Innerhalb weniger Tage hat das Justizministerium bereits zwei neuen Parteien eine Registrierung verweigert. Fehler in den Dokumenten wurden bei der Partei „Sonnenaufgang“, die Jekaterina Dunzowa (die in der Russischen Föderation als eine ausländische Agentin gelabelt wurde) anführt, gefunden. Zuvor hatte man die gleiche Beanstandung gegenüber der Partei der Bierliebhaber von Konstantin Kalatschjow formuliert. Diese politischen Strukturen unterscheiden sich stark voneinander, doch die Behörden haben sie auf einen gemeinsamen Nenner gebracht. An den (Wahl-) Kampagnen des kommenden Jahres werden sie nicht teilnehmen können und folglich die Chance verlieren, zu den Wahlen zur Staatsduma im Jahr 2026 anzutreten. Russlands Justizministerium dünnt bereits auch die Reihen der existierenden Parteien aus, indem es gerade die elektoralen Versager liquidiert.
Die offizielle Ablehnung des Justizministeriums erreichte die Partei „Sonnenaufgang“ in den Abendstunden des 25. November, so dass die Organisatoren dieser Partei keine genauen Gründe kannten. Es seien scheinbar technische Fehler beispielsweise durch den Föderalen Steuerdienst gefunden worden.
In den nächsten Tagen wird die Partei „Sonnenaufgang“ ihr Aktiv für einen zweiten Versuch zusammennehmen: Gebildet wird ein neues Organisationskomitee, um erneut Dokumente für eine Registrierung nach noch einem Gründungskongress einzureichen. In der Partei, die erklärt, dass sie 46 funktionierende Regionalabteilungen habe, hofft man ebenfalls auf wohlwollende Erklärungen des Justizministeriums und des Föderalen Steuerdienstes. Scheinbar werden sie aber vergeblich auf sie warten. Schließlich hatten beispielsweise gerade die Steuerbeamten die Hauptrolle bei der jüngsten Ablehnung der Partei der Bierliebhaber gespielt. In der hat man auch beschlossen, nicht vergebens gegen Windmühlen anzugehen und bereits ihren erneuten Parteitag für das kommende Frühjahr geplant.
In der Partei „Sonnenaufgang“ nennt man bisher keinerlei Daten. Es ist jedoch offensichtlich, dass auch diese Partei ihre formelle Geburt auf das Jahr 2025 verschiebt. Und dies bedeutet, dass „Sonnenaufgang“ wie auch die Partei der Bierliebhaber fast sicher beim Einheitswahltag des Jahres 2025 antreten wird. Folglich werden diese beiden Parteien nicht den Versuch unternehmen können, Abgeordnete in die regionalen Parlamente zu bringen, um sogenannte Bonusse für die Staatsduma zu erzielen. Das heißt, automatisch auf die Wahlzettel für die föderalen Wahlen des Jahres 2026 ohne das Sammeln von 200.000 Unterschriften von Bürgern für eine Registrierung als Wahlvereinigung zu gelangen. Dies ist jetzt ein gemeinsamer Nenner für beide Parteien, obgleich sie sich prinzipiell voneinander unterscheiden. Während für Kalatschjow die Partei der Bierliebhaber eher ein polittechnologisches Projekt mit einem gewissen memorial-historischen Kontext ist, hatte man in der Partei „Sonnenaufgang“ geplant, die Reste der außerparlamentarischen Opposition zu sammeln.
Übrigens, gegenwärtig entspricht jener Teil der Internetseite des Justizministeriums, der die Daten über die Situation auf dem Feld der Parteien widerspiegelt, durchaus den Fengshui-Regeln. 24 politische Strukturen haben das Recht, an Wahlen teilzunehmen. Es gibt auch 24 Organisationskomitees, die dies wollen. Aus dem Register ist bereits die Partei der Tat entfernt worden. Bald wird man auf dem Gerichtsweg auch die Partei „Bürgerkraft“ aufgrund einer Nichtteilnahme an Wahlen im Verlauf von über sieben Jahren liquidieren. Es sei daran erinnert, dass ein derartiges Schicksal auch die Partei „Bürgerinitiative“ befürchtet. Weiter wird die Liste der ein Existenzrecht besitzenden politischen Strukturen nur kürzer werden. Es werden auch die Organisationskomitees jener weniger werden, die es mit den Kräften und Geldern für einen Gründungskongress nicht geschafft haben.
Dabei ist klar, dass die beiden jüngst nichtregistrierten Parteien keine Gefahr weder für die Herrschenden noch für die Parlamentsparteien darstellten. Und selbst wenn sie es bis zum Einheitswahltag des kommenden Jahres schaffen könnte, so könnte man sie leicht ohne Erfolge – sprich: ohne Mandate lassen. Wenn sie es aber doch auf irgendeine Weise schaffen würden, einen Duma-Bonus zu bekommen, so würde dies keinen vorausbestimmten Erfolg in einer Situation bedeuten, in der nicht so wichtig ist, wie viele Stimmen man erhalten hat, sondern in der deren richtige Verteilung wichtiger ist. Somit sehen die Ablehnungen des Justizministeriums für die Partei der Bierliebhaber und die Partei „Sonnenaufgang“ nicht mehr als ein Höhepunkt des Schutzdenkens bzw. Abschottens und Konservatismus aus. Obgleich es natürlich auch solch eine Wahrscheinlichkeit gibt, dass die Herrschenden im Jahr 2025 eigene politische Projekte hervorbringen, wie dies im Jahr 2020 der Fall war, als die Partei „Neue Leute“ für die Rolle einer fünften Duma-Partei aus der Taufe gehoben wurde. Und noch weitere andere Parteien hatten das Recht erhalten, jeweils ein paar Sitze in den Regionalparlamenten einzunehmen.
