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Der Westen ist bereit, gegen den Kreml mit einem neuen Sanktionspaket vorzugehen


Nach einer kurzen Pause nimmt der Westen die Verhängung von Sanktionen gegen die Russische Föderation wieder auf. Wie auch im Fall mit den vorangegangenen Sanktionspaketen hat Großbritannien als erster Restriktionen verhängt. Nach ihm folgen die Europäische Union und die USA, deren Vertreter ein Treffen durchgeführt haben, das dem Widerstand gegen Russland galt. Die Spitze des Sanktionsschlages soll, wie man im Westen meint, in erster Linie gegen die russischen Führungsriegen ausgerichtet sein, wo es laut Angaben der US-amerikanischen Aufklärung keine Einheit gebe. Zumindest haben das Pentagon und das White House behauptet, dass Wladimir Putin sehr ungehalten über die Militärs und Berater sei, die ihn nicht richtig über die Situation in Russland und in der Ukraine informiert hätten.

In Washington hat ein hochrangiges Treffen über Maßnahmen gegen Russland stattgefunden. An ihm haben teilgenommen: von US-amerikanischer Seite die 1. Vizeaußenministerin Victoria Nuland, seitens der Europäischen Union – der stellvertretende Generalsekretär des Auswärtigen Dienstes der EU Enrique Mora. Den knappen Meldungen nach zu urteilen, bereitete diese Begegnung die Ereignisse der kommenden Woche vor. Zu ihrem Beginn veröffentlicht die Europäische Kommission, wie erwartet wird, ihre Vorschläge zu weiteren Sanktionen gegen Russland, die beim EU-Gipfel gebilligt werden sollen. Laut Angaben des Blattes „The Wall Street Journal“ werde das neue Sanktionspaket sowohl technische als auch prinzipielle Neuerungen umfassen. Die Zeitung behauptet, dass man auf die schwarzen Listen der EU russische Banken und Privatpersonen setzen werde, die unter US-amerikanische, aber nicht europäische Sanktionen gefallen waren. Verabschiedet werden gleichfalls Maßnahmen zur Bekämpfung von Versuchen, die internationalen Restriktionen zu umgehen. Vorgesehen werde unter anderem, die Aufmerksamkeit auf Verwandte der Personen, die früher auf die Black Lists gesetzt worden waren, zu konzentrieren.

Die Sanktionspause, die für die Zeit der russisch-ukrainischen Verhandlungen in Istanbul eingelegt worden war, ist ganz gewiss zu Ende gegangen. Die am Bosporus erzielte Vereinbarung über einen Abzug der russischen Truppen in einer Reihe von Richtungen ist offenkundig nicht das, was man im Westen unter einer Friedensregelung versteht. Dies hatte frank und frei Großbritanniens Premierminister Boris Johnson erklärt. Sein Land hat als erstes seine schwarze Liste nach den Verhandlungen in Istanbul erweitert. Am Donnerstag wurden britische Sanktionen gegen den russischen staatlichen Fernsehkanal RT und die staatliche Mediengruppe „Russland heute“ verkündet. Die Entscheidung ist eine zu erwartende. Großbritannien hatte nach dem Vorbild der EU keine Sanktionen gegen diese Strukturen ausschließlich, wie die britische Außenministerin Liz Truss erläuterte, aufgrund der Befürchtungen verhängt, dass Russland die Ausstrahlung von BBC auf seinem Territorium blockiert. Da aber die Blockierung bereits erfolgte, haben die Briten beschlossen, ihren Gegenzug zu unternehmen.

Auf die britischen Black Lists sind auch noch weitere 14 Bürger der Russischen Föderation gesetzt worden. Unter ihnen sind der Journalist des russischen Staatsfernsehens Sergej Briljow (der laut einigen Angaben die britische Staatsbürgerschaft besitze – Anmerkung der Redaktion) und, was angesichts dessen etwas überraschend ist, dass die anderen unter die Sanktionen gefallenen Personen Mitarbeiter von Massenmedien sind, der Leiter des Nationalen Zentrums für die Leitung der Verteidigung der Russischen Föderation Michail Misinzew. Letztere trage, wie es in einer Erläuterung des britischen Außenministeriums heißt, die Verantwortung für „die Planung und Vornahme der Bombardierung Mariupols. Und auf einer schwarzen Liste zusammen mit Mitarbeitern russischer Staatsmedien hat er sich wiedergefunden, da er regelmäßige Briefings zur Situation rund um die sogenannte militärische Sonderoperation Russlands in der Ukraine abhält. Die Sanktionsliste ist auch durch das US-Finanzministerium erweitert worden. Auf dessen Liste wurden nun 13 Bürger Russlands und 21 Unternehmen gesetzt, die mit einer Tätigkeit im Cyberraum verbunden sind, darunter solche, die für die Bedürfnisse der Armee und der Aufklärung arbeiten.

Das wohl interessanteste Moment im neuen Sanktionspaket der Europäischen scheint das zu sein, ob denn irgendwelche Sanktionen gegen den Export russischer Energieträger in dieses aufgenommen werden. Die prinzipielle Entscheidung darüber, dass die EU mit der Abhängigkeit von den Lieferungen aus der Russischen Föderation Schluss machen wird, ist bereits im Großen und Ganzen gefällt worden. Dies bestätigte indirekt auch Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz. „Wahrscheinlich werden wir im Verlauf des Jahres die Abhängigkeit vom Öl- und Kohle-Import beseitigen können. Für Erdgas wird mehr Zeit gebraucht“, sagte er. Darauf, dass Russlands Präsenz auf dem europäischen Markt der Energieträger zumindest keine so große werden wird, was unweigerlich zu einem Ansteigen des Ölpreises führen wird, bereitet man sich offenkundig in den USA vor. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg meldete, erörtere das Weiße Haus die Möglichkeit einer Nutzung von bis zu 180 Millionen Barrel aus der strategischen Reserve im nächsten halben Jahr. Seit November haben die Offiziellen des Landes bereits zweimal ihr „Eingemachtes“ in Sachen Erdöl angetastet. Jedoch hatte es Pläne solch einer großangelegten Nutzung der eigenen Ölreserven in den USA schon lange nicht mehr gegeben.

Derweil diskutiert man im Westen aktiv die Auswirkung, die die verhängten Sanktionen verursachten oder verursachen können. Die Meinungen darüber, ob es zu einer Spaltung der russischen Eliten gekommen ist oder nicht, gehen auseinander. Alle sind sich nur darin einig, dass der Präsident der Russischen Föderation über seine Umgebung ungehalten sei. Auf einem Briefing erklärte am Mittwoch die Kommunikationsdirektorin des Weißen Hauses Kate Bedingfield, dass „Putin seine Berater darüber desinformieren, wie schlecht sich die russischen Streitkräfte gezeigt haben und wie die russische Wirtschaft durch die Sanktionen leidet, da seine Hauptberater zu sehr Angst haben, ihm die Wahrheit zu sagen“. Praktisch das Gleiche hinsichtlich des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby. Dazu antwortete ihm der Pressesekretär des russischen Präsidenten Dmitrij Peskow. Nach seinen Worten würden weder das State Department noch das Pentagon über reale Informationen darüber verfügen, was sich im Kreml abspiele. Und „sie verstehen nicht Präsident Putin. Sie verstehen nicht den Mechanismus für das Treffen von Entscheidungen. Und sie verstehen nicht den Stil unserer Arbeit“.