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Die Inflationsrate für Schulsachen ist zweimal höher als für Lebensmittel


Die Ausgaben, um ein Kind für das neue Schuljahr vorzubereiten, betragen 13.000 Rubel (umgerechnet knapp 150 Euro), heißt es in einer Untersuchung der analytischen Ressource „Kassenzettel Index“ des Operators für Fiskus-Daten „Plattform OFD“. Innerhalb eines Jahres ist das „Schüler-Set zum Beginn des neuen Schuljahres“ im Preis um 13 Prozent teurer geworden, was 2mal höher als die offizielle Inflationsrate ist. Russlands Bürger berichten, dass sie für die Vorbereitung eines Kindes auf das neue Schuljahr 2,5mal mehr ausgeben würden. Dabei sind für die meisten solche Ausgaben unerschwinglich, was die Statistik der sogenannten Mikrokredite belegt. Die im Zusammenhang mit den Vorbereitungen auf das neue Schuljahr einhergehende weitere Verarmung der russischen Bevölkerung sollte wahrscheinlich die einmalige staatliche Beihilfe von 10.000 Rubel bremsen. Diese Summe könne zwar finanzielle Löcher im Familienetat stopfen, sei aber nicht dazu angetan, die geplanten Ausgaben zu decken, meinen Experten.

„Der durchschnittliche Kassenbon der Ausgaben für die Vorbereitung eines Kindes auf den Beginn des Schuljahres machte in der ersten Juli-Hälfte 12.900 Rubel (umgerechnet knapp 150 Euro) aus, was um 13 Prozent mehr als im vergangenen Jahr war“, betonen die Analytiker.

Wie mitgeteilt wurde, haben die Experten für die Berechnung der Kosten des minimalen Sets von Waren für die Schule die Verkäufe von Büroartikeln, Schulkleidung und -schuhwerk, Rucksäcken, Schreibtischlampen und Hefte des Zeitraums vom 1. bis 15. Juli 2021 und 2020 aus ganz Russland ausgewertet.

Im Ergebnis dessen, fahren sie fort, sei der durchschnittliche Kassenbon für die sich im Verkauf befindlichen fertigen Sets für Schulanfänger (ein Satz notwendiger Büroartikel aus Blei- und Buntstiften, Füllfederhaltern bzw. Kugelschreibern, Alben und anderen Waren) in der ersten Juli-Hälfte um sechs Prozent teurer geworden und belief sich auf 690 Rubel (umgerechnet knapp 8 Euro). Zur gleichen Zeit ist der reale Umfang der Verkäufe um 14 Prozent angestiegen.

Interessant ist, dass praktisch hinsichtlich aller Waren ein Anstieg der Preise fixiert worden ist, während die Verkaufsumfänge bezüglich der Erzeugnisse für die Schule oft zurückgegangen sind. Der durchschnittliche Kassenbon für den Erwerb eines Tagebuchs ist um drei Prozent angestiegen und wies 107 Rubel aus. Der reale Verkaufsumfang ist jedoch um zehn Prozent gesunken. Die Verkaufszahlen für Etuis sind allerdings um 25 Prozent (in Stückzahlen) gewachsen, während die Preise dafür um ein Drittel bis auf 728 Rubel in die Höhe gegangen sind. Ein Set an Blei- und Buntstiften sowie Schreibgeräten kann man für 182 Rubel erwerben, was um acht Prozent mehr als im Vorjahr ist. Die realen Verkaufszahlen sind um sieben Prozent gesunken. Die Durchschnittspreise für Schulhefte sind um sechs Prozent angestiegen, und ein Set kostete nunmehr 306 Rubel. Derweil sind die realen Verkaufszahlen um zwei Prozent gesunken.

Die Durchschnittspreise für Rucksäcke bzw. Schulranzen sind um acht Prozent bis auf 1.700 Rubel angestiegen. Der reale Verkaufsumfang nahm um elf Prozent. Derweil sind die Preise für Schreibtischlampen gleich um 22 Prozent in die Höhe geschnellt, während die Verkaufszahlen um fünf Prozent gesunken sind. Die Kosten für eine Schuluniform sind gleich um 15 Prozent angestiegen und beliefen sich auf 1.600 Rubel, während die realen Verkaufszahlen im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent gesunken sind. Ein Standardschulbluse oder ein entsprechendes Oberhemd kann man im Durchschnitt für 817 Rubel erwerben, was einen Preisanstieg von 15 Prozent ausmacht. Daher sparen die Eltern an dieser Stelle, womit ein Rückgang der realen Verkaufszahlen von 25 Prozent durchaus erklärbar wird. Eine ähnliche Tendenz ist bei Röcken und Hosen zu beobachten, die Preise sind etwa um vier Prozent gestiegen, während die realen Verkaufszahlen um zwölf Prozent geringer ausfallen. Gleiches kann hinsichtlich von Straßen-Sportschuhen konstatiert werden. Die Preise stiegen um etwa 22 Prozent bis auf 2100 Rubel an, während die Verkaufszahlen um sechs Prozent gesunken sind. Straßenschuhe wurden um 20 Prozent weniger verkauft, obgleich die Preissteigerung für sie eine geringe ist – um vier Prozent bis auf 1800 Rubel.

