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Die Ermordung der Dugin-Tochter kann die Konservativen zu radikalen machen


Die Tochter des russischen konservativen Philosophen und Vertreter des öffentlichen Lebens Alexander Dugin, die 29jährige Politologin Darja Dugina (Platonowa) ist bei der Explosion ihres Autos ums Leben gekommen. Die Tragödie ereignete sich, als beide in verschiedenen Autos von einem Festival im Moskauer Gebiet am 20. August nach Hause zurückkehren wollten. Ein Verdacht fiel verständlicherweise sofort auf ukrainische und westliche Geheimdienste. Dugin war ein bekannter Ideologe der seit dem 24. Februar erfolgenden russischen militärischen Sonderoperation in der Ukraine. Darja hatte die gleiche Position wie ihr Vater eingenommen. Die Untersuchungsorgane lassen sich bisher nicht über mögliche Auftraggeber und Motive des Verbrechens aus, womit sie den russischen Staatsmedien freie Hand lassen, um ohne Beweise der ukrainischen Seite die Tat anzulasten. Der Mord kann den Unmut der politischen und gesellschaftlichen Kreise über die russischen Offiziellen verstärken, die letztere einer unzureichenden Entschlossenheit bezichtigen.

Dugin war am 20. August beim Festival „Tradition“ aufgetreten, zu dem er mit seiner Tochter gekommen war, die für den erzkonservativen TV-Sender „Zargrad“ und auch den kremltreuen Hörfunksender der „Komsomolskaja Prawda“ sowie die staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti inklusive deren Hörfunksender „Sputnik“ arbeitete.

„Es waren viele Festivalgäste. Die Menschen parkten die Autos links und rechts von der Swenigoroder Chaussee“, berichtete eine Quelle in den Rechtsschutzorganen gegenüber der russischen staatlichen Nachrichtenagentur TASS. „Es gab eine Zufahrt zu einem Parkplatz. Er war praktisch vollkommen mit PKWs zugestellt. Der Jeep, mit dem Darja Dugina die Veranstaltung verließ, hatte auch dort gestanden. Eine Kontrolle bei der Zufahrt zum Parkplatz hatte es nicht gegeben, daher konnte der Sprengsatz zu jeder beliebigen Zeit und durch jede beliebige Person angebracht werden, was auch getan worden war“.

Die Dugins verließen gegen 21.00 Uhr die Veranstaltung. Der Musiker Pjotr Lundstrem, der auch an dem Festival teilgenommen hatte, erzählte, dass der Philosoph geplant hätte, zusammen mit der Tochter loszufahren. Im letzten Moment hätte er sich aber ins Auto eines Freundes gesetzt. Somit musste die Tochter, wer immer auch von den Dugins das Hauptziel gewesen war, auf jeden Fall ums Leben kommen. Bei der Fahrt auf der Straße im Bereich der Siedlung Bolschije Wjasemy, detonierte in dem Auto der Marke „Toyota Land Cruiser“ (russische Hurra-Patrioten fahren ungern mit einheimischen PKW – Anmerkung der Redaktion), an dessen Steuer sich Darja befunden hatte, der Sprengsatz, und es begann ein Brand. „Ermittelt wurde, dass der Sprengsatz unter dem Fahrzeugboden auf der Fahrerseite installiert worden war“, teilte man im Untersuchungskomitee der Russischen Föderation mit. „Darja Dugina, die sich am Lenkrad befunden hatte, kam am Unglücksort ums Leben“.

Darja Dugina war 29 Jahre alt. Sie hatte die Fakultät für Philosophie der Moskauer staatlichen Universität beendet und zur Philosophie von Platon ein Doktorandenstudium abgeschlossen. Sie trat als eine Expertin für internationale Beziehungen, Spezialistin für französische Politik und politische Kommentatorin der Internationalen Eurasischen Bewegung, deren Gründer und Chef ihr Vater ist, auf. Sie war eine aktive Anhängerin der militärischen Sonderoperation und reiste in deren Verlauf auch in den Donbass. Die Eindrücke von dieser Reise haben Eingang in den Sammelband „Buch Z“ gefunden, der zur Herausgabe vorbereitet wird. „Nach Neu-Russland muss man fahren, um zu erfahren, was das Leben ist, wie man leben muss, was der Atem des Imperiums ist und was das Imperium ist“, erzählte sie. Alexander Dugin, ein bekannter traditionalistischer Denker und gesellschaftlicher Aktivist, der als ein Kreml nahestehender Ideologe gilt (besonders im Westen, wo man ihn als „persönlichen Philosophen Putins“ bezeichnet), hatte die Durchführung der international umstrittenen russischen Sonderoperation in der Ukraine aktiv unterstützt und begründet.

