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Die georgische Opposition hat sich von der Vergangenheit distanziert


Am 21. Dezember, an seinem 56. Geburtstag, erklärte Georgiens Expräsident Michail Saakashvili, dass er sich für einen Soldaten hate, der so viel zurücklegen werde, wie für den Sieg eines jeden Georgiers nötig sei. Nach Aussagen des in Ungnade gefallenen Politikers verspüre er Schmerz aufgrund dessen, was sich heute mit seinem Land ereigne. Daher sei er auch im Jahr 2021 in die Heimat zurückgekehrt, wohl wissend, dass man ihn unweigerlich festnehmen werde. Derweil sind bei weitem nicht alle Vertreter der Opposition bereit, mit ihm Anstrengungen im Kampf um die Macht zu verbinden.

Am Vortag (am 20. Dezember) hatte Saakashvili bei einer Gerichtsverhandlung, an der er vom Krankenbett per Videokonferenzschaltung teilgenommen hatte, die Opposition aufgerufen, sich zu vereinen, um die Partei „Georgischer Traum“ bei den Parlamentswahlen zu besiegen. Nach seinen Worten mache die Regierung den Georgiern damit Angst, dass das Land im Falle eines Machtwechsels angeblich schwere Erschütterungen erwarten würden. Tatsächlich aber werde alles exakt umgekehrt werden. Zum Beispiel versprach Saakashvili, in nur vier Jahren der Europäischen Union beizutreten.

Für eine Koordinierung der Handlungen der Oppositionskräfte schlug der Politiker vor, ein „Komitee der Einheit“ zu bilden, ein ständiges beratendes Organ der Regimegegner, dem 20 bis 25 Personen angehören. Gemeinsam würden sie die Strategie und Taktik des Kampfes gegen die Partei „Georgischer Traum“ erörtern. „Dies wird ein Ort für ein rasches Reagieren und einen Dialog sein“, unterstrich Saakashvili.

Die Initiative unterstützte man in der „Vereinten nationalen Bewegung“ und der Partei „Aghmashenebeli-Strategie“. Jedoch gibt es da nichts Erstaunliches. Erstens ist Saakashviloi der informelle Führer der „Vereinten nationalen Bewegung“. Zweitens hatten sich bereits im Juli diese Parteien über die Etablierung einer „Plattform des Sieges“ geeinigt. Freilich hatten sie nach Einschätzungen des International Republican Institute aus den USA (IRI) im November ganze 16 Prozent der Wähler unterstützt. Damals hatte auch das Forschungsinstitut Edison Research die Anzahl ihrer Anhänger mit 21 Prozent der Wähler beziffert.

„Ich wusste von der Initiative Saakashvilis“, sagte Giorgi Vashadze, Vorsitzender der „Aghmashenebeli-Strategie“. „Alle, die sich in dem Komitee sehen werden, werden absolut erhört werden. Wir sind dazu bereit“, bemerkte er an.

Die Spitzenvertreter anderer politischer Kräfte haben jedoch skeptisch den Vorschlag aufgenommen. So hat Michail Daushvili, Mitglied er Partei „Für Georgien“ (4 bis 9 Prozent Unterstützung der Wähler lt. Schätzungen des IRI und von Edison Research), die Idee des Ex-Präsidenten als eine leichtsinnige und lächerliche bezeichnet. Zur gleichen Zeit hat er der „Vereinten nationalen Bewegung“ angeraten, „auf den Erdboden zurückzukehren“ und zu begreifen, dass ihre Partei ein Überbleibsel der Vergangenheit sei. „Saakashvili muss sich seine Partei anschauen, die zu einer Schande geworden ist. Die Opposition, die an diesem Spektakel bewusst teilnehmen wird oder die Rolle eines nützlichen Idioten spielt, wird der Regierung vom „Georgischen Traum“ eine helfende Hand reichen und ihr helfen“, erklärte die Parlamentarierin Anna Buchukuri, ihren Parteigenossen unterstützend.

Die Partei „Lelo“ (2 bis 5 Prozent) hat es gleichfalls abgelehnt, den Vorschlag von Saakashvili zu unterstützen. Der Generalsekretär der Organisation, Irakli Kupradze, teilte mit, dass die Bevölkerung Georgiens keine künstliche Einheit der Opposition brauche. Anstelle dessen hielt es der „Lelo“-Vertreter für notwendig, gegen eine politische Polarisierung in der Gesellschaft zu kämpfen. Bemerkenswert ist, dass Ende November Saakashvili den Versuch unternommen hatte, sich mit „Lelo“ anzufreunden. Er hatte unter anderem vollkommen die Konzeption der Partei für einen Kampf gegen den russischen Einfluss unterstützt (Einführung einer Visa-Pflicht mit Russland, Verbot des Erwerbs von Immobilien durch Bürger Russlands u. ä.).

