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Der Ukraine-Konflikt wird den Inlandstourismus in Russland einschränken


Das zweite Jahr der sogenannten militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine kann die Urlaubspläne der russischen Bürger weitaus stärker als das erste beeinflussen. Die Krim-Sanatorien und -Hotels erwartet wahrscheinlich eine der schlechtesten Sommersaisons aufgrund militärischer Gefahren und möglicher Transportprobleme. Die Kurorte der Verwaltungsregion Krasnodar und der Türkei werden wohl kaum bei sich jene sechs Millionen Bürger Russlands aufnehmen können, die früher auf der Krim Urlaub gemacht hatten. Die Verteuerung des Strandurlaubs um 40 bis 50 Prozent veranlasst viele Bürger Russlands, zu Hause oder auf den Datschas zu bleiben oder einer billigeren Erholungsvariante den Vorrang zu geben. Die Tourismussaison-2023 werde eine recht schwierige werden, sind sich die Marktakteure und Experten sicher.

Die Russische Eisenbahn (RZD) plant in der Sommersaison, den Umfang der Passagiertransporte in den Süden bis auf elf Millionen Menschen zu erhöhen, was um fünf Prozent mehr als im Vorjahr sein wird. Mitgeteilt wird, dass den Passagieren rund 13,5 Millionen Plätze in den Zügen zur Verfügung stehen werden, die in die russischen Kurorte rollen. Für diese Destinationen werden über 1500 zusätzliche Züge eingesetzt, von denen die meisten russische Großstädte mit Anapa, Adler (Sotschi), Noworossijsk, Kislowodsk (im Kaukasus) und anderen Urlauberorten verbinden.

Straßen- und Bahntransporte bleiben die hauptsächliche Beförderungsform für die Reisen der Urlauber ans Meer, da viele Flughäfen im Landessüden geschlossen bleiben. Ungeachtet der objektiven Transportschwierigkeiten glaubt jedoch ein Teil der Akteure des russischen Tourismus-Marktes an einen Erfolg der Sommersaison-2023. Im Russischen Verband der Tourismusindustrie (RVT) prognostiziert man, dass in diesem Jahr der inländische Touristenstrom den Rekordwert des Jahres 2019 – als vor Beginn der COVID-19-Pandemie – erreichen werde. Damals hatte die offizielle Statistik 65 Millionen touristische Reisen der Bürger Russlands ausgewiesen. Im Jahr 2022 seien in Russland 62 Millionen touristische Reisen gezählt worden, erinnert RVT-Vizepräsident Jurij Barsykin. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Dynamik der Reise-Buchungen für die Mai-Feiertage ungeachtet des Ansteigens der Preise.

Die schwierigsten Perspektiven erwarten in diesem Jahr die Krim-Kurorte. Direktflüge auf die Halbinsel (die seit 2014 Teil Russlands ist – Anmerkung der Redaktion) sind praktisch nicht möglich. Und die Instandsetzung eines Teils der Krim-Brücke wird auch das Potenzial der Bahntransporte einschränken. „Die Krim verliert teilweise Touristen, solange die Flughäfen nicht in Betrieb sind. Aufgrund dessen hat die Krim auch im vergangenen Jahr Verluste eingesteckt“, gesteht Barsykin ein. Nach seinen Worten werde bereits jetzt in den offiziellen Krim-Urlauberunterkünften eine Zunahme der Buchungen um 15 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr festgestellt. Der Krim-Minister für Kurorte und Tourismus, Wadim Woltschenko, gestand ein, dass man die Zimmer für den Sommer-2023 nicht so aktiv wie früher buchen würde. „Die Buchungsperiode erfasst vor allem die nächsten 15 bis 30 Tage. Dies hängt mit den Logistik-Problemen zusammen“, erläuterte er. Anatolij Tarasenko, Tourismus-Experte, ist der Annahme, dass die Bereitstellung zusätzlicher Züge erlauben werde, den Passagierstrom auf die Krim bis auf drei Millionen Menschen in der Sommersaison zu erhöhen. Für einen Vergleich: Im vergangenen Jahr hatten auf der Krim-Halbinsel 6,5 Millionen Urlaub gemacht.

Unter den Bedingungen der Unbestimmtheit sind viele Touristen nicht bereit, Vorauszahlungen für den Urlaub zu tätigen. Und einige Hotels haben bereits entschieden, in diesem Sommer gar nicht erst die Pforten zu öffnen. „Wir haben keine Frühbuchungen, dementsprechend haben wir keine Vorauszahlungen. Dies birgt die Gefahr in sich, dass die Hoteliers keine Mittel haben, um die Hotels zu entkonservieren“, erläuterte Andrej Pylow, der Präsident der Assoziation „Tourismusallianz der Krim“. In der Krim-Hotel-Vereinigung ist man der Meinung, dass der Anteil der Hotels, die in diesem Jahr nicht geöffnet werden, spürbar größer als der des vergangenen Jahres sein werde.