Die Experten sind sich in der Meinung einig, dass unter den Bedingungen der militärischen Sonderoperation nur ein träges Entwicklungsszenario für den politischen Bereich auszumachen sei, in dem die Vorgaben gelten: Es ist „nicht die Zeit für ein (politisches) Tauwetter“ und selbst „nicht die Zeit für ein Lächeln“. Und den Wahlsumpf, der nicht zu den Wahlen geht, und jene 40 Prozent der Befragten, die „ihre“ Partei nicht sehen, will und wird keiner aufpushen. Der Präsident der Stiftung „Petersburger Politik“, Michail Winogradow, erläuterte der „NG“: „Es gibt die Einstellung, die nichtabgestimmten oder die nicht vollkommen abgestimmten Aktivitäten von unten her nicht zu verkomplizieren und nicht zu stimulieren. Vom Wesen ist eine Rückkehr zur Praxis der 2000er Jahre vorgesehen – eine hohe Sperrklausel und das Prinzip einer Beteiligung an den öffentlichen politischen Prozeduren entsprechend einer Genehmigung und nicht entsprechend eines In-Kenntnis-setzen“.
Der Generaldirektor des Zentrums für politische Informationen, Alexej Muchin, erinnerte die „NG“ daran, dass die Vertreter der außerparlamentarischen Opposition in den nächsten Jahren ganz bestimmt kein Recht auf die Registrierung von politischen Strukturen erhalten würden, und der Status eines ausländischen Agenten sei zweifellos ein Marker für den außerparlamentarischen Charakter bzw. für die Nichtzugehörigkeit zum System. „Daher hat die Partei von Dunzowa vom Prinzip her keine Chancen auf eine Registrierung. Gegenwärtig herrscht in den obersten Führungsriegen die Auffassung, dass ein Aufwiegeln der Straße nicht gebraucht wird“, unterstrich er. Für die Partei der Bierliebhaber wurden aber Chancen bleiben: „Sicherlich hat sie keiner von oben abgesegnet, und keiner schickt sich an, ihr zu helfen. Es besteht aber auch so ein Gefühl, dass man nicht stören wird. Findet man Sponsoren, ist es gut. Findet man keine, so sind es ihre Probleme“. Im Großen und Ganzen aber würde nach Meinung von Muchin eine Registrierung der Partei der Bierliebhaber das politische Feld abwechslungsreicher gestalten. Heutzutage sei jedoch ein konservatives Szenario wahrscheinlich, in das sich nichtabgestimmte Projekte von unten in keiner Weise einfügen würden. Dabei, nimmt der Experte an, sei theoretisch die Registrierung neuer Parteien bis zum Jahr 2026 möglich. Beispielsweise könne von unten her irgendeine Partei des Business „wie Aphrodite aus den politischen (Meeres-) Wogen“ auftauchen. „So würden die politischen Administratoren den Politisierungsgrad der Unternehmer messen“.
Alexej Makarkin, 1. Vizepräsident des Zentrums für politische Technologien, konstatierte gegenüber der „NG“, dass „gegenwärtig sowohl ein konservatives als auch ein bewahrendes bzw. absicherndes Szenario triumphiert“. Unter letzteres sei gerade die Partei „Sonnenaufgang“ geraten. Und zu einem Opfer des konservativen sei die Partei der Bierliebhaber geworden. „Die gegenwärtige Zusammensetzung der Staatsduma aus fünf Partei ist dem Kreml ganz recht. Sie alle befinden sich in einem Konsens hinsichtlich der Verteidigung, der Sicherheit und der internationalen Agenda. Und selbst hinsichtlich der Innenpolitik sind ihre Widersprüche auf ein Minimum reduziert worden. Wozu soll man den Duma-Parteien mit neuen Projekten auf die Nerven gehen?“, unterstrich er. Zu einer Vorgabe von oben sei der Ausdruck „nicht zu wecken, ist flott“ geworden. Und für die Proteststimmungen hätten die Herrschenden bereits die durchaus zum System gehörende Partei „Jabloko“, die jetzt „die 90er Jahre, die Politik und die Politiker jener Jahre an den Pranger stellt, was sich durchaus in den heutigen politischen Kontext e3infügt“. „Die Arbeit mit der „kreativen Klasse“ ist vom Wesen in den Jahren 2011-2012 geblieben, und die Wortverbindung „schöpferische Intelligenzia“ ist ganz und gar auch ein Attribut der Perestroika aus der Gorbatschow-Zeit. Damals hatte man eine kontrollierte Liberalisierung und Registrierung neuer Projekte zugelassen, anfangs durchaus kontrollierbare, die dann aber außer Kontrolle gerieten. Und die Epoche des Tauwetters bezeichnet man heute als Matsch, wobei man sie entweder als einen „Fehler“ oder als eine „Verschwörung“ ansieht. Die heutigen politischen Führungskräfte erinnern sich jener Zeiter, doch werden sie von ihnen nicht zu einer Nachahmung inspiriert. Jetzt wird selbst das Jahr 2020, als vier neue Parteien registriert wurden, bereits als eine andere Ära angesehen. Heutzutage gibt es unter den Bedingungen der militärischen Sonderoperation auch nicht das Ziel, den politischen Raum vielfältiger zu gestalten. Die politischen Administratoren werden wahrscheinlich mit jenen Parteien arbeiten, die es bereits gibt, seien es nun die großen oder die kleinen“, erläuterte Makarkin.
Die „Bierliebhaber“ werden bei den Staatsduma-Wahlen nicht den „Sonnenaufgang“ treffen
18:41 28.11.2024