Der Führer der Partei „Girchi“ (3 bis 4 Prozent), Iago Khvichia, erklärte, dass er bereit sei, den Vorschlag von Saakashvili zu akzeptieren, wenn im Komitee das erörtert werde, was für eine Zukunft Georgien haben soll. In diesem Fall sei „Girchi“ bereit, irgendwen für die Rolle des Vorsitzenden des beratenden Gremiums vorzuschlagen, denn ihre Kandidaten seien die „besten“. Wenn aber das Projekt als eine Plattform für Debatten gedacht sei, so sei dies für die Partei uninteressant.

Dafür hat der Vorschlag, ein „Komitee der Einheit“ zu bilden, dem Mitglied der Partei „Georgischer Traum“ (25 bis 37 Prozent) und Parlamentsabgeordneten Irakli Zarkua gefallen. Er sei sehr erfreut, dass Saakashvili genesen sei und Ideen versprühe. Nach seinen Worten sollten alle „Looser“ ihrem Führer Gehör schenken und an einem Ort zusammenfinden.

Derweil veröffentlichten in der ersten Dezemberhälfte Soziologen des US-amerikanischen National Democratic Institute einen Bericht, laut dem 62 Prozent der Georgier die Auffassung vertreten würden, dass nicht eine einzige Partei ihre Interessen verteidigen würde. So hatten unter anderem auch jeder fünfte Wähler der Partei „Georgischer Traum“ und jeder zweite Anhänger der Opposition gedacht. Außerdem waren sich 53 Prozent der Befragten sicher, dass die Parlamentsabgeordneten bei der Annahme von Entscheidungen solchen Menschen wie sie keine Aufmerksamkeit schenken würden.

Der Gründer der Stiftung SIKHA Initiative, Archil Sikharulidze, betonte, dass der Vorschlag Saakshvilis wahrscheinlich floppen werde, da er für viele mit der Vergangenheit assoziiert werde. Für die einen sei der Vorschlag ein erfolgreicher, für andere nicht.

Auch andere kleinere Parteien befürchten, dass die „Vereinte nationale Bewegung“ sie ignorieren könne. Überdies wird gleichfalls begriffen, dass die Partei von Saakashvili niemals die Partei „Georgischer Traum“ besiegen könne. „So lange sich die „Vereinte nationale Bewegung“ als eine Alternative zu dieser Partei positioniert, wird sie verlieren“, erklärte Sikharulidze. „Im Zusammenhang damit bemühen sich die anderen Parteien, die Kette zu zerreißen, die die „Vereinte nationalen Bewegung“ und „Georgischer Traum“ verbindet, und sich um andere Ideen zu vereinigen“.

Der georgische Politologe Nika Chitadze sagt, dass, wenn die Oppositionsparteien die Partei „Georgischer Traum“ besiegen wollen, sie ihre Handlungen koordinieren müssten. „Dies wird unter anderem wichtig bei der Bildung einer Koalitionsregierung sein. Wenn sie sich vorab über eine Zusammenarbeit einigen, wird es gelingen, ein Machtvakuum zu vermeiden. Überdies werden auch die Wähler sehen können, aus wem die Opposition ein neues Ministerkabinett formieren will“, sagte der Politologe. Dabei gestand Chitadze ein, dass nicht alle Parteien der Führungsrolle Saakashvilois in diesem Komitee zustimmen würden. Der Hauptgrund dafür sei das große Anti-Rating des Expräsidenten.

„Keiner wird sich vereinen, da dies so Saakashvili gesagt hat“, meint Schota Apkhaidze, Experte der Finanzuniversität bei der Regierung Russlands. „Selbst in der „Vereinten nationalen Bewegung“ wollen ihn nicht alle als ihren Chef sehen. Mit dem Aufruf zu einer Vereinigung versucht Saakashvili vor allem, sein Ansehen zu erhöhen. Er wird aber nicht mehr als ein nationaler Leader wahrgenommen“, betonte er.

Post Scriptum

Derweil überraschte die Regierungspartei „Georgischer Traum“ am 30. Dezember. Sie verkündete, dass Parteigründer Bidzina Ivanishvili in die Politik zurückkehren werde. So wurde er zum Beispiel beim Parteitag dieser Partei am letzten Samstag des vergangenen Jahres zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Und am 2. Januar erklärte er auf Journalistenfragen, dass er nicht für das Amt des Regierungschefs kandidieren werde. Überdies versicherte er, dass keine Veränderungen in der Partei und im Ministerkabinett geplant seien. Doch allein die Autorität des fast 68jährigen Politikers ist eine starke Trumpfkarte bei den anstehenden Parlamentswahlen in Georgien, gegen die die Opposition wohl nichts Gleichwertiges in petto hat.