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Die Kultur als Hauptvermittler von Patriotismus


Gesetze über eine patriotische Erziehung der Bürger werden schon lange ausgearbeitet, aber im vergangenen Jahr schenkt der Staat unter den Bedingungen der militärischen Sonderoperation in der Ukraine ihrer Umsetzung immer mehr Aufmerksamkeit. Die Kulturpolitik – im Doppelpack mit der Bildungspolitik – soll bei der Sache der „richtigen Erziehung“ des Volkes die erste Geige spielen. Die Unterzeichnung des Erlasses „Über die Bestätigung der Grundlagen der staatlichen Politik zur Bewahrung und Stärkung der traditionellen russischen geistig-moralischen Werte“ durch den Präsidenten wurde zu einem Fundament, auf das sich die legislative und exekutive Gewalt stützen. Und sie handeln abgestimmt und konsequent.

Personelle Umbesetzungen unter den Leitern kultureller Institutionen auf regionaler Ebene – de facto aufgrund politischer Motive – sind wie nie aktuell. Dabei zeichnen sich besonders Moskau und Nowosibirsk aus. In der sibirischen Millionenstadt wurde beispielsweise die Leitung von allen Schauspieltheatern ausgewechselt. In Moskau hat man die Verträge für die Direktoren des Theaters der Nationen (Maria Rewjakina) und der Tretjakow-Galerie (Selfira Tregulowa) nicht verlängert. Und in Petersburg ist Wladimir Gusjew, der Direktor des Russischen Museums, zu dessen Präsident ernannt. Zum Einsatz kam da der Mechanismus einer sanften Absetzung.

Das Kulturministerium konzentriert sich auf eine Funktion, die zur bestimmenden erklärt wurde, auf die patriotische Erziehung. Die Beamten haben ein Modell, auf das man sich stützen kann – auf die noch nicht gänzlich der Geschichte anheimgefallenen Mechanismen aus den Sowjetzeiten. Bereits im vergangenen Mai hatte der Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation, Nikolaj Patruschew, die Notwendigkeit signalisiert, ein staatliches Programm für die patriotische und geistige Erziehung zu entwickeln, das alle Etappen des Erwachsenwerdens und Reifens des Menschen erfasst. „Vorzusehen ist eine wesentliche Erweiterung der Dimensionen für den staatlichen Auftrag zur Schaffung literarischer und Kunstwerke sowie von Filmen und Fernsehprogrammen, die auf eine Bewahrung der historischen Erinnerungen, die Erziehung von Stolz auf unser Land und die Gestaltung einer reifen Zivilgesellschaft, die klar die Verantwortung für seine Entwicklung und sein Aufblühen begreift, abzielen“, sagte damals der 71jährige Patruschew.

Nach seiner Meinung könne man nur so den Herausforderungen des Westens Paroli bieten. Im November wurden die bereits erwähnten „Grundlagen …“ unterzeichnet, und Ende Januar hat der 70jährige Präsident noch Veränderungen an der Gesetzgebung vorgenommen. Die Zusätze betrafen die Gestaltung des staatlichen Auftrages für die Schaffung literarischer und Kunstwerke, die auf eine Bewahrung und Popularisierung der sogenannten traditionellen russischen Werte abzielen.

„Vor der Russischen Föderation steht die Aufgabe einer Bewahrung des Volkes Russlands, der Bewahrung der grundlegenden Werte und Prinzipien, auf denen sich die Einheit der russischen Gesellschaft gründet, sowie der Absicherung der weiteren Entwicklung des Landes als einen sozialen Staat, der eine Schutz der Menschenrechte und -freiheiten sowie die Anhebung der Lebensqualität der Bürger garantiert“, heißt es in dem Dokument.

Russlands Bildungsminister Sergej Krawzow erörterte bei einem Treffen mit Kulturministerin Olga Ljubimowa das Thema von Theaterinszenierungen für Werke aus dem Schulprogramm, wobei er direkt auf die Erfahrungen der UdSSR verwies. „Es wäre gut, zur sowjetischen Tradition zurückzukehren, als sich die Schüler im Theater Inszenierungen zur behandelten Klassik anschauten. Dies wird zur Motivation sowohl für ein Studium der Werke als auch für den Besuch von Theatern werden“, sagte Krawzow. Offensichtlich hatte der Minister Inszenierungen ohne eine Einbeziehung einer Autoren- (Regie-) Interpretation im Blick. Und er hätte wohl kaum als Vorbild beispielsweise die phantasiereiche Inszenierung „Puschkins Märchen“ von Robert Wilson im Theater der Nationen genommen.

Selbst die Tatsache, dass man sich der blödsinnigen Beschwerde eines empörten Besuchers über die Tretjakow-Galerie, in der von einer „pessimistisch eingestellten“ Ausstellung die Rede war, angenommen hatte, ist auch bezeichnend. Und nicht im Sinne der Schaffung eines Anlasses für eine Kündigung von Selfira Tregulowa, sondern in einem weiteren Sinne. Diejenigen, die die Erlaubnis gegeben hatten, den Brief publik zu machen, unterstützen augenscheinlich die Beanstandungen des Beschwerdeführers vom Wesen her und erteilen die Vorgabe: Jetzt sei keine Zeit für Pessimismus, man müsse frohgemuter und patriotischer leben.