Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Die Menge des Weltraum-Mülls wird immer problematischer


Im kommenden Jahr ist geplant, dass ein automatischer Sammler für orbitalen Müll auf eine Erdumlaufbahn gebracht wird. Der Apparat ClearSpace-1, mit dessen Herstellung sich das schweizerische Startup-Unternehmen Clear Space befasst, soll zur ersten Mission für die Erfassung und Vernichtung von Weltraumschrott, der sich auf Erdumlaufbahnen befindet, werden. Und dies alles ist seriös: Die Europäische Raumfahrtagentur ESA hatte bereits im Jahr 2020 einen Vertrag für deren Start unterzeichnet.
Nach Aussagen des Experten des Internetportals www.sciencemag.org und von der Internationalen Akademie für Astronautik (IAA), Darren McKnight, würden uns, wenn die Raumfahrtagenturen nicht beginnen würden, schnell zu handeln, große Probleme erwarten.
Die Situation im Zusammenhang mit dem Müll im nahen Weltraum ist wirklich eine mehr als ernsthafte. Die Schätzungen für die Mengen des Weltraumschrotts differieren. Aber entsprechend jeglicher Berechnungen geht es um mehr als 30.000 große Fragmente (10 bis 20 Zentimeter), fast eine Million weniger große, aber dennoch gefährliche Fragmente mit einer Größe von mehr als einem Zentimeter sowie um 100 Millionen kleine Splitter mit einer Größe von mehr als einem Millimeter. Und dieser Müll-„Nebel“ im All wird für kosmische Apparate zu einem gefährlichen, darunter auch für orbitale bemannte Stationen – sowohl heutige als auch künftige.
Genau vor einem Jahr hatte das korrespondierende Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften und der wissenschaftliche Leiter des Akademie-Instituts für Astronomie, Boris Schustow, in einem Interview betont: „In den letzten Jahren hat die Anzahl der Satellitensysteme in der Welt erheblich zugenommen. Jedes verfügt hunderte bis tausende Satelliten. Das globale Satellitensystem Starlink hat beispielsweise bereits fast 5000 Satelliten im All. Und bis Ende dieses Jahrzehnts werde entsprechend unterschiedlichen Schätzungen die Anzahl der Satelliten auf erdnahen Umlaufbahnen 50.000 bis 100.000 ausmachen! Die Bevölkerung wächst, es nehmen die Bedürfnisse im Bereich des Fernmeldewesens und besonders auf dem Gebiet des Internetzugangs zu. Die Anzahl der Satelliten nimmt zu, die diese Serviceleistungen absichern. Und natürlich nehmen da auch die Risiken zu, die mit dem Auftauchen des technogenen Mülls verbunden sind“.
Es muss betont werden, dass die Risiken nicht nur eines Zusammenstoßens kosmischer Apparate mit Weltraumschrott zunehmen. Nicht weniger real ist die Situation, in der kosmische Apparate an sich miteinander kollidieren. So unterstrich Boris Schustow: „Starlink allein nimmt im Monat mehrere tausend Manöver vor, damit dessen kosmische Apparate ausweichen, um eine Kollision zu vermeiden. Mehrere tausend! Und dies ist im Großen und Ganzen ein ernsthaftes Problem. Bisher hat es keine Kollisionen von Starlink-Satelliten gegeben. Dies ist aber eine Sache der Zeit. Wenn sie 100.000 ausmachen werden, fürchte ich, dass es unmöglich sein wird, sie gänzlich zu vermeiden“.
In solch einer Situation kann das Kessler-Syndrom zur Wirkung kommen: Die Idee dahinter ist, dass die Anzahl der Satelliten und Trümmerteile in der Umlaufbahn eine Schwelle erreichen könnte, bei der Kollisionen zu häufig werden und neue Trümmerteile und damit neue Kollisionen entstehen. Diese Kettenreaktion könnte es unmöglich machen, neue Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen oder sogar Raumschiffe zu starten, bis die Trümmer wieder auf die Erde zurückfallen. Und da gibt es noch eine Astronomie-Statistik: Körper mit einer Größe bis zu einem Meter kollidieren im Durchschnitt alle ein, zwei Monate mit der Erde. Und im Weltraum bis zum Mond fliegen sie jeden Tag durch diesen, möglicherweise gar jede Stunde.
