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Die Europäische Union hat Georgien aus den Erweiterungsplänen ausgeschlossen


Georgien hat man nicht zum Forum zur Erweiterung der Europäischen Union eingeladen, das am 18. November in Brüssel stattfindet. Anstelle dessen kam eine Delegation der Parlamentarischen Vollversammlung des Europarates (PACE) ins Land, die Informationen über Menschenrechtsverletzungen sammelte. In der Führung Georgiens war man sich gewiss, dass nichts Gutes daraus kommen werde.

 

Die PACE-Vertreter Edite Estrela, Sabina Ćudić und Bas Klein trafen sich mit Gegnern der Regierungspartei „Georgischer Traum“, und sie selbst hatte man ignoriert. Zuvor hatten die Abgeordneten die Entscheidung der Regierung der Kaukasus-Republik, die größten Oppositionsparteien zu verbieten, verurteilt, wobei sie dies als Erscheinung einer Diktatur bezeichneten. Die PACE-Vertreter erklärten, dass es ihre Aufgabe sei, Informationen über Menschenrechtsverletzungen in Georgien zu sammeln.

 

„Wir erörterten beispielsweise die aktuelle Situation in den Gerichten, die Gesetzgebung, die in Bezug auf Nichtregierungsorganisationen verabschiedet wurde, normative Rechtsakte, die hinsichtlich politischer Gefangener angenommen wurden, Probleme im Zusammenhang mit den Massenmedien… All jene Fragen, die zu einem Regress der georgischen Demokratie führen“, berichtete der Berater der Stiftung für Zivilgesellschaft Georgij Burdschanadse Journalisten.

 

Derweil ist sich der Vizevorsitzende des Parlaments Georgiens, Gia Wolskij, sicher, dass die PACE keine Gründe habe, die Partei „Georgischer Traum“ als eine politische Kraft darzustellen, die sich hinsichtlich irgendeiner Frage gegen die Gesellschaft stelle. Überdies hätten nach seinen Worten die Vertreter der Zivilgesellschaft, die sich mit den ausländischen Gästen getroffen hatten, keinerlei Informationen mit Ausnahme fabrizierter Geschichten und Propaganda gehabt.

 

„Die Delegation der PACE kam mit einer vorab durchdachten Absicht nach Georgien. Ihre Hauptaufgabe war es, auf irgendeine Art und Weise Georgien in der andauernden internationalen Konfrontation auszunutzen. Es gibt keinerlei anderes Thema, keinerlei Anlass oder Grundlage für das Vorbringen von Beanstandungen an unsere Adresse. In der Außenpolitik von „Georgischer Traum“ gibt es keinen russischen Orbit“, unterstrich Wolskij.

 

Der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Euro-Integration, Levan Machaschwili, nimmt an, dass sich die georgischen Oppositionellen mit den Europäern hinsichtlich ihrer weiteren Schritte konsultieren würden, da sie keine Entscheidungen eigenständig treffen könnten. „Sie denken scheinbar, dass es gut wäre, wenn der Streit über das Parteienverbot bis nach Strasbourg ging, und sie dort versuchen werden, die Entscheidung zu beeinflussen. Der Staat muss darauf vorbereitet sein“, betonte Machaschwili.

 

Seinerseits vermutet Parlamentschef Schalwa Papuaschwili, dass Europa offen in Georgien Extremisten unterstütze und folglich die demokratischen Werte achte. Allerdings glaubt er immer noch daran, dass sich die EU-Mitgliedern bessern können.

 

„Wenn wir über die schwierigen Beziehungen zwischen Georgien und der EU sprechen, dürfen wir nicht die ursprüngliche Ursache dieser Situation vergessen, die sich direkt vor uns verbirgt. Brüssel hat heute unsere gemeinsamen europäischen Werte vergessen, deren wichtigster die Achtung der Demokratie ist. Es ist unmöglich, die Demokratie zu achten, das heißt die Macht des Volkes, und gleichzeitig in die Entscheidung anderer Völker einzumischen. Es ist unmöglich, die Demokratie zu achten und sich nicht von politisch motivierten Verbrechen zu distanzieren. Die ausweichende Antwort des EU-Botschafters auf die Frage nach einer Verurteilung der Gewalt vom 4. Oktober demonstriert eine Sackgassen-Situation hinsichtlich der Werte, in die Brüssel geraten ist. Das heutige Europa distanziert sich nicht nur von Gewalt, sondern stellt sich auch offen auf die Seite der Schuldigen. Der Weg ist klar, die Entscheidung ist offensichtlich. Der Weg von Brüssel zu einer Wiederherstellung der Beziehungen mit dem georgischen Volk verläuft über eine Achtung gegenüber den europäischen Werten. Wenn Brüssel zu den europäischen Werten zurückkehren möchte, so ist der erste Schritt, die Demokratie anzuerkennen und zu achten“, betonte Papuaschwili.

 

Bemerkenswert ist, dass am 18. November in Brüssel ein Form stattfindet, das der Erweiterung der EU gewidmet ist. An ihm sollten alle Mitglieder und Kandidaten für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union teilnehmen, doch Georgien hat man nicht eingeladen. In der Europäischen Kommission behauptet man dass man Tbilissi als einen realen Kandidaten solange nicht ansehen werde, solange es nicht seine repressive Politik beende.

 

Der Politologe Nika Tschitadse ist der Auffassung, dass es in dem Verzicht, Georgien zum Forum zur EU-Erweiterung einzuladen, nichts Unerwartetes gebe. „Das offizielle Tbilissi beleidigt täglich Vertreter der Europäischen Union. Womit würden sich die Vertreter von „Georgischer Traum“ in Brüssel befassen? Gegenstandsbezogen haben die EU-Bürokraten nichts, worüber sie mit ihnen sprechen könnten. Und den Boden für einen neuen Skandal oder für eine Selbstpreisung der georgischen Offiziellen wollen sie nicht schaffen“, erklärte Tschitadse gegenüber der „NG“.

 

Nach Aussagen des Politologen würde sich Georgien in einer interessanten Lage befinden. Es entspreche nicht weder den europäischen noch den sowjetischen Standards. Im ersten Fall mangele es ihm am Grad der Demokratieentwicklung, und im zweiten sei die Korruption allzu sehr verbreitet.

 

„Es ist klar, dass man in Georgien stets gestohlen hat, doch in der UdSSR hatten sich die Beamten keine Paläste errichtet… Heute fühlen viele Georgien überhaupt nicht, dass sie in einem Staat leben. Die Republik erinnert an einen privaten Laden. Der Chef – der Gründer der Partei „Georgischer Traum“ Bidsina Iwanischwili – entscheidet, was gut und was schlecht ist, wer zu bestrafen ist und wer befördert wird. Natürlich kann unter solchen Bedingungen von keinerlei Euro-Integration die Rede sein“, unterstrich Tschitadse.

 

Allerdings ist sich der Experte sicher, dass, selbst wenn die konsequentesten Anhänger der EU Georgien führen würden, das Land trotzdem nicht der Organisation bis zum Jahr 2030 beitreten könne. Nach Meinung von Tschitadse könne dies unter Berücksichtigung einer günstigen Wirtschaftssituation, des Ausbleibens von Erschütterungen sowie einer raschen und effektiven Durchführung von Reformen im besten Falle bis zum Jahr 2040 erfolgen.