Das russische Statistikamt Rosstat meldete im August letzten Jahres eine völlig andere Preisdynamik. Im Amt von Pawel Malkow hatte man damals berichtet, dass das sogenannte Set für einen Schulanfänger im Vergleich zu 2019 nur um ganze zwei Prozent teurer geworden sei und 21.000 Rubel gekostet hätte.

Russlands Bürger bewerten ihre Ausgaben für das „Schul-Set“ völlig anders als im staatlichen Statistikamt. So ergab sich aus einer Umfrage des staatlichen Allrussischen Meinungsforschungszentrums VTsIOM des vergangenen Jahres, dass die russischen Familien für die Vorbereitung der Kinder auf das Schuljahr im Durchschnitt über 34.800 Rubel ausgeben. Damit entsprach der Anstieg der Kosten für dieses Set in keiner Weise den durch Rosstat ausgewiesenen zwei Prozent. So hatten laut VTsIOM-Angaben die Bürger der Russischen Föderation im Jahr 2019 für die Vorbereitung eines Kindes auf das neue Schuljahr mindestens 27.000 Rubel ausgegeben. Insgesamt aber sind in den vergangenen 15 Jahren die Ausgaben der Bürger Russlands für diese Zwecke um das 6fache angestiegen, von 6.200 bis auf 34.800 Rubel (im nominellen Wert).

Übrigens, die Forscher haben außer den Ausgaben für Schreibgeräte und Etuis auch die unterschiedlichen Ausgaben für die Schule in ihrer Bewertung berücksichtigt, die innerhalb eines Jahres gleichfalls wesentlich angestiegen sind. Während im vergangenen Jahr eine russische Familie als Beiträge für die Bedürfnisse der Schule (u. a. für Instandsetzungs- und Verschönerungsarbeiten – Anmerkung der Redaktion) 3800 Rubel zahlte, so waren es im Jahr zuvor nur 1800 Rubel. Der „freiwillige“ Sponsorenbeitrag belief sich im vergangenen Jahr auf 3100 Rubel, im Jahr 2019 – auf 1600 Rubel.

Ihre Ausgaben für die Vorbereitung der Kinder auf die Schule halten Russlands Bürger insgesamt für unerschwingliche. So vertritt heute jeder vierte in Russland die Auffassung, dass alles Notwendige für die Schüler aus Etatmitteln bezahlt werden müsste, meldet VTsIOM. Derweil waren im inzwischen fast vergessenen Jahr 2005 15 Prozent der Befragten solch einer Meinung.

Solch pessimistische Einstellungen und Auffassungen sind insgesamt berechtigt, da für die meisten Bürger Russlands die Vorbereitung eines Kindes auf die Schule ein schwerer Schlag für den Familienetat darstellt. Dies wird auch durch die Statistik der Mikro-Kredite bestätigt. Traditionell nimmt zum August, der Hochzeit der Vorbereitung auf das neue Schuljahr, die Zahl derjenigen zu, die Mikrokredite gerade für diese Zwecke aufnehmen.

So betonte man beim Online-Service für Kredite und Anleihen „GreenMoney“, dass es den meisten russischen Familien an eigenen Mitteln für die Vorbereitung der Kinder auf den Beginn des neuen Schuljahres mangele. Laut Angaben dieses Service bitten fast 35 Prozent der Befragten zum Beginn des neuen Schuljahres bei Verwandten und Bekannten um finanzielle Unterstützung. 28,6 Prozent nutzen Bank-Produkte. Und fast vier Prozent der Befragten nehmen Anleihen bei Mikro-Finanzorganisationen für die Vorbereitung der Kinder auf das neue Schuljahr auf (wobei deren Zinssätze weitaus höher als bei Banken sind – Anmerkung der Redaktion).

