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Die Autokephalie – nun das hauptsächliche Schreckgespenst der „russischen Welt“


Je näher das Datum des Ukraine-Besuchs des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomäus I. (24. August) rückt, umso häufiger macht man in der Russischen orthodoxen Kirche sich und den Umgebenden Angst, dass sich die Kirchenspaltung auf den gesamten postsowjetischen Raum ausdehnen werde. Am 24. Juli erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview für den staatlichen TV-Kanal „Rossia 24“: „Wir haben ein klares Verständnis darüber, dass die Aktionen von Konstantinopel von Washington aus manipuliert werden … Wir alle wissen ausgezeichnet, wie die Orthodoxe Kirche der Ukraine geschaffen wurde. Dies ist nicht einfach eine Initiative des Patriarchen von Konstantinopel Bartholomäus. Sie ist direkt durch die USA diktiert worden. Sie machen im Großen und Ganzen keinen Hehl daraus“, zitiert die offizielle Internetseite des Außenministeriums den Minister. Einen Tag darauf setzte der Leiter der Abteilung für auswärtige Kirchenbeziehungen des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew) das Thema fort. „Die Hauptherausforderung, die uns jetzt gestellt worden ist, sind die antikanonischen, die spalterischen Handlungen des Patriarchen von Konstantinopel Bartholomäus. Dies ist das, womit wir 2018 konfrontiert wurden, das, was die gesamte orthodoxe Kirche gespalten hat. Diese Spaltung wird aufgrund der Handlungen des Patriarchen von Konstantinopel vertieft“, erklärte er ein weiteres Mal am 25. Juli in einer Sendung des Fernsehkanals „Rossia 24“. Der Hierarch fügte hinzu, dass „das Episkopat sowohl in Russland als auch in der Ukraine, sowohl in Weißrussland als auch in Moldawien und anderen Ländern, die zu unserem kanonischen Raum gehören und sich außerhalb von ihm befinden, einmütig und solidarisch sind“. Der Vorsitzende der Abteilung für auswärtige Kirchenbeziehungen erinnert praktisch in all seinen letzten Interviews an Patriarch Bartholomäus und den Schaden, den er der russischen Orthodoxie durch seine „räuberischen“ Handlungen zugefügt habe.

Am 28. Juli beging die Russische orthodoxe Kirche den Tag der Taufe (Christianisierung) der Rus. Glückwünsche zur „schicksalhaften Entscheidung des heiligen apostelgleichen Fürsten Wladimir“, dank der auch die Christianisierung der Kiewer Rus im Jahr 988 erfolgte, hatte der Patriarch von Moskau und Ganz Russland Kirill nicht nur an Russlands Präsidenten Wladimir Putin gesandt, sondern auch an den Präsidenten der Ukraine Wladimir Selenskij sowie gleichfalls an den Präsidenten Weißrusslands Alexander Lukaschenko.

Am Vortag hatten Anhänger der Kircheneinheit mit Moskau in Kiew eine große Prozession veranstaltet, der laut einer Erklärung des Pressedienstes der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats rund 350.000 Gläubige (laut Angaben der Kiewer Polizei rund 15.000 – Anmerkung der Redaktion) vereinigte hätte. Den Pilgerzug kritisierte Wladimir Selenskij, vor allem aufgrund der Missachtung der sanitär-hygienischen Schutzmaßnahmen. „Man kann dem auf unterschiedliche Art und Weise gegenüberstehen. Ich verstehe, dass dies ein Feiertag ist. Ich habe aber seitens der Kiewer Gemeinde und der Behörden keine Kommunikation gesehen. Alle haben Angst zu kommunizieren und verstehen (aber), dass dies ein großer Feiertag ist, und wollen den Menschen nicht direkt sagen, dass sie vorsichtig sein sollen“, erklärte das ukrainische Staatsoberhaupt. Die Vertreter der von Moskau nicht anerkannten Orthodoxen Kirche der Ukraine hatten entschieden, in diesem Jahr keine festlichen öffentlichen Prozessionen und Feierlichkeiten durchzuführen, wobei sie ihren Verzicht mit der ungünstigen epidemiologischen Situation motivierten. Während des Festgottesdienstes in der Sankt-Michails-Kathedrale, bei dem Vertreter des Ökumenischen und Alexandrinischen Patriarchats, aber auch der Zypriotischen orthodoxen Kirche (die Orthodoxe Kirche der Ukraine anerkannt haben) zugegen waren, bekundete der Metropolit von Kiew und der Gesamten Ukraine Epiphanius (Dumenko) Freude bezüglich des bevorstehenden Eintreffens des „ersten unter den Oberhäuptern der orthodoxen Kirchen“ zu den Feiern des 30. Jahrestages der Unabhängigkeit des Landes.