Ein Strafverfahren ist entsprechend Pkt. „f“ von Teil 2 des Artikels 105 des StGB der Russischen Föderation „Mord, verübt durch eine generell gefährliche Art und Weise“ eingeleitet worden. Die Untersuchungsarbeiten sind an den zentralen Apparat des Untersuchungskomitees der Russischen Föderation übergeben worden. „Unter Berücksichtigung der bereits gewonnenen Daten ist die Untersuchung der Annahme, dass das Verbrechen vorab geplant wurde und einen Auftragscharakter trägt“, teilte man in dem Amt mit. Viele Beobachter bezeichnen den Vorfall als einen Terrorakt und sind sich sicher, dass ukrainische oder westliche Geheimdienste an ihm beteiligt gewesen seien. „Wenn sich eine ukrainische Spur bestätigt, und solche einer Version formulierte das Oberhaupt der Donezker Volksrepublik, Denis Puschilin, und sie muss durch die zuständigen Behörden überprüft werden, so muss man von der Politik eines Staatsterrorismus sprechen, die durch das Kiewer Regime realisiert wird“, unterstrich die offizielle Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa. Dabei erklärte der Berater des Leiters des ukrainischen Präsidenten-Office, Michail Podoljak, dass Kiew nichts mit der Ermordung von Dugina zu tun habe.

Außerdem errege Aufmerksamkeit, dass das Verbrechen gegen eine Zivilperson weit von der Zone der Durchführung der militärischen Sonderoperation, in der sicher erscheinenden hauptstädtischen Region verübt wurde. Wie sich der Politologe Sergej Markow ausdrücke, „ist der Terror ins Moskauer Gebiet gekommen“. Der Mord werde eine Radikalisierung des konservativen Lagers provozieren, das dem Kreml eine unzureichende Entschlossenheit vorwirft, und eine politische Nachfrage nach einer stärker radikalisierten politischen Führung ausprägen, kommentierte die Politologin Tatjana Stanowaja die Situation auf Telegram. Alexander Dugin sei selbst in gewisser Weise aus diesem Lager. Wenige Stunden vor der Tragödie hatte er geschrieben, dass man das Regime eines Status quo („eines Krieges durch einen Traum“) früher oder später innerhalb Russlands aufheben müsse: „Die Frage besteht nicht darin, möchten die Herrschenden Veränderungen oder möchten sie keine Veränderungen. Wobei gerade patriotische – konservativ-revolutionäre, wenn es sein muss. Solche Veränderungen sind einfach unumgänglich… Die militärische Sonderoperation ist derzeit wichtiger als die Herrschaft“.

  1. S.

Russlands Inlandsgeheimdienst FSB überraschte bereits nach Redaktionsschluss des vorliegenden Beitrags mit folgender Mitteilung: „Durch den Föderalen Sicherheitsdienst der Russischen Föderation ist im Ergebnis der Durchführung eines Komplexes kurzfristiger operativer Aufklärungsmaßnahmen die Ermordung der russischen Journalistin Darja Dugina, Jahrgang 1992 aufgeklärt worden“. Laut FSB-Angaben „ist das Verbrechen durch ukrainische Geheimdienste vorbereitet und verübt worden. Vollstreckerin ist die Bürgerin der Ukraine Natalia Pawlowna Wowk, Jahrgang 1979, die am 23. Juli 2022 zusammen mit der Tochter Sofia Michailowna Schaban, Jahrgang 2010, nach Russland gekommen war“. Blitzschnell haben die Inlandsgeheimdienstler herausgefunden, dass Natalia Wowk zwecks Organisierung der Ermordung von Dugina und Erhalts von Informationen über ihre Lebensweise in Moskau in dem Haus eine Wohnung gemietet hätte, in dem die Tote gewohnt hatte. Beobachter bekundeten bereits Zweifel an der Glaubhaftigkeit der FSB-Angaben, zumal Darja Dugina selbst für die Mehrheit der Bürger Russlands eine Unbekannte war und weit im Schatten solcher prominenten Staatspropagandisten wie Olga Skabejewa oder Margerita Simonjan stand.