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Die Krise in Russland hat die Nachfrage nach Spirituosen verstärkt


In der Hochzeit der Sanktionskrise haben Russlands Bürger den Umfang der Alkohol-Einkäufe erhöht. Laut Angaben des „Romir“-Forschungszentrums machte der Anstieg im März zehn Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres aus. Derweil haben, wie man der „NG“ im Zentrum für Untersuchungen des föderalen und der regionalen Alkohol-Märkte mitteilte, die Verkäufe von Alkohol-Erzeugnissen in den ersten vier Monaten dieses Jahres um vier Prozent im Vergleich zum analogen Zeitraum des Jahres 2021 zugenommen, was nicht so grandios aussieht. In einer Reihe von Fällen war aber eine Hektik auf dem Markt zu spüren. Die Hersteller, Retail-Vertreter und Verbraucher warten auf eine Legalisierung des Online-handels mit Alkohol garantierter Qualität. Vorerst aber wird laut Angaben der Vereinigung der Internet-Handelsunternehmen das Volumen des Alkohol-Online-Marktes der Russischen Föderation im Graubereich mit fünf bis zehn Milliarden Rubel beziffert. Dies sind beispielsweise 3.000 Internetseiten mit entsprechenden Offerten.

Im Durchschnitt kaufen 85 Prozent der Bürger Russlands alkoholische Getränke im Jahr, wobei Biererzeugnisse ausgeklammert sind, teilte die Forschungsholding „Romir“ mit. „In der Jahresdynamik März 2022 gegenüber dem März von 2021 hat der Umfang der Alkoholeinkäufe um zehn Prozent zugenommen. Laut Statistik kauft ein Einwohner Russlands alle zwei Wochen Spirituosen“, präzisierte man in der Holding.

Wie der „NG“ die Direktorin der Business-Division „M-Romir“, Xenia Paisanskaja, erläuterte, sei Alkohol eine der Schlüsselkategorien im Portfolio eines Verbrauchers in einer Krise. Dabei sei heute einerseits für 16 Prozent der Verbraucher laut Angaben der Holding der Alkohol eine Form zur Stressbekämpfung. Andererseits hat aber „die Einstellung des Imports von Spirituosen nach Russland die Nachfrage nach ihn erhöht. Es erfolgte ein Einkauf auf Vorrat“. (An der Stelle sei präzisiert: Im März waren tatsächlich Informationen über die Entscheidung einzelner Hersteller, die geschätzte Marken produzieren, aufgekommen, wonach sie die Lieferungen von Erzeugnissen nach Russland einstellen.)

Vor dem Hintergrund der sozial-ökonomischen Krisentendenzen sei auch die Nachfrage nach Alkohol in die Höhe geschnellt, folgt aus einem Kommentar des Direktors des Zentrums für Untersuchungen des föderalen und der regionalen Alkohol-Märkte, Wadim Drobis. Es würden etwa die gleichen Einstellungen wirken wie auch bei den verstärkten Einkäufen von Zucker oder Graupen.

Auf dies verweisen auch Soziologen. „Die Nachfrage nach Alkohol konnte im Frühjahr in erster Linie im Zusammenhang mit den hektischen Einkäufen und der Angst, dass Importerzeugnisse verschwinden werden, zunehmen“, sagte der „NG“ die Projekt-Direktorin der Stiftung „Öffentliche Meinung“, Ludmilla Presnjakowa. „Zweitens haben die Menschen auf Vorrat eingekauft, um der Inflation vorauszukommen. Und drittens haben die Krisenerwartungen gleichfalls gewirkt. Gerade im März war der Höhepunkt der Besorgnis. Die Menschen hatten eine großangelegte Wirtschaftskrise, die mit den 90ern vergleichbar ist, erwartet. Und in der Situation solch einer Krise war, wie sich viele erinnern, Alkohol und insbesondere Wodka eine gewisse Art von Währung“.

Wie Wadim Drobis präzisierte, seien die Verkaufszahlen zwar angestiegen, aber doch nicht so grandios, wenn man sich beispielsweise an den Daten für die ersten vier Monate dieses Jahres orientiert. So haben insgesamt die Verkäufe alkoholischer Erzeugnisse in diesem Zeitraum um etwa vier Prozent zugenommen. „Dies sind die gesamten alkoholischen Erzeugnisse außer Bier und bierhaltige Getränke“, präzisierte der Experte.

Schaumweine und Sekt demonstrierten eine Zunahme der Verkäufe um etwa sechs Prozent, Wein aus Weintrauben – um fast vier Prozent. Laut einer Präzisierung des Experten hatten gerade etwa im April die Menschen vor dem Hintergrund der Situation mit dem Rubelkurs und dem Import begonnen, sich entsprechend den vorerst noch alten Preisen einzudecken. „Bei uns ist die Hälfte der Winzererzeugnisse eine importierte“, betonte Drobis. Im Endergebnis sind nach seinen Angaben nach zu urteilen, wenn man über die sogenannten stillen Weine aus Weintrauben spricht, die Verkäufe an teuren Qualitätsmarken spürbarer angestiegen – um acht Prozent.

