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Deutsche Politiker verlangen eine Aufrüstung des Landes


Die deutsche Rüstungsindustrie müsse ihre Produktionskapazitäten neuausrichten. Mit solch einer Forderung ist der Co-Vorsitzende der regierenden Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Lars Klingbeil, in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ aufgetreten. Er erklärte, dass die Deutschen mit dem Vorurteil Schluss machen müssten, dass es angeblich Restriktionen für eine Um- bzw. Aufrüstung der Bundeswehr gebe. Nach seinen Worten bedürfe Deutschland einer qualitätsgerechten Ausstattung der Armee. Und daran müsse man mit einem hohen Tempo zu arbeiten beginnen.

Klingbeil erklärte, dass er persönlich schnellere Handlungen der deutschen Industriellen zwecks Aufstockung der Kapazitäten der Rüstungsbetriebe gleich nach Beginn der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine am 24. Februar und der Erklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz vom 27. Februar erwartet hätte. In der hatte der Kanzler gegen Russland gerichtete Sanktionen und Militärhilfe für Kiew angekündigt. Er hatte gleichfalls eine rasche Modernisierung der Bundeswehr gefordert. Klingbeil erinnerte daran, dass Scholz besonders ein 100-Milliarden-Euro-Programm für die Umrüstung der Armee erwähnt und Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht vorgeworfen hätte, dass sie sich nicht mit den Aufträgen für die Streitkräfte Deutschlands beeilen würde. Im Zusammenhang damit kritisierte er jene deutschen Industriellen, die es vorgezogen hätten, sich nicht zu beeilen und abzuwarten, was ihnen die Politiker offerieren können.

Den Auftritt des Spitzenvertreters der Sozialdemokraten kann man irgendwie so interpretieren, dass an der Spree erneut ein Geist der Vorbereitung auf einen großen Krieg Einzug gehalten hat.

Aufmerksamkeit verdienen die vor einigen Jahren veröffentlichten Materialien des US-amerikanischen National Security Archives. Es geht um die Aufzeichnungen eines Gesprächs des damaligen Staatsoberhaupts der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, und des US-Außenministers James Bakers vom 9. Februar 1990 über Probleme für die übrige Welt, die sich bei einer Wiedervereinigung Deutschlands ergeben.

Baker betonte dabei die Gefahr eines Aufflammens des deutschen Nationalismus. Das Wichtigste „besteht darin“, sagte er Gorbatschow, „dass dieser Prozess (der Wiedervereinigung – O. N.) unter stabilen Bedingungen erfolgt und die Perspektive für Stabilität gewährleistet. Wir sind der Auffassung, dass dafür ein bestimmter Rahmen und ein Mechanismus für die Klärung der Fragen nötig sind, die mit den äußeren Aspekten der Vereinigung zusammenhängen. Zur gleichen Zeit muss man sehr vorsichtig an die Schaffung solch eines Mechanismus herangehen, um kein Aufflammen von Nationalismus unter den Deutschen auszulösen. Seine Gestaltung muss beginnen, nachdem die beiden Deutschlands beginnen werden, innere Aspekte der Wiedervereinigung zu erörtern“.

Besonders muss die Aufmerksamkeit auf die Befürchtungen von Baker gelenkt werden, dass selbst eine Neutralität des vereinten Deutschlands dieses nicht vor einem Militarismus bewahren könne. Wortwörtlich hatte er gesagt, dass „die Neutralität Deutschlands nicht bedeutet, dass es zu einem militaristischen wird. Im Gegenteil, es kann durchaus entscheiden, ein eigenes Nuklearpotenzial zu schaffen, anstatt sich auf die amerikanischen Kräfte für eine nukleare Zügelung zu stützen. All unsere westeuropäischen Verbündeten und eine Reihe osteuropäischer Länder haben mitgeteilt, dass sie eine Bewahrung der militärischen Präsenz der Vereinigten Staaten in Europa möchten. Ich weiß nicht, unterstützen Sie solch eine Möglichkeit? Ich möchte Ihnen aber gern versichern, dass, sobald unsere Verbündeten erklären, dass sie gegen unsere Anwesenheit sind, wir die Truppen nach Hause holen werden“.

Worauf Gorbatschow erwiderte, dass „es in der Tschechoslowakei und in Österreich die Befürchtungen gibt, dass das vereinte Deutschland Vollmachten erlangen wird, mit deren Hilfe es beginnen wird, auf die Grenzen von 1938 – auf das Sudetengebiet und Österreich – Anspruch zu erheben. Heute werden natürlich keine solchen Ansprüchen formuliert. Aber was wird morgen sein?“. Und Baker pflichtete dem bei.

Natürlich, die gewisse Naivität sowohl Gorbatschows als auch seines Außenministers Eduard Schewardnadse war mit dem Glauben verbunden, dass gerade die NATO als das juristische Instrumentarium für die Präsenz der USA in Europa, dem vereinten Deutschland nicht erlauben werde, über den Rahmen hinauszugehen, der für das Land durch entsprechende internationale Verträge, auf deren Grundlage die Vereinigung vorgenommen wurde, skizziert worden waren. Zumal es in diesen Aufzeichnungen auch die Zeilen gibt, laut denen Baker seinen Gesprächspartnern versicherte, dass, „wenn die Vereinigten Staaten ihre Präsenz in Deutschland im Rahmen der NATO bewahren werden, sich die derzeitige militärische Jurisdiktion der NATO nicht um einem Zoll in die östliche Richtung auszudehnen beginnen wird“.

Heute aber stimulieren gerade die USA und die NATO die Neubewaffnung Deutschlands, wobei sie die Aufstockung dessen Verteidigungshaushalts bis auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts fordern. Alle früheren Befürchtungen sind beiseite geworfen worden, da die mögliche Aggressivität eines neubewaffneten Deutschlands durch sie gerade gen Osten ausgerichtet wird.

Berlin