Es existieren gleichfalls Berechnungen für die Gesamtmasse des Weltraumschrotts auf Erdumlaufbahnen. Laut Angaben der russischen Weltraumagentur ROSKOSMOS, die freilich im Jahr 2021 veröffentlicht wurden, hatte sich zu jener Zeit Weltraumschrott mit einer Gesamtmasse von über 7.000 Tonnen auf Erdumlaufbahnen befunden. „Dies ist die Masse eines beladenen Güterzuges mit über 70 Waggons“, wurde zwecks Anschaulichkeit in einer entsprechenden Mitteilung von ROSKOSMOS präzisiert.
Entsprechend kosmischen Dimensionen sind dies scheinbar Peanuts – was sind denn schon 7.000 Tonnen? Doch das automatisierte System zur Warnung vor gefährlichen Situationen im erdnahen Weltraum erhält zwischen 3.000 und 10.000 Meldungen über ein gegenseitiges Nahekommen russischer kosmischer Apparate mit potenziell gefährlichen Objekten im Jahr.
Der Umfang des Weltraumschrotts nimmt zu! Es ist klar, dass die USA und Russland dabei vorerst den Hauptbeitrag leisten. Aber die übrige Welt verstärkt zusehends ihre „Müll“-Präsenz im All. So war bereits vor über zehn Jahren, im Jahr 2013, in einem Report des Zentralen Forschungsinstituts für Maschinenbau betont worden, dass China auf erdnahen Umlaufbahnen 3511 Fragmente gehören, die man zum Kosmos-Schrott rechnen könne. Zu jener Zeit hatten die übrigen Länder – mit Ausnahme Indiens (122) – weniger als 100 Müll-Objekte auf erdnahen Umlaufbahnen.
Interessant ist, wie sich der Müll nicht nur nach Fraktionen, sondern auch nach den Umlaufbahnen im Jahr 2013 unterschied. Auf mittleren Erdumlaufbahnen hatte Russland 152 Müllobjekte, die USA 44 und die Europäische Raumfahrtagentur zwei. Die anderen Länder und anderen Raumfahrtagenturen hatten keinen Müll auf diesen Erdumlaufbahnen.
Hinsichtlich der Verschmutzung der geostationären Erdumlaufbahnen waren die USA die Nr. 1 mit 386 Objekten kosmischen Mülls. Russland hatte 297. Dem Unternehmen Intelsat gehörten 50 Müll-Objekte. Insgesamt wurden auf diesen Erdumlaufbahnen 977 Müll-Objekte gezählt.
Auf den geosynchronen Umlaufbahnen haben nur die USA Müll – drei Objekte.
855 Objekte des russischen Weltraumschrotts befanden sich auf hohen elliptischen Erdumlaufbahnen. Auf denen waren auch 453 US-amerikanische Objekte, 377 französische und 100 chinesische. Insgesamt werden auf diesen Erdumlaufbahnen 1907 Objekte ausgewiesen.
Auf den hohen Erdumlaufbahnen gehörten 12 Müll-Objekte den USA, Russland vier und eines dem Intelsat-Konzern. Auf den geozentrischen Erdumlaufbahnen befinden sich 192 Objekte kosmischen Mülls. Davon sind 118 amerikanische, 49 russische und 13 japanische. Das heißt, wir haben es so mit einer tiefgestaffelten Anwesenheit von Kosmos-Schrott auf den Erdumlaufbahnen.
Bis zum Jahr 2020 hätte sich, wie der Direktor des Departments für strategische Planung und Organisierung der Raumfahrttätigkeit von ROSKOSMOS Jurij Makarow auf einer Tagung des Präsidiums der Russischen Akademie der Wissenschaften mitteilte, die „Zahl der Objekte von Kosmos-Schrott mit einer Größe von über einem Zentimeter laut verschiedenen Schätzungen auf 600.000 bis 700.000“ belaufen. Die Dynamik der Verschmutzung des Weltalls spricht also sozusagen für sich selbst.