Das State Department hat dem Kongress einen Bericht vorgelegt, in dem über die Verhängung zusätzlicher Sanktionen gegen „Nord Stream 2“ informiert wird. Dies erfolgt vor dem Hintergrund der Aussetzung des Prozesses zur Zertifizierung des Projekts und der Diskussion um den US-Verteidigungshaushalt, in dem gleichfalls restriktive Maßnahmen hinsichtlich der Pipeline vorgesehen sind.
Den Bericht über Schritte gegen „Nord Stream 2“ muss das US-Außenministerium dem Kongress einmal in 90 Tagen vorlegen. Dies sehen die im April verabschiedeten Änderungen zum Gesetz „Über den Schutz der Energiesicherheit Europas“ aus dem Jahr 2019 vor. In dem Report müssen Informationen über Schiffe und Personen enthalten sein, die mit der Realisierung des Projekts zu tun haben. Joseph Biden hatte früher erklärt, dass er bereit sei, alle 90 Tage irgendwelche Sanktionen im Zusammenhang mit „Nord Stream 2“ zu verhängen. Der Erklärung von Außenminister Anthony Blinken nach zu urteilen, hat der Präsident der Vereinigten Staaten nicht vor, sich von seinen Worten zu distanzieren. Eine andere Sache ist die Qualität der zu verhängenden Sanktionen.
In dem nunmehrigen Bericht sind das zypriotische Unternehmen Transadria Ltd. und zwei Schiffe, wobei beide Hilfsschiffe sind, erwähnt. Eines von ihnen hatte Blinken in seiner Erklärung für die Presse offen genannt. Dies ist das Schiff „Marlin“. Es befindet sich laut Angaben des Service für das Verfolgen von Schiffen „VesselFinder“ in Sankt Petersburg. Das andere – „Blue Ship“ – liegt im deutschen Hafen Saßnitz auf Rügen vor Anker. Auf dieser Insel befindet sich auch der Hafenkomplex Mukran, ein wichtiger Teil der logistischen Absicherung von „Nord Stream 2“. Blinken unterstrich, dass die Sanktionen nur gegen die Transadria Ltd. Verhängt werden würden. Und als konfisziertes Eigentum wird das unter russischer Flagge fahrende Schiff „Marlin“ anerkannt. Das Schiff „Blue Ship“, das Steine für „Nord Stream 2“ beförderte, fährt unter zypriotischer Flagge und ist nicht unter die Sanktionen geraten, da es einer Organisation gehöre, die mit der deutschen Bundesregierung verbunden sei, behauptet die Nachrichtenagentur Bloomberg.
Insgesamt ist die Ausklammerung deutschen Eigentums aus den restriktiven Maßnahmen, die mit „Nord Stream 2“ verbunden sind, für den Kurs von Biden charakteristisch. Es muss daran erinnert werden, dass der US-Präsident die unter Donald Trump verhängten Sanktionen gegen den Betreiber des Projekts, gegen die Nord Stream 2 AG, ausgesetzt hat. Dies hatte man in der Administration des Weißen Hauses in erster Linie mit dem Wunsch begründet, die Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland zu ordnen, die unter dem Vorgänger Bidens gehörig gelitten hatten.
In den USA ist die Aussetzung der Sanktionen gegen das Projekt kritisiert worden, in erster Linie seitens der Republikanischen Partei. Zum Zeitpunkt der Vorlage des Reports durch das State Department hatten die Kongressmänner, die gegen „Nord Stream 2“ auftreten, insbesondere Senator Ted Cruz, die Hoffnung bekundet, dass die Pipeline doch nicht zu arbeiten beginne. Optimismus suggeriert ihnen die Aussetzung des Zertifizierungsprozesses für das Projekt auf Beschluss der entsprechenden Zulassungsbehörde in Deutschland (die Bundesnetzagentur – Anmerkung der Redaktion).
Die Sache ist die, dass die Nord Stream 2 AG in der schweizerischen Stadt registriert ist. Die Schweiz gehört nicht zur EU. Doch Deutschland und insgesamt die Europäische Union haben es erreicht, dass Nord Stream 2 AG unter die Geltung des sogenannten Dritten Energiepaktes fällt. Ein Teil dieses Dokuments ist die EU-Gasdirektive. In seiner gegenwärtigen Fassung sieht dieses Dokument vor, dass das Unternehmen, das Gas liefert, und das Unternehmen, das es transportiert, voneinander unabhängig sein müssen. Simpel gesagt: Die Nord Stream 2 AG sollte nachweisen, dass sie unabhängig von GAZPROM sei. Das Betreiberunternehmen hatte auf dem Gerichtsweg eine Nichtanwendung dieser Norm ihm gegenüber zu erreichen gesucht. Es verwies darauf, dass zum Zeitpunkt des Auftauchens der Veränderungen an der Gasdirektive im Mai des Jahres 2019 die Gaspipeline aus der Sicht der finanziellen Absicherung bereits abgeschlossen gewesen sei.
Wie dem nun auch immer sei, die Bundesnetzagentur Deutschlands hat am 16. November die Zertifizierung des Projekts ausgesetzt, wobei sie gerade auf die EU-Gasdirektive verwiesen hat. Man verpflichtete die Nord Stream 2 AG, ein deutsches Tochterunternehmen zu registrieren. Und dies soll auch einen neuen Zertifizierungsantrag stellen. Dies bedeutet, dass „Nord Stream 2“ wohl kaum in diesem Winter die Arbeit aufnehmen wird, was verständlicherweise für die europäischen Verbraucher unvorteilhaft ist, wenn man den drastischen Preisanstieg für Erdgas in der letzten Zeit berücksichtigt. Jedoch gibt dies auch jenen eine Chance, die gegen das Projekt als solches auftreten.
Im Januar soll die Behandlung des US-Verteidigungshaushaltes abgeschlossen werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es einen 2-Parteien-Gesetzentwurf des Repräsentantenhauses und eine Gesetzesvorlage, die von den Republikanern des Senats vorbereitet wurde und in der man den Präsidenten verpflichtet, Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG zu verhängen. Wenn sich die Zertifizierung des Projekts in die Länge zieht, können vom Prinzip her die entsprechenden Änderungen am Haushalt angenommen werden. Der Bericht des State Departments, in dem von Sanktionen lediglich gegen zweitrangige Projektbeteiligte die Rede ist, kann jedoch belegen, dass die Biden-Administration Sanktionen gegen das Betreiberunternehmen – gegen die Nord Stream 2 AG – nicht zustimmen wird. Auf jeden Fall wird das Schicksal der amerikanischen Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG bei langwierigen Konsultationen bestimmt, unter anderem zwischen den Präsidenten der Russischen Föderation und der Vereinigten Staaten. Dass Online-Gespräche zwischen Biden und Wladimir Putin bis Ende des Jahres stattfinden würden, hatte zuvor der Pressesekretär des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, mitgeteilt. Am Dienstag hatte er auch an die Position Russlands hinsichtlich der US-amerikanischen Sanktionen gegen „Nord Stream 2“ erinnert. „Wir halten dies für widerrechtlich und falsch, zumal vor dem Hintergrund der angespannten Versuche, den früher verlorengegangenen Dialog zu entwickeln“, erklärte er in einem Gespräch mit Journalisten.