möglich ist, kann man nicht als etwas Anrüchiges bezeichnen, im Gegenteil! Die Methoden jedoch, die durch die turkmenische Führung bei der Suche nach einem „Mehr-Vektoren-Charakter“ der Gaspolitik verwendet werden, drohen, zu deren Gesichtsverlust und zum Einbüßen des Ansehens eines vertragsfähigen Partners zu führen.

Vor nicht allzu kurzer haben die chinesischen Offiziellen unzweideutig den turkmenischen Kollegen zu verstehen gegeben, dass das Verhalten letzterer begonnen hat, von den Normen einer „strategischen Partnerschaft“ abzuweichen. Und die faktische Sabotage ihrer Entwicklung löse bereits Fragen aus. Das Signal wurde wahrgenommen, und Turkmenistans Präsident Serdar Berdymuchamedow ernannte eine Leitung für das turkmenisch-chinesische Regierungskomitee für Zusammenarbeit und dessen Unterausschüsse von turkmenischer Seite, womit er den lange Zeit ins Schlingern geratenen Verhandlungsprozess neustartete, darunter auch hinsichtlich der Gaslieferungen durch den sich im Bau befindlichen Strang D des Pipelinesystems Turkmenistan-China.

Die Realisierung noch eines transkontinentalen Projekts – der TAPI (der Pipeline Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Indien) -, das gleichfalls zu einem selbständigen Ideologem der turkmenischen Politik wurde, ist, wie sich herausstellte, mit einem für die turkmenischen Strategen unerwarteten Hindernis in Gestalt der Sanktionen der USA gegen die heutigen Herrschenden Afghanistans konfrontiert worden. Laut Versicherungen der Leitung des Unternehmens „TAPI Pipeline“ (gehört zu 90 Prozent dem Staatskonzern Turkmengaz) hätten sie sich jedoch schon an die Behörden der USA „…mit der Bitte, die Sanktionen gegen die Regierung der Taliban (sind in Russland verboten) für die Realisierung der Gaspipeline TAPI abzuschwächen“, gewandt. Inwieweit die Offiziellen der USA auf diese Bitte reagieren werden, wird die Zeit zeigen. Vorerst aber ist das TAPI-Thema fast vollständig von der Agenda der turkmenischen Massenmedien verschwunden und hat den Beschreibungen der heroischen Anstrengungen von Turkmenistans Außenminister Raschid Meredow zur Realisierung der Idee der Transkaspischen Pipeline Platz gemacht.

Die Idee für den Bau der Transkaspischen Gaspipeline war fast sofort mit der Erlangung der Unabhängigkeit durch Turkmenistan aus der Taufe gehoben worden und schaffte es, im Bestand des nichtrealisierten Projekts der Nabucco-Gaspipeline aufzutauchen, das in erster Linie ein Setzen auf die Ressourcenbasis der Republik bedeutet hatte. Die Aktualität dieser Pipeline unterstrich ständig die turkmenischen Offiziellen, selbst nachdem Vertreter der Europäischen Union direkt bei Verhandlungen mit der turkmenischen Seite erklärt hatten, dass sie Kurs auf eine kohlenstofffreie Wirtschaft nehmen und keiner fossilen Brennstoffe mehr bedürfen würden.

Die Neuformatierung das Gasmarktes Europas und der Welt in den letzten Jahren hat dieser Idee noch eine Chance beschert. Bis zur von den europäischen Offiziellen erklärten „grünen Wende“ ist es noch weit. Und in Europa wird es immer schwieriger, ohne Erdgas auszukommen. Und für die turkmenischen Offiziellen wird es derweil auch immer komplizierter, eine Balance zwischen den Flops in der ineffizienten Wirtschaftspolitik, den ideologischen Dogmen, die „Glück und Prosperität“ des turkmenischen Volks proklamieren, und den internationalen Pflichten, die sich auf das Prinzip der Neutralität stützen, herzustellen.

Die beiden Kaspi-Konventionen – die Rahmenkonvention für den Schutz des Kaspischen Meeres (Teheraner Konvention von 2003, die im Jahr 2006 in Kraft getreten ist) und die Konvention über den Rechtsstatus des Kaspischen Meeres (2018 in Aktau unterzeichnet, ist aber nicht in Kraft getreten) – enthalten viele Rechtslücken und noch nicht realisierte zusätzliche Rechtsnormen, was den Beginn grenzüberschreitender Projekte ausbremst — sowohl formal als auch entsprechend dem Prinzip eines „guten Willens“, solch eine Tätigkeit bis zum Abschluss aller formalen Prozeduren nicht aufzunehmen. Aber als hauptsächliches Hindernis auf dem Weg des Baus der Transkaspischen Pipeline wird durch unterschiedliche Verhandlungsführer inkl. auch der russischen die Sorge um die ökologische Sicherheit solcher Projekte genannt. Die turkmenische Seite, die einerseits die Wirksamkeit solcher Argumente und andererseits ihre rechtliche und buchstäbliche Unbestimmtheit versteht, hat eine präventive Attacke gegen die Positionen der russischen Seite begonnen, die, wie man in Aschgabat meint, der Hauptopponent in Bezug auf den Bau der Transkaspischen Pipeline sein und gerade die ökologischen Argumente gegen deren Realisierung nutzen wird.

