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Die LVR sucht Schutz in einem Referendum


Die Ereignisse in den Donbass-Republiken und den ukrainischen Gebieten Cherson und Saporoschje entwickeln sich rasant. Vor allem in den letzten Tagen und Stunden – offensichtlich auch vor dem Hintergrund der Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte im Osten des Landes.

Am Montag hatte sich noch die Öffentliche Kammer der Lugansker Volksrepublik an das Oberhaupt der Region, Leonid Pasetschnik, mit der Bitte gewandt, unverzüglich ein Referendum über deren Anerkennung als Subjekt der Russischen Föderation durchzuführen. In dieser Erklärung war beinahe an erster Stelle das Streben ausgewiesen worden, das Territorium vor militärischen Handlungen zu schützen. Und die wurden gerade in diesen Tagen auch im Ergebnis einer Gegenoffensive der ukrainischen Militärs im Verwaltungsgebiet Charkow wiederaufgenommen. Die Öffentliche Kammer der Donezker Volksrepublik zog nach und verabschiedete eine analoge Entscheidung. In den ersten Stunden war aber nicht klar, ob dieser Appell zu einer Abstimmung zumindest mit den einheimischen Offiziellen abgestimmt war.

„Wir halten eine Willensentscheidung über eine unverzügliche Durchführung eines Referendums auf dem Territorium der LVR wie nie zuvor für eine zeitgemäße. Wir sind uns gewiss, dass die Initiative durch das Volk des Lugansker Gebietes vollkommen unterstützt wird. Und ein Beitritt zum Bestand der Russischen Föderation wird nicht nur zu einem Triumpf der historischen Gerechtigkeit, sondern wird das Territorium der Republik sichern sowie neue Möglichkeiten auf dem Weg zur Wiedergeburt und Wiederherstellung der Stärke unserer Region, deren Rückkehr zu einem vollwertigen friedlichen Leben eröffnen“, heißt es im Appell der Öffentlichen Kammer.

Der Leiter der Lugansker Öffentlichen Kammer, Alexej Karjakin, erläuterte: Wir hoffen, dass eine Antwort von Pasetschnik in aller nächsten Zeit folgen wird. Dabei unterstrich er, dass ein Referendum eine „Frage nicht eines Tages“ sei. Und daher sei es verfrüht, über irgendein bestimmtes Datum für dieses zu sprechen. In diesem Zusammenhang wurde in der Erklärung der Öffentlichen Kammer der LVR betont, dass die Kiewer Nationalisten alle roten Linien überschritten hätten.

Leonid Pasetschnik ließ sich nicht lange bitten und setzte auf den Volksrat der Republik. Der beschloss am Dienstag, dass vom 23. bis 27. September das entsprechende Referendum über einen Beitritt zu Russland erfolgen solle. Beobachter weisen darauf hin, dass die besten Voraussetzungen für solch ein Plebiszit gerade im Lugansker Gebiet bestehen würden, da es im Grunde genommen vollkommen durch die prorussischen Kräfte kontrolliert wird. Dies kann man von der Nachbarrepublik DVR nicht behaupten. Und dennoch hat sie gleichfalls beschlossen, vom 23. bis 27. September die Bewohner der Regionen an die Abstimmungsurnen zu rufen. Freilich bedeutet dies, dass nicht auf dem gesamten Territorium des Donezker Gebietes abgestimmt wird. Dort halten die Kämpfe an, fordern täglich neue Verluste.

Buchstäblich im Fahrwasser der Donbass-Republik meldeten sich die prorussischen Kräfte in den ukrainischen Verwaltungsgebieten Cherson und Saporoschje am Dienstag zu Wort. Auch sie wollen Referenda über einen Beitritt zu Russland. Daten sind nicht genannt worden, doch vollmundig erklärte man, dass bis zu 80 Prozent der stimmberechtigten Bürger ihr Votum abgeben würden. Der stellvertretende Chef der Militär- und Zivilverwaltung des Cherson-Gebietes, Kirill Stremousow erklärte bereits: Die Menschen wollen so schnell wie mögliche die Abstimmung, um Garantien für einen Beitritt zu Russland zu erhalten.

In Moskau scheint es, dass man etwas überrollt wurde von der rasante Entwicklung der Ereignisse. Aber Außenminister Sergej Lawrow erklärte am Dienstag im Kreml, dass die Initiative über die Abhaltung der Referenda von dem Wunsch der auf den Territorien der DVR und LVR sowie der Gebiete Cherson und Saporoschje lebenden Menschen zeuge, selbständig ihr Schicksal zu bestimmen. Wjatscheslaw Wolodin, der Vorsitzende des russischen Unterhauses erklärte laut der Nachrichtenagentur Interfax: „Wenn sie bei einem Plebiszit erklären, dass sie ein Teil Russlands sein wollen, so werden wir sie unterstützen“. Beifall folgte nach solchen markigen Worten des Staatsduma-Chefs.

In den nächsten Tagen werden also aus Moskauer Sicht historische Entscheidungen getroffen werden. Auf den russischen Landkarten für Europa werden neue Grenzen auftauchen, die jedoch weder von Kiew noch vom kollektiven Westen anerkannt werden. Es ist schwer, heute zu sagen, wie sich dies auf den Verlauf der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine in der nahen Zukunft auswirken wird. Deutliche Erfolge kann die russische Armee derzeit nicht vorweisen. In den Regionen des Landes versucht man, massiv Freiwillige-Bataillone aufzustellen. Eines ist aber sicher: Unter Präsident Wladimir Putin wird Russland diese Entwicklung nur begrüßen, denn die Idee von der russischen Welt wird eine neue Umsetzung erfahren. Das einstige Russische Imperium wird auf ukrainischem Territorium teilweise wiederaufleben. Selbst wenn dies mit neuen Schwierigkeiten verbunden sein wird. Schließlich werden die künftigen neuen russischen Regionen für viele Jahre am Tropf Moskaus hängen. Laut Meinungsumfragen sind die meisten Russen aber nach wie vor bereit, die damit verbundenen Entbehrungen zu dulden.

  1. S.

Bereits nach Redaktionsschluss für den vorliegenden Beitrag wurde bekannt, dass der Chef der Militär- und Zivilverteidigung des Gebietes Cherson, Wladimir Saldo, einen Erlass unterzeichnete, wonach in dieser Region auch vom 23. bis 27. September über einen Beitritt zu Russland abgestimmt werden soll. Ein gewagtes Unternehmen, wie Beobachter konstatieren, da die ukrainischen Streitkräfte nach wie vor sehr aktiv in diesem Gebiet handeln und den prorussischen Kräften das Leben schwer machen.