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Die Kriminalitätskurve steigt in Russland wieder an


Das erste Quartal dieses Jahres hat sich als ein erstaunlich brutales erwiesen. Um fast 18 Prozent sind die Zahlen bei der Registrierung von Morden und Mordversuchen (bis auf 2.300) angestiegen, während die Zahlen für schwere Körperverletzungen auf dem bisherigen Stand (4.500) geblieben sind. Um 42 Prozent sind mehr Fälle von Erpressungen (2.400) und um 21 Prozent mehr Entführungen (110) fixiert worden. Jeder achte Raubüberfall war mit einem Eindringen in fremde Wohnungen verbunden. Direkt wie einstmals in den 90ern. Daher ist es nicht erstaunlich, dass sich die Anzahl der ums Leben gekommenen und verletzten Menschen um mehr als vier Prozent, bis auf 5.900 bzw. 8.500 Personen erhöhte.

Als traurige Spitzenreiter haben sich diesbezüglich der Altai, die Republiken Adygea, Dagestan, Karatschajewo-Tscherkessien, Nordossetien, Tatarstan, Tschuwaschien sowie die Verwaltungsgebiete Brjansk, Kaluga, Kurgan, Kemerowo, Lipezk, Orjol, Rjasan, Smolensk und Tomsk erwiesen. Und die Gesamtzahl der schweren und besonders schweren Straftaten ist fast um zehn Prozent angestiegen (bis 152.900), wobei sie mehr als ein Drittel der Gesamtzahl der registrierten ausmachten. Freilich, ein Aufflammen der Kriminalität wurde lediglich in 37 der 85 Regionen des Landes festgestellt. Jedoch lässt ihre Aufklärungsrate wie auch früher zu wünschen übrig. Von den 484.000 auf dem Territorium der Russischen Föderation registrierten Straftaten blieben 170.100 unaufgeklärt, von denen über ein Drittel schwere gewesen waren. Unter ihnen – Morde und schwere Körperverletzungen.

Beeindruckt gleichfalls der Gesamtumfang des verursachten materiellen Schadens – 123 Milliarden Rubel, von denen beinahe 79 Milliarden auf Wirtschaftsverbrechen entfallen. Ihre Gesamtzahl hat bereits die 37.000-Marke überschritten. Es geht dabei vor allem um unterschiedliche Betrügereien und Hinterziehungen. Ungeachtet der unbedeutenden Zunahme der Gesamtzahl der Korruptionsverbrechen (bis auf 12.400) und der Straftaten unter Missbrauch der Dienststellung (bis zu 6.500) beunruhigt die galoppierende Zunahme von Fällen einer Bestechung und Vermittlung bei dieser unschönen Tätigkeit – um 20,4 bzw. 46,6 Prozent. Augenscheinlich wird es in unserem Land direkt immer schwieriger, ernsthafte Fragen ohne ein (Geld-) Couvert zu klären. Besonders oft ist dies im Bereich des Business anzutreffen.

Wie auch im vergangenen Jahr hat der Kampf der Rechtsschützer gegen Terrorismus und „Extremismus“ seine bisherigen Werte in den Schatten gestellt, wobei die Erfolgsrate um ein Drittel gesteigert wurde. Im Ergebnis dessen sind über 400 Personen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden. Hinsichtlich der Terrorakte gab es 57 (ein Plus von 612,5 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres), wobei 19 Personen wegen einer Beteiligung an deren Verübung festgenommen wurden.

Um fast ein Viertel hat auch die Zahl von Cyber-Straftaten zugenommen – bis auf 152.400. Ihre stärkste Zunahme wurde in Inguschetien, auf der Krim, in Mordowien sowie in den Verwaltungsgebieten Magadan, Lipezk, Nowgorod, Tomsk und Jaroslawl, aber auch in der Nenzen-Autonomie festgestellt. Wie auch früher ist beinahe die Hälfte solcher Straftaten mit Hilfe von Smartphones verübt worden, und ein drei Viertel – im Internet. Hauptsächlich geht es dabei um Diebstähle und Betrugshandlungen, seltener um einen illegalen Drogenhandel und Pornografie, aber auch um Glücksspiele. Allerdings erhalten bei weitem nicht alle Zwischenfälle im Cyberraum eine strafrechtliche Bewertung. Aber ihre Anzahl ist wirklich eine große. Laut Berechnungen der Entwicklungsfirma für Lösungen im Bereich der Cybersicherheit – „RTK-Solar“ – hat die Anzahl der Cyberattacken im ersten Quartal fast 290.000 erreicht, was um 60 Prozent über dem Vergleichswert des Vorjahres liegt. Das populärste Instrument der Hacker bleibt schädigende Software. Und die am meisten attackierten Bereiche – der Finanzbereich und der Handel.