In den Mikro-Finanzorganisationen an sich hat man mitgeteilt, dass im August die Zunahme der Gewährung von Mikro-Krediten im Durchschnitt um 15 Prozent zunehme. „Solch ein Trend wiederholt sich von Jahr zu Jahr. Und dies bringen wir mit der Vorbereitung der Kinder auf das neue Schul- bzw. Studienjahr in einen Zusammenhang“, berichtete man in der Mikro-Finanzorganisation „ZyamiGo“.

Insgesamt sei der August für die Mikro-Finanzorganisation keine Hochsaison, doch einer der Faktoren für eine saisonale Zunahme der Nachfrage am Sommerende seien die Eltern der Schüler. Für viele von ihnen sei die Summe, die für die Vorbereitung auf die Schule ausgegeben werde, eine unerschwingliche, betonte man in „GreenMoney“.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Offiziellen unter anderem auch für die Lösung dieser Probleme beschlossen haben, die Bürgern Russlands bei der Vorbereitung der Kinder auf das neue Schuljahr zu sponsern. Es sei daran erinnert, dass im April dieses Jahres Russlands Präsident Wladimir Putin in seiner Jahresbotschaft an die Föderale Versammlung vorgeschlagen hatte, im August eine einmalige Zahlung für Schüler und künftige Schulanfänger in einer Höhe von 10.000 Rubel (umgerechnet etwa 115 Euro) vorzunehmen.

Anfang Juli war ein entsprechender Erlass unterzeichnet worden. Ihm zufolge wird die einmalige Auszahlung für jedes Kind im Alter von sechs bis 18 Jahren und für jeden Invaliden oder für jede Person mit eingeschränkten Möglichkeiten im Alter von 18 bis 23 Jahren vorgenommen.

Im Arbeitsministerium erläuterte man später, dass die einmalige Beihilfe für die Kinder nur bargeldlos, auf die Karte jeglichen Zahlungssystems gezahlt werde. Der Staat verspricht, ab Mitte August zu beginnen, die Zahlungen an die Familien mit Schulkindern vorzunehmen. „Damit die Familien es schaffen, die Kinder auf die Schule vorzubereiten“, teilte Arbeitsminister Anton Kotjakow mit. Am vergangenen Mittwoch gab er bekannt, dass insgesamt 20 Millionen Kinder die Beihilfe erhalten würden, wobei bis heute elf Millionen Anträge auf den Erhalt von Subventionen für 15 Millionen Kinder eingereicht worden seien.

Nach Meinung der Experten der „NG“ vermag die staatliche Auszahlung nicht den gesamten Umfang der geplanten Schulausgaben zu decken. „Im Durchschnitt geben die Eltern für die Vorbereitung eines Kindes für den Start ins Schuljahr rund 15.000 bis 20.000 Rubel aus. Und die Auszahlung von 10.000 Rubel kann in diesem Fall nicht deren gesamten Ausgaben decken“, merkt Denis Sorokin, Direktor der Produkte-Fabrik des Einzelhandel-Business der RGS Bank.

Dabei würden zwei Drittel der russischen Familien eine zusätzliche finanzielle Belastung im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Kinder auf das neue Schuljahr spüren, fährt er fort. „Die Mehrheit wird selbständig damit fertig, indem sie vorab Mittel zur Seite legt. Ein Teil der Eltern ist jedoch gezwungen, Kreditmittel und sogar Mikro-Anleihen zu nutzen, um das Kind für den Beginn des Schuljahres vorzubereiten“, teilt der Experte mit. In diesem Sinne könnten die einmaligen Kinder-Beihilfen in diesem Jahr teilweise zu einer Verringerung des Anteils jener Familien führen, die ihre Belastung durch Kredite erhöhen würden.

„Die zusätzlichen finanziellen Beihilfen für die Eltern von Schulkindern für den Erwerb von Studienmaterialien werden gerade auch zu einem Trigger für den Verzicht auf Mikro-Kredite“, meint Nikolaj Pereslawskij, Mitarbeiter des Departments für Wirtschafts- und Finanzforschungen der Unternehmensgruppe „CMS Institute“.

Wahrscheinlich würden die erhaltenen Subventionen die Nachfrage nach Anleihen in den Mikrofinanz-Organisationen für diese Zwecke um 10 bis 20 Prozent verringern und die ländlichen Gebiete betreffen, sagte der 1. Vizepräsident der Unternehmervereinigung „Stütze Russlands“, Pawel Sigal. „In den Städten sind die Kosten für das „Schul-Set“ höher. Während auf dem Lande 10.000 Rubel ausreichen können, so sind in den Millionen-Städten dafür 20.000 bis 30.000 Rubel erforderlich“, urteilt der Experte.