In der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats (UOK des MP) erklärte man sofort, dass man nicht beabsichtige, nicht an einer Veranstaltung teilzunehmen, bei denen Bartholomäus zugegen sein werde. „Wir sind gegen sein Kommen. Dies hängt damit zusammen, dass Patriarch Bartholomäus persönliche Verantwortung dafür trägt, was sich in den letzten Jahren in der Ukraine abspielt. Dies sind eine Vereinnahmung unserer Gotteshäuser und das Verprügeln unserer Gläubigen. Sehr viel Böses ist aufgekommen. Die Gläubigen werden uns nicht verstehen“, erklärte der Verwalter der Angelegenheiten der UOK des MP, der Metropolit von Borispol und Brovar, Antonij (Pakanych), gegenüber Journalisten.

Besorgnis löst auch die Lage in der orthodoxen Gemeinschaft Weißrusslands aus, selbst ungeachtet dessen, dass sich die staatlichen Behörden mit Hilfe des Moskauer Patriarchats auf maximale Weise bemüht hatten, die Weißrussische orthodoxe Kirche zu einer steuer- und kontrollierbaren zu machen. Ende Juli wurde bekannt, dass Alexander Lukaschenko Patriarch Kirill angerufen hatte. „Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand die Situation in Belarus und Russland. Und der Akzent wurde während des Gesprächs auf die Thematik der zwischenkonfessionellen Beziehungen gelegt. Und natürlich erörterten die Gesprächspartner die Lage der Dinge in der Kirche insgesamt“, heißt es in einer Mitteilung des Pressedienstes des weißrussischen Präsidenten. Im Juni hatte der informelle Anführer der orthodoxen Opponenten der Minsker Herrschenden, der Erzbischof von Grodno und Wolkowysk, Artemij (Kistschenko), angeblich aufgrund des Gesundheitszustands sein Amt verloren. Die neue Führung der Diözese nahm eine Säuberung in den Reihen der einheimischen Geistlichen vor. Entlassen wurden die Geistlichen Georgij Roj, Nikolaj Gaiduk und Anatolij Nenartowitsch, die zusammen mit Artemij die Gewalt in der Republik verurteilt hatten. Die ihnen sympathisierenden Gläubigen begannen in den sozialen Netzwerken die Hoffnung zu bekunden, dass die in Ungnade gefallenen Kleriker eine oppositionelle orthodoxe Kirche schaffen und leiten werden.

Öl ins Feuer der Ängste aufgrund einer möglichen Spaltung in der Weißrussischen orthodoxen Kirche goss auch die ehemalige Kandidatin für das Amt des Präsidenten Weißrusslands und nunmehrige Anführerin der nationalen Opposition Swetlana Tichanowskaja. Am 25. Juli hatte sie im Verlauf ihrer USA-Reise in New York ein Gotteshaus der Weißrussischen autokephalen orthodoxen Kirche besucht. Beinahe sofort tauchten in den sozialen Netzwerken anonyme Posts auf, dass Tichanowskaja zugesagt hätte, sich an den Patriarchen von Konstantinopel mit der Bitte zu wenden, der orthodoxen Kirche in Weißrussland einen Tomos über eine Autokephalie zu verleihen. „Dass Tichanowskaja ein Gotteshaus der spalterischen Weißrussischen autokephalen orthodoxen Kirche besuchte, zeugt davon, dass auch in Weißrussland die Realisierung genau solch eines autokephalen Projekts vorgesehen ist, wie dies in der Ukraine der Fall war“, erklärte am 26. Juli der Sekretär der Abteilung für auswärtige kirchlichen Beziehungen des Moskauer Patriarchats, Oberpriester Igor Jakimtschuk (ohne jegliche konkrete Beweise dafür vorzulegen). Freilich, im Videotagebuch, dass Tichanowskaja auf ihrem YouTube-Kanal postete, gab es auch keine Belege dafür, dass sie bei dem Treffen mit der weißrussischen Diaspora überhaupt zumindest irgendwie das Thema der Religiosität angesprochen hätte.

