Jegor Berojew hat viele Rollen. Aber in diesen Tagen fällt einem sein Held David Schwarz aus dem Film „Papa“ (russischer Spielfilm aus dem Jahr 2004 in der Regie von Wladimir Maschkow – Anmerkung der Redaktion) ein. Berojew in der Rolle eines verwundeten Offiziers liegt in einem Sanitätsbahnwaggon, und im Fieberwahn erscheint ihm der Vater, den Wladimir Maschkow spielt. Papa Abram Schwarz erzählt dem Sohn von den letzten Tagen der Juden des Örtchens Tultschyn. Wir sehen Szenen, wie Menschen mit an der Kleidung angenähten gelben sechszackigen Sternen sich langsam in einer Warteschlange vorwärtsbewegen.
Dies ist eine Warteschlange nicht in ein schickes Restaurant und nicht zu einem modischen Nachtklub. Die Menschen mit den gelben Sternen gehen zur Erschießung. Ja, die Nazis haben eine Rassensegregation vorgenommen. Sie hatten den Juden nicht erlaubt, auf Gehwegen zu laufen und nicht in Parks zu spazieren. Und ja, Restaurants für „Arier“ zu besuchen. Doch nicht darin bestehen die Schrecken des Holocausts. Sie bestehen in der totalen Vernichtung von Menschen aufgrund der Nationalität. Nicht weil sich die Menschen weigerten, eine Impfung vornehmen zu lassen. Oder gar die Überzeugungen zu änderten. Sechs Millionen Menschen vernichtete man deswegen, was die Opfer des Genozids in sich in keiner Weise ändern konnten. Wegen ihrer Herkunft. Über diese Menschen wurde der Film „Papa“ gedreht, in dem Jegor Berojew so eindringlich spielte.
Den Opfern des Holocausts hatte man nicht die Restaurantgerichte genommen. Man vergiftete sie mit Gas und verbrannte sie dann in den Öfen von Auschwitz. Oder verscharrte sie in Massengräbern wie im Kiewer Babyn Jar. Mitglieder der Beerdigungskommandos, die überlebt hatten, erinnerten sich, wie man sie im darauffolgenden Jahr zwang, diese Gräber freizuschaufeln. Und sie aßen heimlich verrottendes Leichenfleisch. Solch ein Hunger herrschte unter den Häftlingen der Konzentrationslager. Und nicht, weil man sie nicht in die Cafés für die SS-Leute gelassen hatte.
Ja, man kann verstehen, dass sich in der Künstlerwelt, im Bewusstsein der delikaten Diener von Melpomene die blutige Geschichte mit Glamour vermischte, mit protzigen Präsentationen von Premieren, wo sich das Thema des Holocausts zu einer Eintrittskarte in die Welt des respektablen Kinos verwandelt hatte. Daran haben natürlich diejenigen Schuld, die den größten Genozid in der Geschichte als ein unumgängliches Attribut der Demagogie, als ein Instrument politischer Manipulationen ausnutzen. Das kleinste Ungemach, eine geringe Beeinträchtigung von Rechten erklärt man sofort als einen neuen „Holocaust“.
Jegor Berojew sagte, dass er sich dafür schäme, dass die Streitereien aufgrund der Vakzinierung die „Nachfahren der Sieger“ veranstaltet hätten. Die Demonstrationen jener, die im Westen kategorisch keine Vakzinierung durchlaufen wollen, unter anderem in Deutschland, bestehen jedoch vor allem gerade aus den „Nachfahren der Besiegten“. Nicht im Familien-, sondern im weltanschaulichen Sinne. In der Avantgarde der COVID-Dissidenten-Bewegung sind Teilnehmer ultrarechter Gruppen. Wie auch vor 80 Jahren sehen sie im Fortschritt, in der Wissenschaft, im Humanismus und in der gegenseitigen Verantwortung eine weltweite unheilvolle Verschwörung. Und dabei verweisen sie auf die Freiheit – genauso hatte auch Hitler über die Freiheit der stolzen nordischen Völker von der jüdischen Plutokratie gesprochen.
Aber das macht nichts, es werden noch Bankettsäle geöffnet. Es wird viele Präsentationen von Filmen geben, darunter auch über den Holocaust. Da wird alle Gäste – sowohl die ungeimpften als auch die geimpften – eine Fülle von auserlesenen Snacks erwarten. Und, wie ein böser Scherz besagt, „wird der erste Toast auf den Holocaust erfolgen“…