Der Quartalsumsatz der Außenwirtschaftskriminalität bleibt zwar hinter den Vorjahreswerten angesichts einer gewissen Stabilisierung der Situation auf dem Markt zurück, bleibt aber dennoch ein recht hoher. Laut Angaben der Föderalen Zolldienstes Russlands wurden 249 Strafverfahren wegen des Schmuggels strategisch wichtiger Waren und Ressourcen, aber auch von Spirituosen und Tabakwaren eingeleitet, wobei konstatiert wurde: Der angerichtete Schaden machte mehr als 1,6 Milliarden Rubel aus. Weitere 1,9 Milliarden Rubel sind dem Staat als Zollgebühren entgangen. Der Umfang der ermittelten finanziellen Betrugshandlungen an der Zollgrenze (eine Nichtrückführung von Devisenerlösen und der illegale Transfer von Geld unter Verwendung gefälschter Dokumente) überstieg 13,5 Milliarden Rubel. Ihrerseits haben die Bürger Russlands versucht, 75,3 Millionen im Rubel-Äquivalent ins Ausland zu bringen. Übrigens, entsprechend den Ergebnissen der Zollkontrolle nach einer Freigabe von Waren und entsprechend anderen Grundlagen sind den unlauteren Geschäftsleuten Nachzahlungen in einer Höhe von 2,1 Milliarden berechnet worden, von denen ein großer Teil auch eingezogen werden konnte.

Unter den Bedingungen der wirtschaftlichen Instabilität werden die Taschen der Bürger Russlands nach wie vor durch unternehmenstüchtige „Finanziers“ gebeutelt. Bereits im ersten Quartal hat Russlands Zentralbank 1.100 solcher illegalen Finanziers ermittelt, was den Wert des Vorjahres um ein Viertel übersteigt. Das größte Wachstum demonstrierten die illegalen „Kreditvergabe-Institutionen“, deren Anzahl dreimal höher als im Jahr zuvor lag (von 171 bis auf 503). Die Anzahl der Finanzpyramiden erhöhte sich um sechs Prozent (von 403 bis auf 427). Sie waren vor allem mit Investitionen in Krypto-Projekte verbunden. Dabei erreichte der Anteil der Internetprojekte, dass heißt der Kreditvergabe-Institutionen, die ihre Leistungen nur in den sozialen Netzwerken oder Messenger-Diensten gewährten, 42,5 Prozent (von 12 bis 214), was 6mal mehr als im Vorjahr war. Die Popularität der illegalen Kreditbeschaffung ist bei der Bevölkerung eine durchaus offensichtliche. Offiziell gibt es im Land 14,3 Millionen arme Bürger. In den Jahren 2020-2023 sind die Zahlen für überfällige Kreditzahlungen (Nichtzahlungen in Bezug auf Kredite, die bereits über 90 Tage überfällig sind) von 730 Milliarden bis auf 1,1 Billion Rubel angestiegen. Ausgehend von der Gesamtbevölkerungszahl des Landes hat die Pro-Kopf-Verschuldung der Bürger Russlands gegenüber den Banken um das Anderthalbfache – von 4.900 bis 7.600 Rubel – zugenommen. Um das gewohnte Niveau des Verbrauchs unter den Bedingungen der Inflation zu wahren, muss die Bevölkerung immer häufiger Kredite als Rettungsanker nutzen. Daher nimmt die Schuldenbelastung der Bürger ununterbrochen zu. Und zusammen mit ihr der Umfang der überfälligen Zahlungen, da es für viele immer schwieriger wird, die erhaltenen Kredite zurückzuzahlen.

Aufgrund der dynamischen Zunahme der Preise und des Rückgangs der Realeinkommen der Bevölkerung hat sich die Anzahl der Ladendiebstähle spürbar erhöht, die als Kleindiebstähle qualifiziert werden (Artikel 7.27 des Ordnungsstrafrechts). Laut Angaben des Obersten Gerichts Russlands sind im Jahr 2022 entsprechend diesem Paragrafen 123.400 Menschen ordnungsrechtlich zur Verantwortung gezogen worden (im Jahr 2021 – 108.600), wobei fast 41.000 festgenommen wurden (im Jahr 2021 – 34.900). Ein Großteil der verhandelten Fälle betraf den Diebstahl von Alkohol, Wurstwaren, Fleisch, Butter und Süßwaren. Aufgrund dieser Ursachen bleibt auch die Zahl der Händler mit verbotenen/Schmuggelwaren (Paragraf 14.2 und 14.10 des Ordnungsstrafrechtes), der Aufkäufer von Schrott (Paragraf 14.26 des Ordnungsstrafrechtes), der illegalen Holzfäller (Paragraf 8.28-8.31 des Ordnungsstrafrechts) und der illegalen Spirituosenhersteller (Paragraf 14.16 und 14.17.2 des Ordnungsstrafrechts) eine wesentliche: 14.000, 5.700, 7.500 bzw. 8.700 Personen. Zur hauptsächlichen Bestrafung wurden für sie Geldstrafen.

Laut März-Umfragen fürchten Russlands Bürger die Kriminalität weitaus weniger als einen Krieg, Arbeitslosigkeit oder Armut. Dabei schenkt mindestens ein Drittel der Landesbevölkerung den Vertretern der Rechtsschutzorgane kein Vertrauen. Die hauptsächlichen Beanstandungen ihnen gegenüber sind Aggressivität, Inkompetenz und Käuflichkeit. Im Zusammenhang damit sind bei weitem nicht alle bereit, mit ihnen in Fragen einer Aufklärung von Straftaten zusammenzuarbeiten. Den Grad des gesellschaftlichen Vertrauens gegenüber den Rechtsschützern und die Qualität ihrer Arbeit sollen reichlich finanziell ausgestattete Programme erhöhen. Ungeachtet dieses Umstands hat Russland im Kriminalitätsrating World Population Revier (Anzahl der Straftaten auf 100.000 Menschen in den 136 erfassten Ländern) den 86. Platz belegt.