Die Pressesekretärin Tichanowskaja, Anna Krasulina, antwortete auf eine Anfrage der „NG“ Folgendes: „Als Anführerin der demokratischen Bewegung steht Swetlana Tichanowskaja mit Achtung der Glaubens- und Gewissensfreiheit unabhängig von der Konfession und der religiösen Tradition gegenüber“ und „teilt das generelle Festhalten an die Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaates, darunter der Unabhängigkeit religiöser Organisationen vom Staat in Fragen des Glaubens sowie der Nichteinmischung des Staates in das Leben religiöser Organisationen und Vereinigungen“. „Die Prinzipien, von denen Tichanowskaja in ihrem Wirken ausgeht, schließen vollkommen sogar die theoretische Möglichkeit einer Beeinflussung der Organisationsstruktur der orthodoxen Kirche genauso wie auch jeglicher anderen Konfession sowohl in Belarus als auch außerhalb von ihm aus“, teilte Krasulina mit. „Konflikte unter den Gläubigen zu schaffen, ist heute für diejenigen von Vorteil, die gemäß dem Prinzip „teile und herrsche“ agieren. Wir aber müssen ein Problem lösen, den Menschen das Recht zu wählen zurückgeben und neue Wahlen für ein Herauskommen aus der Krise abhalten. Dieses Ziel hat heute in Belarus die unterschiedlichsten Menschen vereint, die verschiedenen Konfessionen angehören. Wir sind in unserer Forderung eins, die Repressalien zu stoppen, die politischen Gefangenen freizulassen und neue ehrliche Wahlen durchzuführen. Die Versuche aber, künstliche Konflikte in Belarus zu schaffen, sind zum Scheitern verurteilt“, erklärte dies Pressesekretärin der Führerin der weißrussischen Opposition. Vor einem Jahr hatten Anhänger Lukaschenkos erklärt, dass im Wahlkampfprogramm von Tichanowskaja ein Punkt über die Schaffung einer unabhängigen Kirche sei. Im Koordinationsrat der weißrussischen Opposition bezeichnete man diese Vermutungen als eine Erfindung.

Ende Juli begannen besorgniserregende Nachrichten auch aus Moldawien einzutreffen. Eine Reihe einheimischer Medien hatten unter Berufung auf den Telegram-Kanal des moldawischen Politologen Vladimir Bukarskii (der ein orthodoxer Christ ist – Anmerkung der Redaktion) die Nachricht verbreitet, wonach die Präsidentin der Republik Moldawa Maia Sandu „zu einer Offensive“ gegen das Moskauer Patriarchat und dessen Kischinjower Metropolie angetreten sei. „Was ist in der nächsten Zeit zu erwarten? Die Teilnahme Sandus am bevorstehenden Hexensabbat in Kiew am „Unabhängigkeitstag“, wenn der Versuch einer gewaltsamen Einnahme des Kiewer Höhlenklosters durch die Raskolniki (deutsch: Spalter) aus der Orthodoxen Kirche der Ukraine unter persönlicher Beteiligung des Patriarchen von Konstantinopel Bartholomäus unternommen wird … Eine offene Unterstützung der Tätigkeit des Rumänischen Patriarchats zum Abwerben von Gemeinden der kanonischen Moldauischen Metropolie für die rumänische Bessarabien-Metropolie“, zitieren die Medien Bukarskii.

