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Der Wassermangel in Kirgisien wird zu einer Lebensmittelkrise führen


Der Wassermangel in Kirgisien schaffe Gefahren für die Lebensmittelsicherheit des Landes, erklärte der kirgisische Kabinettschef Ulukbek Maripow nach einem Besuch der Ortotokoi-Talsperre (am Oberlauf des Tschüi). Die Landwirte erklären, dass man das für die Felder des Verwaltungsgebietes Tschüi bestimmte Wasser nach Kasachstan und Usbekistan ableite. Sie haben aus Verzweiflung zweimal Meetings in Bischkek veranstaltet. In der Regierung weist man jedoch die Anschuldigungen zurück. Man würde nichts über die Norm hinaus an die Nachbarn abgeben.

Die kirgisische Regierung plant, hunderte Tiefbrunnen zu bohren, um Wasser für die Bodenbewässerung zu gewinnen. Für die Umsetzung dieser Pläne müssen Investoren gewonnen werden. Der Leiter der Staatsagentur für Wasserressourcen Almasbek Sokejew teilte mit, dass mit dem Wohltätigkeitsfonds von Qatar (Qatar Charity Foundation) und anderen Geberländern Verhandlungen geführt werden. Der Bau zusätzlicher akkumulierender Wasserreservoire im Verwaltungsgebiet bleibe nach seinen Versicherungen in den Plänen. „Ab kommenden Jahr planen wir das Anlegen mehrerer neuer Stauseen, darunter auch im Gebiet des Spartak-Sees, wo jährlich eine große Restmenge an Wasser registriert wird“, betonte Sokejew.

Was sollen aber die Agrarier in diesem Jahr tun? Der Sommer ist auf dem gesamten Territorium der Republik ein trockener. Die kritischste Situation in Bezug auf den Wassermangel hat sich im Verwaltungsgebiet Tschüi herausgebildet, dessen Landwirte bereit sind, sich auf äußerste Maßnahmen einzulassen, damit ja nur wieder Wasser auf ihre Felder kommt. In der vergangenen Woche sind sie zweimal zu Kundgebungen zum Regierungsgebäude gekommen, wobei sie forderten, die Wasserfrage zu lösen. Wenn die Agrarier die Mais- und Rübenflächen nicht retten können, werden sie ruiniert, und für die anderen wird es kein Futter für das Vieh geben.

Das Landwirtschaftsministerium hat den Landwirten die Schuld für den Mangel an Wasser zum Bewässern zugewiesen, die sich nicht zu größeren Betrieben vereinigen könnten. Im Ressortministerium sagt man, dass alle Probleme sich aus der Zersplitterung der Landwirtschaftsbetriebe ergeben würden, was wiederum zu einem Ausbleiben einer Saatfolge, d. h. zum Ausbleiben eines Wechsels beim Anbau von landwirtschaftlichen Kulturen auf den vorhandenen Flächen führe. Daher sei in Kirgisien jedes Jahr ein Mangel an Wasser zum Bewässern zu verspüren. Für die Lösung des Problems hat man im Landwirtschaftsministerium einen operativen Stab gebildet und beschlossen, Obergrenzen in allen Kreisen des Gebiets Tschüi in Abhängigkeit vom Vorhandensein von Wasserressourcen einzuführen. Und bei Bedarf – einen Wasseraustausch zwischen den Kreisen einzuführen. Die Umsetzung der Anordnung sollen die Kreisverwaltungen des Innern und die Mitarbeiter der Wasserwirtschaftsbetriebe kontrollieren. Sie sollen regelmäßige und ununterbrochene Kontrollen durchführen und Zuwiderhandelnde ermitteln. Bisher ist unbekannt, was für Bestrafungsmaßnahmen gegen sie angewandt werden können.

Das Problem der Wasserarmut haben Ende letzter Woche Parlamentsabgeordnete angesprochen und einen Rücktritt von Premier Ulukbek Maripow als „verantwortlichen für die Dürre und den anhaltenden Anstieg der Preise im Land“ gefordert. Maripow seinerseits gestand eine Krisensituation nicht nur mit dem Wasser, sondern auch hinsichtlich der Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit, der Vorbereitung auf die Herbst-Winter-Saison sowie der Elektroenergie-Tarife ein und signalisierte die Bereitschaft, das Amt niederzulegen.

Ungeachtet der stürmischen Diskussionen endete die Parlamentssitzung ohne eine bestimmte Entscheidung. Die Abgeordneten riefen Maripow auf, die Anmerkungen zu berücksichtigen, und wünschten ihm Erfolge. Der Kabinettschef versprach, sich Mühe zu geben und fuhr ins Verwaltungsgebiet Tschüi.

Unterwegs besuchte Maripow die Ortotokoi-Talsperre, von wo aus man bereits begonnen hatte, Wasser auf die Felder zu leiten. „Es gibt tatsächlich in dem Reservoir, wie wir uns überzeugt haben, wenig Wasser. Der Pegel ist gesunken. Aufgrund des Mangels an Wasser zum Bewässern im Verwaltungsgebiet Tschüi erfolgt eine Wasserentnahme aus dem Ortotokoi-Stausee. Dies ist eine erzwungene Maßnahme. Und sobald sich die Situation geregelt hat, wird das Ablassen von Wasser aus diesem Wasserreservoir verringert werden“, zitiert die Internetseite www.24.kg Maripow.

Wie der Kabinettschef betonte, erfolge ein Ablassen von Wasser, doch auf seinem Wege gehe ein erheblicher Teil von ihm verloren. „Dies geschieht nicht, weil wir Wasser ins Nachbarland ablassen oder eine Wasserableitung zu bestimmten Feldern der Dekhan-Farmen (Einzel- oder Familienfarmen in Zentralasien – Anmerkung der Redaktion) vornehmen. Wir müssen kurzfristig eine Entscheidung treffen, die hilft, in der Zukunft nicht mit den Wasser-Problemen konfrontiert zu werden“, unterstrich Maripow.

Aus dem Ortotokoi-Stausee werden 120 Kubikmeter Wasser in der Sekunde abgelassen, von denen 110 für das Gebiet Tschüi bestimmt sind. Bis zum Hauptbauwerk des Großen Tschüi-Kanals gelangen rund 80 Kubikmeter. 30 Kubikmeter gehen beim Filtern verloren. Dies sind unersetzliche Wasserverluste.

Die Verantwortung für die Krise müsse der Präsident und nicht der Chef des Ministerkabinetts tragen. Die Abgeordneten aber könnten den Präsidenten nicht kritisieren, wie der Parlamentarier Dastan Bekeschew sagte. „Wegen Kritik wirft man ins Gefängnis“.