Im Sommer letzten Jahres hatte bei einer Beratung zur Kaspi-Problematik Raschid Meredow in einer schwach verhüllten Form im Beisein des Botschafters der Russischen Föderation Russland der Schaffung des hauptsächlichen ökologischen Problems des Kaspischen Meeres, der Verringerung dessen Wasserstands sowie der Umwelt- und wirtschaftlichen Folgen daraus bezichtigt. Bei einer Anfang Dezember erfolgten Tagung der Außenminister der Kaspi-Anrainerstaaten hat Meredow nicht nur zu einer schnellstmöglichen Annahme der nichtratifizierten Normen der Kaspi-Konventionen aufgerufen, sondern auch zu Schaffung eine faktisch neuen Rechtsmechanismus für eine Bewertung der Ursachen, Folgen und des Schadens, der durch die Verringerung des Wasserstands des Kaspischen Meeres ausgelöst wurde, wobei er a priori die Rolle Russlands dabei als ein Land mit der größten Entnahme von Wasser aus den Flüssen, die in das Kaspische Meer münden, im Blick hatte. Parallel initiiert Turkmenistan eine Reihe von Umweltschutz-Programmen, wobei es sich bemüht, ihnen den Status von UNO-Programmen mit entsprechenden Behörden zu verleihen und deren Präsenz auf seinem Territorium zu organisieren, um deren Tätigkeit und deren wissenschaftlichen und juristischen Schlussfolgerungen den Status einer Meinung der Vereinten Nationen zu verleihen. Die Strategie mit einem Setzen auf die UNO ist eine gut bekannte diplomatische Methode der Offiziellen Turkmenistans und persönlich von Raschid Meredow. In Aschgabat gibt es bereits eine lange Zeit ein Regionales Zentrum für präventive Diplomatie der UNO, sein Lieblingsgeschöpf, freilich mit für wenigen bekannten Arbeitsergebnissen. Dennoch ist der zunehmende expressive Charakter Turkmenistans bei der Suche nach einer Legitimierung des Rechts auf den Bau der Transkaspischen Pipeline nicht unbemerkt geblieben. Zumal dies nicht die einzigen Signale sind, die Turkmenistan in Sachen Bereitschaft, mit seinem Gas einen Sprung gen Westen zu unternehmen, aussendet.

Es ist kein Geheimnis, dass lange Zeit das Haupthindernis bei der Entwicklung der Beziehungen Turkmenistans mit Europa die Probleme mit den Menschenrechten waren – angefangen bei den Schicksalen der in turkmenischen Gefängnissen Verschwundenen, den Manipulationen bei den Wahlen, der Ausnutzung von Zwangsarbeit, den Problemen mit den Frauenrechten bis hin zur Freiheit der Ausreise aus dem Land und der Redefreiheit inkl. des praktisch vollkommen blockierten Internets. In der letzten Zeit ist zu all diesen Problemen der Faktor der kolossalen Methan-Emissionen durch die Infrastruktur für die Gasförderung und den Gastransport hinzugekommen. Hinsichtlich dieses Parameters sind dies die weltweit größten, was für Europa und die USA eine direkte Herausforderung für ihre „grüne Agenda“ ist.

  1. Und jetzt haben da die turkmenischen Offiziellen begonnen, eine Masse von Anstrengungen zu unternehmen, um ihr Image aufzubessern. Zahlreiche Erklärungen über eine strikte Einhaltung der Frauenrechte, die Besuche ausländischer Delegationen in Gefängnissen, die sowohl bereits stattgefunden haben als auch geplant sind, der Empfang einer Delegation der Internationalen Arbeitsorganisation zwecks Demonstration des Nichtbestehens von Zwangsarbeit – solche Körperbewegungen sind in der letzten Zeit nicht mehr zu zählen, inkl. auch des Umstands, das US-amerikanische Experten für das Austreten von Methan (unkontrollierte Methan-Emissionen) zum Allerheiligsten der turkmenischen Offiziellen – zum Gastransportsystem – zugelassen worden sind. Ja, die Offiziellen bereinigen das Image, aber tun wenig hinsichtlich der realen Situation. Es gibt keine Schritte, die real zu Veränderungen auf institutionellem und – was das Wichtigste ist – auf dem Gebiet einer Verbesserung des Lebens des einfachen Volkes führen. Und sie können nicht erfolgen. Der Geist des Nabucco-Projekts lässt es nicht zu.