Und wie der „NG“ der Präsident der Unternehmensgruppe „Abrau-Durso“, Pawel Titow, unter Berufung auf die Verkäufe über Handelsketten mitteilte, machte in ihrem Fall die Zunahme der Verkäufe alkoholischer Erzeugnisse in den ersten vier Monaten dieses Jahres 28 Prozent im Vergleich zum analogen Zeitraum des Jahres 2021 aus. „Zweifellos hängt sie mit dem Mangel ausländischer Weine in den Ladenregalen zusammen, aber auch mit der Anhebung ihrer Preise im Vergleich zu den einheimischen Erzeugnissen“, erläuterte Titow.

Daneben sind, wie Drobis mitteilte, die Verkäufe von Fruchtweinen im Zeitraum Januar-April dieses Jahres um 20 Prozent im Vergleich zum analogen Zeitraum des Vorjahres eingebrochen. Insgesamt aber sind die Verkaufszahlen für Winzererzeugnisse um mehr als sieben Prozent zurückgegangen. „In Russland verringert sich der Konsum von Winzererzeugnissen bereits das dritte Jahr in Folge“, sagte der Experte. Dies hänge mit der Situation um die weinhaltigen Getränke zusammen.

Obgleich die Verkaufszahlen im Falle der Spirituosen – dem Kommentar von Drobis nach zu urteilen – ordentlich angestiegen sind, und sogar mehr als gewöhnlich in einer Krise. Wenn man insgesamt von den Spirituosen spricht, so machte die Zunahme im Zeitraum Januar-April aufs Jahr hochgerechnet fast neun Prozent aus. Die Verkaufszahlen für Whiskey, Rum, Gin, Tequila usw. sind insgesamt um 24 Prozent in die Höhe gegangen. Hinsichtlich einzelner Positionen war die Dynamik solch eine: Die Wodka-Verkäufe nahmen um sieben Prozent zu, die von Whiskey – um 16 Prozent. Und schließlich demonstrierten die schwachalkoholhaltigen Getränke ein Wachstum um das 2fache.

„Romir“ ermittelte in der Gesellschaft eine große Nachfrage nach einer Einführung legaler Online-Verkäufe von Alkohol. Über 60 Prozent der Bürger Russlands hätten es gern, dass sich die Möglichkeit für Online-Bestellungen und die Anlieferung alkoholischer Getränke ergibt. Die Verbraucher erwarten solch eine Dienstleistungen von den entsprechenden Fachhändlern, von großen Lebensmittelgeschäften und Online-Plattformen.

In den zuständigen Institutionen unterstrich man: Gemäß der Gesetzgebung sei ein Fernhandel mit alkoholischen Erzeugnissen, darunter im Internet, verboten. „Zur gleichen Zeit wird gegenwärtig die Realisierung eines Experiments für den Fern-Verkauf russischer Weine durch die „Post Russlands“ diskutiert“, teilte man im Pressedienst des zuständigen Amtes für die Aufsicht über den Alkoholhandel „Rosalkogolregulirowanije“ mit.

Im Pressedienst des Finanzministeriums bestätigte man: „In diesem Jahr ist geplant, die Durchführung des Experiments mit der „Post Russlands“ zur Vornahme eines Einzelhandelsverkaufs von Wein, Dessert- und Schaumweinen, die aus Weintrauben hergestellt werden, die auf dem Territorium Russlands erzeugt wurden, zu beginnen“. Im Ministerium fügte man hinzu, dass „gegenwärtig durch die Gesetzesvorlage über die Durchführung des Experiments die Nutzung von Internetplattformen nicht vorgesehen ist. Die Möglichkeit einer Nutzung von Marketplaces wird im Verlauf dessen Durchführung geprüft“.

Wie Artjom Sokolow, Präsident der Vereinigung der Internet-Handelsunternehmen, der „NG“ mitteilte, seien mit der Aufhebung der regulierenden Einschränkungen für den Internethandel, die es nicht im gewöhnlichen Einzelhandel gibt, das heißt mit der Aufhebung des Verbots für den Alkohol-Online-Handel „heute große Erwartungen der gesamten Branche verbunden, darunter des Lebensmittelsegments“.

Die Hersteller halten gleichfalls die Idee für eine perspektivreiche, den Online-Handel zu legalisieren. „Verkäufe per Internet halten wir für eine sehr perspektivreiche Richtung, jedoch mit der obligatorischen Bedingung der Möglichkeit einer Verifizierung des Verbrauchers hinsichtlich des Alters“, sagte Pawel Titow.

„Die Arbeitsalgorithmen der Online-Einzelhändler erlauben insgesamt, diese Warengruppe unter Einhaltung aller Anforderungen der Gesetzgebung zu realisieren. Erforderlich sind jedoch noch die Ausarbeitung neuer normativer Akte und neue technologische Vorgehensweise“, betonte Sokolow. „Notwendig ist insbesondere eine vollständige Integration mit den modernen Informationssystemen „Einheitliches staatliches automatisiertes Informationssystem“ und „Einheitliches System zur Identifizierung und Authentifizierung““.