Unter den gefragtesten Inlandsreisezielen bleibt in diesem Jahr die Region Sotschi. Im RVT informierte man, dass allein an den Mai-Feiertagen die Region mindestens 260.000 Touristen aufnehmen werde. Im Pressedienst des Ministeriums für Kurorte, Tourismus und das olympische Erbe der Verwaltungsregion Krasnodar erwartet man, in diesem Sommer mindestens neun Millionen Menschen in den Kurorten der Region zu empfangen. Laut Angaben des regionalen Tourismus-Ministeriums seien bereits für den Juni, Juli und August über 52 Prozent der Kapazitäten in den Hotels gebucht worden. Insgesamt beabsichtigt die auch als Kuban-Gebiet bekannte Region, im gesamten Jahr rund 17 Millionen Touristen zu empfangen.

Im Ergebnis dessen verteuert sich der Urlaub in den Schwarzmeer-Kurorten des Verwaltungsregion Krasnodar am stärksten. Laut Schätzungen von Branchenexperten verteure sich der Sommerurlaub dort um 15 bis 40 Prozent (wobei die Qualität die unverändert gleiche bleiben wird – Anmerkung der Redaktion), während auf der Krim die Preise für einen Urlaub auf dem Stand des vergangenen Jahres bleiben würden. „Das Nichtvorhandensein von Zimmern zu erschwinglichen Preisen in den anderen Schwarzmeer-Kurorten veranlasst viele Touristen zu einer Reise auf die Krim“, schließt Artur Muradjan, Vizepräsident der Assoziation der Reiseveranstalter Russlands, nicht aus. Es werde jedoch wohl kaum einen Rekord hinsichtlich des Touristenstroms aufgrund der anhaltenden Logistik-Probleme, unter anderem aufgrund der sorgfältigen Kontrollprozeduren vor dem Befahren der Krim-Brücke, geben, meint der Experte.

Ob die Türkei jene für sich gewinnen wird, die nicht auf die Krim reisen, ist eine große Frage. Das Hauptproblem sind der neue Preisanstieg und die hohe Inflation in der Türkei. Laut Angaben des Nationalen Instituts für Statistik der Türkei seien die Kosten für eine Unterbringung in den Hotels des Landes allein im März um 3,8 Prozent angestiegen, und im Vergleich zum analogen Wert des Vorjahres um 70 Prozent. Laut Angaben des Instituts hat der Gesamtanstieg der Inlandspreise in der Türkei mehr als 50 Prozent ausgemacht. Die Preise für Türkei-Reisen sind auf dem russischen Markt im Vergleich zum Jahr 2022 um etwa 25 bis 30 Prozent angestiegen, teilte Shanna Garejewa vom Reiseveranstalter „Anex Tour Russland“ mit. Nach ihren Worten sei die Zunahme durch objektive Faktoren ausgelöst worden. „Zugenommen haben die Beförderungskosten aufgrund von zwei Ursachen: Angestiegen sind die Preise für Treibstoffe, und die Flugdauer hat zugenommen. Zu alle dem kommt, dass die türkischen Hoteliers die Unterbringungspreise angehoben haben, da die Preise im Land angestiegen sind“, zählt sie auf.

Branchenvertreter versichern: Die Nachfrage nach türkischen Urlaubsorten bleibe weiter bestehe. Die Offiziellen von Antalya haben mitgeteilt, dass in den ersten drei Monaten dieses Jahres die Provinz 800.000 Urlauber empfangen hat, und mehr als 200.000 von ihnen waren Bürger Russlands.

Aufgrund des Ansteigens der Preise verringert sich jedoch die Tiefe der Verkäufe, beklagen sich die Reiseveranstalter. „Hinsichtlich der Türkei gibt es praktisch keine Tiefe der Verkäufe. Buchungen erfolgen für die nächstgelegenen Daten, im besten Fall für den Sommeranfang. Für die Mai-Feiertage gibt es eine Nachfrage. Die Hochsaison ist aber bisher sehr schwer auszumachen. Die Reisen erweisen sich auch noch durch die Beförderung als teure. Der Hauptfaktor ist dennoch aber die Unterbringung. Viele sind zu solchen Ausgaben nicht bereit“, gesteht Verkaufsdirektorin Irina Erdman von der Firma „Marco Polo“ ein.

Einen Teil der potenziellen Krim-Urlauber wird wahrscheinlich Abchasien aufnehmen. Teimuraz Chischba, Abchasiens Tourismus-Minister, informierte über eine 25-prozentige Zunahme der Hotel-Buchungen für die Sommersaison. Laut seiner Prognose könne der Touristenstrom in die Republik in diesem Jahr um 50 Prozent zunehmen.