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Der Westen erinnerte Tbilissi an die Frauenprobleme


Die Offiziellen Georgiens haben sich der Internationalen Woche des Kampfes gegen Gewalt in Bezug auf Frauen, die bis zum 10. Dezember andauern wird, angeschlossen. In der Regierung der Republik erläuterte man, dass der Schutz der Frauen eine der vorrangigen Richtung ihrer Arbeit sei. Dabei unterstrich man dort, dass die Europäische Kommission die Anstrengungen Tbilissis positiv eingeschätzt hätte. Freilich vertritt die internationale Gemeinschaft diesbezüglich eine etwas andere Meinung: Getan wurde viel, aber bis zur Lösung des Problems ist es noch weit.

Georgiens Präsidentin Salome Zurabishvili sagte ihrerseits, dass die Rechte der Frauen eine Priorität seien. „Dies ist eine sehr wichtige europäische Frage. Die europäischen Standards bedeuten, dass alle geschützt sein müssen, und in erster Linie die Frauen. Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist ein Kampf für unsere Traditionen“, betonte Zurabishvili.

Derweil haben die UNO, die OSZE, das NATO-Office, die Vertretung der Europäischen Union und Botschaften verschiedener Länder in Georgien eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, die dem Problem der Gewalt gegen Frauen und Mädchen gewidmet war. Sie betonten unter anderem, dass ungeachtet der „Vielzahl von ernsthaften Schritten“, die von der Regierung und der Zivilgesellschaft unternommen worden sind, die Gewalt gegen Frauen und Mädchen in der Republik ein kritisches und ungelöstes Problem bleibe. Wie in dem Statement gesagt wurde, müsse Tbilissi die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Schutzes des schwachen Geschlechts und der Gender-Gleichheit vervollkommnen. „Es ist äußerst wichtig, die Informiertheit zu verstärken und die Führungsrolle der Frauen in allen Etappen des Treffens von Entscheidungen zu propagieren“, meinen die Vertreter der internationalen Staatengemeinschaft.

Im Zusammenhang damit schlagen sie vor, die Gewalt gegen die Frauen zu liquidieren, die in der Politik engagiert sind, da Gewalt solch einer Art die Frauen daran hindert, politisch aktiv zu sein, und effektiv die demokratische Entwicklung Georgiens zu fördern. „54 Prozent der Frauen, die für politische Posten kandidierten, wurden physischer, psychologischer, wirtschaftlicher oder sexueller Gewalt und Schikanen während ihrer Wahlkampagnen oder politischen Karriere ausgesetzt. Sexistische Äußerungen, die Hass schüren, werden oft gegen Politikerinnen in sozialen Netzwerken genutzt. Frauen kritisiert man durch das Prisma der Gender-Identität, des Äußeren, der Kleidung, der intellektuellen Fähigkeiten und eines Moralismus“, heißt es in der Erklärung.

Als einen der Aspekte der Gewalt, der am wenigsten offenkundig ist, bezeichneten die Autoren des Appells die ökonomische Gewalt, die das Opfer nötigen, mit dem Gewalttäter zusammenzubleiben. Um mit dem Problem fertig zu werden, schlagen sie vor, zumindest die genderbedingte Kluft bei der Entlohnung zu verringern. Außerdem weisen die Menschenrechtler auf die Ungerechtigkeit beim Erben von Eigentum hin. Oft warten die Eltern nicht nur auf ihre Tochter, die zu einem Opfer von Gewalt in der Familie geworden ist, sondern vererben ihr auch nichts.

Ungeachtet dessen ist der georgische Politologe Nika Tschitadse der Auffassung, dass sich insgesamt in seinem Land eine mehr oder weniger gute Situation hinsichtlich der Rechte der Frauen herausgebildet hätte. „Laut Angaben der Weltbank sind die Frauen im Durchschnitt von Land zu Land zu 77 von 100 möglichen Punkten geschützt. Georgien kommt auf 88 Punkte“, erklärte Tschitadse gegenüber der „NG“. „Natürlich gibt es auch Probleme. Beispielsweise sind 58 Prozent der Unternehmer Männer. Und ihre Gehälter sind im Durchschnitt um 500 Lari (ca. 170 Euro) im Vergleich zu denen der Unternehmerinnen höher. Viele Frauen nehmen nicht an der Politik teil. In den Haushalten werden sie seitens der Ehemänner Gewalt ausgesetzt… Dafür wird der „Brautraub“ nicht mehr als eine Heldentat des Verliebten aufgefasst“.

Laut UNICEF-Angaben für das Jahr 2018 hatten 14 Prozent der Einwohnerinnen Georgiens im Alter von 20 bis 24 Jahren als minderjährige geheiratet. In den Dörfern machte dieser Wert 25 Prozent aus, in den Städten – acht Prozent. Entsprechend einem Bericht des Volksverteidigers wurden im vergangenen Jahr 815 schwangere Minderjährigen und 434 Geburten eines Kindes registriert. Solche Familien kommen gewöhnlich bis zum Erreichen der Volljährigkeit des Opfers nicht ins Standesamt. Dennoch erschüttern Georgien regelmäßig Skandale. Im Oktober dieses Jahres erschoss man im Dorf Lambelo ein 14jähriges. Das Kind lebte in einer eheartigen Beziehung. Und der Mörder war ihr Lebenspartner gewesen.

„Auf gesetzgeberischer Ebene sind die Rechte der Frauen in Georgien besser als in Armenien oder Aserbaidschan gesichert. Aus der der Sicht der Umsetzung der Gesetze ist jedoch nicht alles so eindeutig. Eine negative Rolle spielen die kulturellen Besonderheiten der Georgier. Außerdem ist die Kirche im Land sehr stark, die für einen Traditionalismus eintritt, in dem den Rechten der Frauen nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird“, sagte der „NG“ Grant Mikaeljan, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kaukasus-Instituts.