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Die Europäische Union will die russische Schattenflotte vernichten


Die Europäische Union hält die sogenannte Schattenflotte für eine der wichtigsten Einnahmequellen für Russland. Das Thema des Kampfes gegen sie, um der russischen Wirtschaft zu schaden, wurde zu einem der hauptsächlichen bei der Tagung des EU-Rates für auswärtige Angelegenheiten am 20. November in Brüssel.

Wie man in Brüssel meint, habe sich Russland im Verlauf von drei Jahren, seitdem im Dezember 2022 der Begriff „Schattenflotte“ aufkam, in einen maritimen Schatten-Staat verwandelt. Dabei verweist man auf Daten des Unternehmens S & P Global, laut denen fast 19 Prozent aller Tanker eine Schattenflotte und Schiffe darstellen, von denen die meisten am Export russischen Erdöls und russischer Erdölprodukte unter Umgehung der Sanktionen aufgrund der Kampfhandlungen der Russischen Föderation in der Ukraine teilnehmen. Wobei die Flotte von Tankern unter falschen Flaggen nicht nur für einen verdeckten Transport von Erdöl, sondern auch für Sabotageakte und hybride Operationen gegen Europa eingesetzt wird. Und die nichtversicherten und verrosteten Schiffe verursachen Risiken für die Umwelt und die Sicherheit auf See.

Nach Aussagen von Kaja Kallas, der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, sei „eine entschiedenere Herangehensweise an den Kampf gegen die Schattenflotte auf EU-Ebene nötig“, um die Militärausgaben Russlands noch mehr zu verringern.

Mit der Ausarbeitung solch einer Herangehensweise befassten sich am 20. November die Außenminister der EU-Mitgliedsländer. Es war erwartet worden, dass sie eine ganze Reihe möglicher Restriktionen im Rahmen des internationalen Seerechts erörtern, gemeinsame Untersuchungen in Bezug auf Scheinfirmen initiieren und sich für eine stärkere Koordinierung im Kampf gegen die Schattenflotte zusammen mit den Partnern aus der G-7 aussprechen.

In Brüssel will mandas ausnutzen, dass Washington erneut den Sanktionsdruck auf Russland verstärkt hat. „Jetzt, da die USA zur Sanktionspolitik zurückgekehrt sind und beabsichtigen, enger mit den G-7-Ländern zusammenzuarbeiten, hat sich ein neuer, ein stärker Impuls in der Frage nach Sanktionen ergeben, darunter hinsichtlich der Schattenflotte“, erklärte ein hochrangiger Beamter bei einem Briefing in Brüssel. Nach seiner Meinung verstärke die Wiederaufnahme der transatlantischen Zusammenarbeit das politische Gewicht der kommenden Entscheidungen der EU zu dieser Frage.

Dem Dokument des Europäischen Auswärtigen Dienstes (European External Action Service — EEAS) nach zu urteilen, das zu der Tagung der Außenminister der EU-Länder vorbereitet worden war, will man in Brüssel sich mit den Ländern einigen, unter deren Flaggen die Schiffe der Schattenflotte der Russischen Föderation unterwegs sind, um vorab das Recht zu deren Kontrolle zu erhalten. In dem Papier wird unterstrichen, dass die Schiffe, die russisches Erdöl transportieren, eine Gefahr für die Umwelt, die Sicherheit der Schifffahrt und der kritisch wichtigen Infrastruktur darstellen würden, aber auch als „Plattformen für Hybridattacken gegen das Territorium der EU“ genutzt werden könnten. Behauptet wird, dass solche Schiffe schon dahingehend verdächtig seien, da sie Startplätze für Drohnen seien, die wahrscheinlich durch Moskau für Aufklärungszwecke und eine Destabilisierung der Arbeit ziviler Flughäfen in Europa genutzt werden.

Die Minister erörterten die Zweckmäßigkeit des Abschlusses bilateraler Abkommen mit den Staaten, unter deren Flaggen die Schiffe der Schattenflotte unterwegs sind, über vorab gebilligter Kontrollen. Dazu hat die EU schon mit einigen Ländern Kontakt aufgenommen, die Russland derartige Leistungen gewähren.

Außerdem beabsichtigt Brüssel, „unterschiedliche Instrumente einzusetzen“, um diese Länder zu stimulieren, die Registrierung der in den Schwarzen Listen erfassten Schiffe der Schattenflotte aufzuheben. Nach der Aufnahme von weiteren 120 Schiffe in das 19. Paket der antirussischen EU-Sanktionen beläuft sich deren Anzahl auf über 560. Der EEAS informierte, dass Panama zugestimmt hätte, die Registrierung der Schiffe aufzuheben, die unter die EU-Restriktionen fallen, aber auch beschlossen habe, die Registrierung von Schiffen, die älter als 15 Jahre sind, einzustellen.

Allem nach zu urteilen ist es das Ziel der EU, die Schattenflotte als solche zu vernichten. Das Stoppen und die Kontrolle von Schiffen, juristische Untersuchungen und die Notwendigkeit, die Fahrtrouten zu ändern, all dies macht die Schiffsoperationen für die Russische Föderation zu kostspieligen und riskanten. Wenn die Versicherungsunternehmen beginnen, sich von diesen Tankern zu distanzieren, „wird das ganze Schema zusammenbrechen“, wie man in Brüssel meint.

Es war erwartet worden, dass zu den Ergebnissen der Minister-Tagung vom 20. November Kaja Kallas „den EU-Rat bitten wird, den Beginn von Gesprächen über bilaterale Vereinbarungen mit bestimmten Staaten zu sanktionieren. Und die Arbeit zur Bekämpfung der Schattenflotte wird ein Sonderbeauftragter koordinieren, dessen Amt gerade erst im Rahmen des EEAS geschaffen worden ist.

In Brüssel erläuterte man, dass das neue Amt für eine Regelung des Datenaustauschs über die Schattenflotte zwischen den EU-Mitgliedsländern zwecks gemeinsamer Ausarbeitung wirksamerer Bekämpfungsmaßnahmen geschaffen wurde. Schließlich verfüge die Europäische Union nicht über die vollständigen Informationen über die Schiffe, die in der Schattenflotte zum Einsatz kommen. Als Ursachen nannte man die häufigen Änderungen der Schiffsnamen, der Eigentumsstrukturen und Länder ihrer Registrierung.

P. S.

Da am 20. November noch keine finale Entscheidung hinsichtlich der russischen Schattenflotte getroffen wurde, gehen die Gespräche weiter, um ein handfestes 20. Sanktionspaket der EU zu schnüren. Dabei bekräftigte auch die EU-Außenbeauftragte, dass die „Verfolgung der russischen Schattenflotte eine Priorität bleibe. Die kommenden Wochen werden zeigen, welche Länder außer Panama dem Wunsch der Brüsseler Euro-Bürokraten folgen werden und zum Beispiel die Registrierung von Tankern unter ihrer Flagge annullieren. Beim anstehenden EU-Gipfel am 15. Dezember wird es jedoch keine konkreteren Ergebnisse geben. Die seien erst im neuen Jahr zu erwarten, wie die Zeitung „Politico“ am 27. November unter Berufung auf Quellen in der belgischen Hauptstadt berichtete.