Alexander Lukaschenko hat am Donnerstag erneut erklärt, dass der Westen Weißrussland nicht in die Knie zwingen könne. Auch wenn die Opposition aus dem Ausland den Offiziellen mit einem Plan zu ihrem Sturz drohe. Durch die Zunahme der äußeren Bedrohungen sind auch die außerordentlichen Maßnahmen diktiert worden, die am Vorabend durch das Parlament der Republik verabschiedet worden waren. Die Abgeordneten stimmten für die Anwendung der Todesstrafe gegen jene, die des „Versuchs der Verübung von Terrorakten“ überführt worden sind. Die Maßnahme richtet sich vor allem gegen jene, die Diversionsakte gegen die Eisenbahn-Infrastruktur verüben.
Bei einem Treffen mit dem Gouverneur des russischen Verwaltungsgebietes Woronesch Alexander Gusjew demonstrierte Weißrusslands Staatsoberhaupt am Donnerstag die Gewissheit und Bereitschaft, den politischen und wirtschaftlichen Gefahren im Bündnis mit Russland Paroli zu bieten. Über den Westen äußerte er sich so: „Dies sind solche Partner. Solange sie einen nicht in die Knie zwingen, werden sie weiterhin Druck ausüben. Daher sind wir bereit, heute mit Russland zu jeglicher Zeit hinsichtlich jeglicher Richtungen zusammenzuarbeiten“.
Bis zum letzten Druck auch auf potenzielle Terroristen auszuüben, hat man in Weißrussland. Die Abgeordneten verabschiedeten bei der achten Tagung der Repräsentanten-Kammer der Nationalversammlung der siebten Legislaturperiode in zwei Lesungen einen Gesetzentwurf, der die Anwendung der Höchststrafe in Form der Todesstrafe für den „Versuch der Verübung von Terrorakten“ vorsieht.
„Schauen Sie einmal, in was für einer nicht einfachen außenpolitischen Situation wir heute leben. Und es ist offensichtlich, dass die Destabilisierung der gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Lage in unserem Land andauert. Während dies früher weniger radikal war, so sehen wir jetzt konkrete radikale Erscheinungen und radikale Aufrufe, die leider auch durch ausländische Staaten und Organisationen unterstützt werden. Die Rechtsschutzorgane fixieren eine erhebliche Anzahl terroristischer Bestrebungen in Bezug auf kritisch wichtige Objekte, Infrastruktur-Objekte – im Transportwesen, im militärischen und Energiebereich. Und heute muss man eine klare gesetzgeberische Barriere errichten. Die Maßnahmen hinsichtlich einer Verübung solcher Verbrechen müssen adäquate, zuvorkommende und präventive sein“ erklärte Marina Lentschewskaja, Mitglied des Ständigen Ausschusses für nationale Sicherheit der Repräsentanten-Kammer.
Die Abgeordneten gestanden bei der Kommentierung dieser radikalen Maßnahmen ein, dass sie in erheblichem Maße gegen jene gerichtet sei, die Diversionsakte an Bahnstrecken des Landes verüben. Dass dies zielgerichtete Aktionen sind, verheimlicht auch nicht die Opposition. Einer ihrer Anführer, Pawel Latuschko, erklärte in einer Sendung des Fernsehkanals „Ukraine 24“: „Die Partisanenbewegung hatte ein Ergebnis. Sie hat erfolgreich das Vorankommen der russischen Streitkräfte per Bahn verhindert. Wir wissen, dass auch Cyberpartisanen agierten, die Diversionsakte im Bereich der Steuerung der Bewegungen auf den Bahnstrecken durchgeführt haben. All dies hat seine Wirkung erzielt. Lokführer haben sich sogar gefürchtet, in Lokomotiven zu steigen und Züge mit Militärtechnik zu fahren“.
Die Verbindung der Cyberpartisanen mit jenen, die Diversionsakte an Bahnstrecken verüben, bestätigen wirklich die eigentlichen Teilnehmer der Aktionen. Sie übernehmen unter anderem die Verantwortung für das Hacken des internen Internets der Bahn.
„Die Vorbereitung auf diese Operation war eine langwierige, doch die Entscheidung, gerade in dieser Richtung anzugreifen, war eine einstimmige. Die Cyberpartisanen (t.me/cpartisans) gehören zur Bewegung „Supraziu“ (weißrussisch: „Widerstand“). Und alle Entscheidungen werden in ihrem Rahmen bei einer gemeinsamen Beratung durch die Vertreter der unterschiedlichen Gruppen getroffen“, erläuterten dem Internet-Nachrichtenportal „Nascha Niwa“ („Unser Boden“) Vertreter dieser Gruppierungen.
Außerdem erklären die Cyberpartisanen, dass sie in den sozialen Netzwerken Aufnahmen von Gesprächen von Vertretern der Macht veröffentlichen würden. Und sie behaupten, dass sie „noch Millionen von Minuten“ hätten.
Die Internetressource an sich, der die Radikalen ihre Pläne mitgeteilt hatten, gehört gleichfalls zu einem oppositionellen Netzwerk. Bereits im November letzten Jahres hatte das Gericht des Zentralen Stadtbezirks von Minsk den Telegram-Kanal und die Accounts von „Nascha Niwa“ in den sozialen Netzwerken als extremistische Materialien eingestuft.
Pawel Latuschko erklärt, dass die Aktivisten, die zu radikalen Maßnahmen bereit sind, ein großes „Kader-Potenzial“ hätten, und sie hätten eine durchaus bestimmte Aufgabe: „Mehrere tausend Menschen haben den Wunsch erklärt, an dieser Bewegung teilzunehmen. Es wirkt der Plan „Peramoga“ (weißrussisch: „Sieg“), bisher im Zustand eines Akkumulierens von Ressourcen. Diesen Plan bereiten wir für den Haupttag vor, wenn man sehr klare, harte Aktionen gegen das Lukaschenko-Regime vornehmen muss. Und da kann man sagen, dass eines der Elemente dieses Plans erfolgreich funktionierte“.
Die spektakulären Statements der Oppositionellen, die sich in der Emigration befinden, seien dazu berufen, den weißrussischen Offiziellen Angst zu machen. Doch im Ergebnis könnten Menschen zu Opfern der Antwortmaßnahmen werden, die mittelbar mit den radikalen Handlungen zu tun hätten, meinen Experten.
Der Politologe Valerij Karbalewitsch kommentierte so für die weißrussische Redaktion von Radio Liberty die gesetzgeberischen Neuerungen: „Die Todesstrafe ist nicht an und für sich für einen Terrorismusakt vorgesehen, sondern nur für den Versuch dessen Verübung. Im Zusammenhang damit, dass in Belarus der Begriff des Terrorismus durch die Offiziellen extrem weit ausgelegt wird, kann man ihn mit jeglicher oppositionellen Tätigkeit in Verbindung bringen“. Derzeit jedoch, da die Lage in Weißrussland an sich keine Tendenz zu einer Zuspitzung aufweist, erscheint die Verschärfung der Gesetzgebung als eine übermäßige. Karbalewitsch erläutert dies so: Neben dem natürlichen Selbsterhaltungstrieb sehen die Herrschenden, dass in der protestierenden Gesellschaft radikale Stimmungen zunehmen. Man diskutiert darüber, dass der friedliche Protest des Jahres 2020 ein Fehler gewesen war. Die Diversionsakte an Bahnstrecken und die Aktivitäten der Cyberpartisanen veranlassen die Offiziellen auch zu einer Verstärkung der Repressalien“.