Der Autor des Kanals an sich berichtete der „NG“, dass die Spalter-Stimmungen im Land vor mehreren Jahren stark gewesen seien. „In der letzten Zeit hatte die Bessarabien-Metropolie keine aktive Lobby im Parlament, die es früher gegeben hatte. Jetzt hat sie keine solchen Abgeordneten. Mehr noch, die nunmehrigen prowestlichen Herrschenden in Moldawien haben heute völlig andere Interessen. Sie interessiert vor allem eine säkuläre Tagesordnung – die Annahme der Istanbuler Konvention, die Rechte der sexuellen Minderheiten usw. Die Kirchenfragen aber interessieren sie nicht“, merkte der Politologe an. Dabei bleibe das Thema des Wechsels von Geistlichen der Russischen orthodoxen Kirche zur Bessarabien-Metropolie ein aktuelles. „In Rumänien ist die Kirche eine staatliche Struktur. Und die Geistlichen sind Staatsbeamte. Sie erhalt vom Staat Lohn, sozialen Pakete und Renten. Und für die moldawischen Geistlichen, besonders jene, die bescheiden leben, bedeutet ein Wechsel zur Bessarabien-Metropolie den Erhalt bestimmter sozialer Garantien seitens Rumäniens. Und dies ist für sie ein zusätzlicher Stimulus für einen Übergang zur rumänischen Metropolie. Insgesamt jedoch gibt es keinen Hass gegenüber der Russischen orthodoxen Kirche. Die Situation einer Spaltung ist möglich, nur wenn die jetzigen politischen Offiziellen des Landes versuchen, ihn zu beeinflussen“, resümierte Bukarskii.

Die Reibereien der Russischen orthodoxen Kirche mit der Bessarabien-Metropolie, die sich in der Jurisdiktion des Rumänischen Patriarchats befindet, erfolgen schon lange. Die Diözese von Kischinjow im Bestand der Russischen orthodoxen Kirche wurde bereits 1813 auf den an Russland gefallenen Territorien Bessarabiens gebildet. 1918 wurde Bessarabien durch Rumänien okkupiert. Die rumänischen Offiziellen hatten für 26 Jahre die Diözese von Kischinjow in den Bestand der Bessarabien-Metropolie ihrer Kirche aufgenommen. Und erst 1944 kehrte die Diözese in den Bestand der Russischen orthodoxen Kirche zurück. 1992 verlieh der Synod der Russischen orthodoxen Kirche der Moldawischen orthodoxen Kirchen den Status einer selbstverwaltenden. Das Rumänische Patriarchat in der Republik vertritt heute Metropolit Petru (Păduraru). Unter seiner aktiven Teilnahme bildete der Synod der Rumänischen orthodoxen Kirche die Metropolie Bessarabien. Seitdem werden zwischen den Metropolien Streitigkeit um Land und Kirchen geführt. Păduraru ist ein aktiver Anhänger Sandus, die im Dezember vergangenen Jahres das Präsidentenamt übernahm und damit Igor Dodon, der gegenüber der Russischen orthodoxen Kirche loyal eingestellt war. Bei solch schwierigen Beziehungen zwischen der Russischen und der Rumänischen orthodoxen Kirche hat aber der rumänische Patriarch Daniel (Ciobotea) trotzdem nicht die Orthodoxe Kirche der Ukraine anerkannt.

Wie der „NG“ der 1. Vizepräsident des Zentrums für politische Technologien Alexej Makarkin erläuterte, hänge das Thema einer möglichen Autokephalie im postsowjetischen Raum mit konkreten Herausforderungen zusammen, die sich in der letzten Zeit ergeben würden. „Das ukrainische Thema wirkte als Trigger für den Konflikt innerhalb der christlich-orthodoxen Gemeinschaft. Im Ergebnis dessen befinden sich Moskau und Konstantinopel in keinen kanonischen Kontakten. Es ist aber auch zu einem Trigger geworden, der mit anderen Ländern verbunden ist. Dabei ist in Moldawien das Gerede von einer Autokephalie nicht so aktuell. Dort wird eher von einer Konkurrenz der Russischen und der Rumänischen orthodoxen Kirche gesprochen. Geklärt wird die Frage, wessen kanonischen Territorium es ist. Unter Berücksichtigung dessen, dass jener Teil Moldawiens, der heutzutage die Republik Moldowa ist, in den 1920er und 1930er Jahren unter der Kontrolle Rumäniens war, obgleich die die Sowjetunion nicht anerkannt hatte. Dort hatte es rumänische kirchliche Institutionen gegeben, und dementsprechend gibt es parallele Jurisdiktionen. Daher ähnelt in Moldowa dieses Thema mehr dem analogen Thema in Estland als der ukrainischen Autokephalie“, meint der Experte.