Wie Sokolow präzisierte, seine die Alkoholerzeugnisse praktisch die einzige Kategorie (es bleiben noch die rezeptpflichtigen Medikamente), die man derzeit nicht legal mit einer Lieferung nach Hause bestellen kann. „Derweil wird laut unterschiedlichen Berechnungen der illegale Alkoholumsatz im Internet auf eine Summe von fünf bis zehn Milliarden geschätzt. Und die Gesamtzahl der Ressourcen, die online diese Kategorie anbieten, beläuft sich auf rund 3000 Internetseiten“, teilte er mit.

Dieser Markt, der sich in der Grauzone befindet, findet unterschiedliche Formen, um das Gesetz zu umgehen. „Alkohol kann beispielsweise als ein Pfandgegenstand, als ein Geschenk beim Kauf unbedeutender Waren dargestellt werden. Das heißt, es wird jegliche Möglichkeit für eine Realisierung, die keinen offiziellen Kauf-Verkauf vorsieht, ausgenutzt“, erläuterte Sokolow. „Es ist klar, dass die Käufer dabei nicht begreifen, dass hinter den Bestellungen illegale Organisationen stehen, die keinerlei Verantwortung für die Qualität der Erzeugnisse tragen“.

„Die meisten existierenden Verkaufsformen per Internet sind illegal und ungesetzlich. Dementsprechend tragen die Verbraucher bestimmte Risiken. Sie sind nicht vor dem Kauf von Fälschungen oder Erzeugnissen, die unter unsachgemäßen Bedingungen gelagert wurden, versichert“, betonte Pawel Titow. „Bisher werden in Russland keine Käufe online vorgenommen, nur mit Hilfe einer Selbstabholung aus Geschäften von Handelsketten“, erläuterte der „NG“ auch Xenia Paisanskaja. Einzelne Internetplattformen bieten bereits die Möglichkeit eines Online-Bestellens von Alkohol mit einer Selbstabholung aus lizenzierten Vinotheken an (die Bezahlung der Bestellung erfolgt unmittelbar im Geschäft, vor dem Demonstrieren der Vitrine erkundigt sich der Händler nach dem Alter des Kunden).

„Unseres Erachtens wird die Aufhebung der regulierenden Restriktionen für diese Warengruppe die wirksamste Maßnahme für eine Reduzierung des unkontrollierten Umsatzes sein. Die Käufer werden Garantien für die Lieferung von Qualitätserzeugnissen erhalten. Und den Graubereich werden legale ehrliche Hersteller verdrängen“, fügte der Präsident der Vereinigung der Internet-Handelsfirmen hinzu.

„Ein Online-Verkauf von Alkohol ist in allen entwickelten Ländern inklusive der Staaten Nordeuropas mit einer strengen Antialkohol-Politik erlaubt“, fuhr Sergej Beljakow, geschäftsführender Direktor des Internet-Shops OZON, fort. „Die modernen IT-Lösungen erlauben, vollkommen den Weg der Waren bis zum Endverbraucher inklusive einer Überprüfung des Alters sowie der Zeit und des Ortes des Verkaufs zu verfolgen und zu kontrollieren. Die großen Online-Plattformen, darunter die Marketplaces, können vollkommen eine Transparenz und Gesetzlichkeit des Prozesses gewährleisten“.

Dabei werde nach seinen Worten unter den Bedingungen einer Verringerung des Sortiments an ausländischem Alkohol die Aufhebung des Verbots für den Online-Verkauf von Alkohol „unter anderen den kleinen russischen Wein-Erzeugern helfen, mit Hilfe der Marketplaces Zugang zu einem großen Absatzmarkt mit einer bereits integrierten Logistik zu erhalten“. Und für die Verbraucher wird ein maximal breites Sortiment von Winzererzeugnissen zugänglich, was „im Segment eine konkurrenzfähigere Preisbildung stimuliert“. „Außerdem werden die Verbraucher besser vor Fälschungen als heute bei einem illegalen Erwerb im Internet gesichert sein“, fügte Beljakow hinzu.

Und noch ein wichtiger Aspekt: Wie Sokolow mitteilte, „beeinflusst die Möglichkeit, Alkohol im Internet zu kaufen, nicht die Zunahme seines Konsums. Diese Tatsache bestätigen die Erfahrungen der Länder, in denen schon lange sein Online-Verkauf legalisiert worden ist. Dort hat sich einfach eine Umverteilung der Verbraucherströme von einem Kanal zu einem anderen vollzogen. Das heißt: Die Verbraucher erhielten eine maximale Auswahl hinsichtlich der für sie komfortablen Art und Weise, einen Einkauf vorzunehmen“. Wadim Drobis präzisierte, dass die Dienstleistung einer Online-Zustellung bei den materiell besser gestellten Verbrauchern wahrscheinlich zur gefragtesten werde.