Der Politologe merkte an, dass die Kirchensituation in der Ukraine und in Weißrussland ebenfalls nicht identisch sei. „Während der ukrainische Kirchenkonflikt bis zu Ereignissen von vor beinahe einhundert Jahren zurückreicht und der Konflikt schon lange Wurzeln geschlagen hat, hat es in Weißrussland nichts Derartiges gegeben und gibt es nicht“, unterstrich der Experte. „Die weißrussische Autokephalie entstand unter dem Einfluss der ukrainischen. Ungeachtet dessen, dass auf eine Autokephalie der Kirche in Weißrussland das deutsche Okkupationskommissariat während des Zweiten Weltkriegs „Weißruthenien“ bestanden hatte, erhielt die Idee keine breite Unterstützung. Mehr noch, nach dem Krieg sind die Erzbischöfe der weißrussischen autokephalen Kirche der Russischen orthodoxen Auslandskirche beigetreten, was für eben jene ukrainischen Nationalisten unmöglich gewesen war. Und die Autokephalie, die es jetzt in Weißrussland gibt, die ist bereits nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Ihr Hauptunterschied zur ukrainischen ist der, dass sie erheblich geringer ist und doch nicht zumindest irgendeine relevante und angesehene Institution selbst für jene Weißrussen werden konnte, die für ein Abstandnehmen von Russland eintreten. „Natürlich, aufgrund dessen, was sich in Weißrussland und innerhalb der Kirche im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen-2020 ereignete, nimmt die antiliberale Revanche an Stärke zu. Vor diesem Hintergrund ist die autokephale Idee imstande, einen Impuls zu erhalten“, fügte Makarkin hinzu.

Nach Meinung des Experten könne jedoch eine weitere Konfrontation der Russischen orthodoxen Kirche und des Patriarchats von Konstantinopel das Thema der Autokephalie in der Zukunft verstärken. „Gegenwärtig konkurrieren Konstantinopel und Moskau in der ganzen Welt. Bis dahin war das Autokephalie-Thema nicht so aktuell, obgleich auch einzelne Erklärungen abgegeben wurden. Das Hauptproblem der Russischen orthodoxen Kirche sowohl in der Ukraine als auch in Weißrussland sowie in Moldawien sind nicht die Gemeindemitglieder, sondern die „zufällig Kommenden bzw. Vorbeischauenden“. Die praktizierenden Gläubigen bleiben bei der Russischen orthodoxen Kirche. Wenn man jedoch den gesamten Prozentsatz der Bevölkerung nimmt, so machen sie nicht so viele aus. Am Beispiel eben jener Ukraine ist zu sehen, dass die meisten derjenigen, die sich mit dem orthodoxen Christentum in Verbindung bringen, aber keine praktizierenden Gläubigen sind, in größerem Maße gerade die autokephalen Stimmungen teilen. Eine andere Sache ist, dass diese Ideen bei ihnen keine Priorität genießen. Daher hat die Autokephalie in der Ukraine keine solch breite Unterstützung seitens der einheimischen Bevölkerung bekommen. Und als Poroschenko sie unter den hauptsächlichen Verdiensten während der Wahlkampagne hervorhob, verlor er. Dies bedeutet nicht, dass die Menschen gegen eine Autokephalie sind. Dies bedeutet, dass für sie die sozial-ökonomischen Themen weitaus wichtiger sind“. „In Weißrussland sind die Autokephalie-Ideen weniger populär, da es kein Anziehungszentrum gibt“, fuhr der Experte fort. „Die Menschen wissen einfach nicht, wohin sie gehen sollen, zumindest bisher. Was Moldowa angeht, so ist die dortige Kirche einer der konservativsten Teile des Moskauer Patriarchats, wenn nicht gar der konservativste. Dabei hat sich aber das Appellieren von Igor Dodon an das orthodoxe Christentum, an die Traditionen und Verbindungen mit der Russischen orthodoxen Kirche als ein erfolgloses erwiesen. Und er hat seinerseits die Präsidentschaftswahlen verloren“. „Folglich sind das Hauptproblem der Russischen orthodoxen Kirche im postsowjetischen Raum gerade zufällige und für die Kirchengemeinden fremde Menschen, die dem Moskauer Patriarchat recht kühl gegenüberstehen“, resümierte Makarkin.