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Die neuen russischen Territorien – unter dem Druck der ukrainischen Streitkräfte


Ungeachtet des Zustroms einberufener Reservisten in die Zone der Kampfhandlungen bleibt die Situation an den Fronten der Sonderoperation in der Ukraine für die russische Armee und ihre Verbündeten eine äußerst schwierige. Die ukrainischen Streitkräfte setzen im Verwaltungsgebiet Cherson, aber auch in den Richtungen Lugansk und Charkow weiterhin aktiv die Offensive fort. Der Präsident der Ukraine, Wladimir Selenskij, hat derweil die Entscheidung des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung in Kraft gesetzt, wonach die Durchführung von Verhandlungen mit dem Staatsoberhaupt der Russischen Föderation, Wladimir Putin, nicht möglich sei.

Die USA bereiten sich vor, den ukrainischen Streitkräften weitere vier HIMAR-Mehrfachraketenwerfer-Systeme und andere Waffen über 625 Millionen Dollar bereitzustellen.

Und die Europäische Union wird Kiew in den nächsten Monaten eine Haushaltshilfe im Umfang von fünf Milliarden Euro zur Verfügung stellen und beabsichtigt, die militärische Ausbildung ukrainischer Soldaten und Offiziere fortzusetzen. Wie der stellvertretende Vorsitzende der Europäischen Kommission Valdis Dombrovskis mitteilte, werde ein Teil der EU-Hilfe der Ukraine bereits Mitte Oktober bereitgestellt werden, und der Rest – im November und Dezember. Es sei angemerkt, dass US-Präsident Joseph Biden dieser Tage die Bereitstellung von zwölf Milliarden Dollar Finanzhilfe für die Ukraine unterstützt hatte. 4,5 Milliarden Dollar sollen für die Bedürfnisse des ukrainischen Staatshaushaltes genutzt werden.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters meldete, würden die Vereinigten Staaten bereits in der nächsten Zeit der Ukraine zusätzliche HIMARS-Systeme, aber auch 200 taktische Radfahrzeuge MRAP (Mine Resistant Ambush Protected-Vehicles; deutsch: Minen widerstehende und Hinterhalt-geschützte Fahrzeuge) sowie Munition für Haubitzen und Minen übergeben. Laut Angaben der Agentur könne die neue Technik Kiew bereits Mitte Dezember übergeben werden, das heißt zum Beginn einer möglichen Offensive der russischen Armee.

„Es scheint, dass der Konflikt in der Ukraine lange andauern wird, da die USA beabsichtigen, auch weiterhin die ukrainischen Streitkräfte mit neuen Waffen und neuer Munition zu versorgen“, erklärt der „NG“ der Militärexperte und Oberst im Ruhestand Nikolaj Schulgin. „Buchstäblich in der vergangenen Woche haben die Offiziellen der USA beschlossen, für die Ukraine in ihren Rüstungsbetrieben weitere 18 HIMARS-Mehrfachraketenwerfer für 1,1 Milliarden Dollar zu fertigen. Die Lieferungen werden bereits im Jahr 2023 erwartet. Und dies, obwohl sich in der Bewaffnung der ukrainischen Streitkräfte schon 26 Mehrfachraketenwerfer-Systeme, darunter 16 HIMARS-Systeme und zehn analoge M270-Systeme aus US-amerikanischer Produktion, befinden, die Großbritannien und Deutschland geliefert hatten“.

Schulgin lenkt das Augenmerk darauf, dass Kiew den friedensstiftenden Initiativen des berühmten Milliardärs Elon Musk kein Gehör schenkte, da es eine erhebliche militärische Unterstützung der USA und anderer NATO-Länder bekommt. „Der Appetit Kiews nimmt zu, und laut Angaben von CNN habe die Ukraine bereits die USA gebeten, ihr ATACMS-Raketen großer Reichweite zu übergeben, die in der Lage sind, Ziele in einer Entfernung von rund 300 Kilometern zu vernichten. Und Kiew werde angeblich mit Washington die Ziele abstimmen, gegen die aus diesen Waffen Schläge geführt werden. Die Vereinigten Staaten prüfen bisher diesen Vorschlag. Im Großen und Ganzen hindert sie aber nichts daran, sie Kiew zur Verfügung zu stellen, wenn sie alles kontrollieren werden. Faktisch nehmen die Amerikaner bereits an dem Krieg teil. Dabei werden die ukrainischen Streitkräfte imstande sein, in der Tiefe Russlands Ziele zu vernichten, das Territorium der Krim zu beschießen usw.“, betont der Experte und wiederholt ein Narrativ, das vom Kreml und den staatlichen russischen Medien stets und ständig vermittelt wird.

Dabei setzen die ukrainischen Streitkräfte im Donbass — Meldungen in den Medien und sozialen Netzwerken nach zu urteilen – weiterhin die Offensive entlang des Oskol-Stausees in Richtung Swatowo fort, nachdem Lyman eingenommen wurde. „Angesichts des Fehlens eines natürlichen Wasserhindernisses wird es für die Einheiten der Russischen Föderation schwieriger, den Frontabschnitt im Bereich Swatowo-Kremennaja zu halten. Es ist aber noch möglich“, resümieren die Kommentatoren des Telegram-Kanals „Rybar“. Sie betonen auch, dass die Wahrscheinlichkeit eines Durchbruchs der ukrainischen Streitkräfte entlang dem Dnepr nach Nowaja Kachowka und einer Einkreisung der Gruppierung der Streitkräfte der Russischen Föderation dort bestehe. Bisher sind die ukrainischen Truppen am Dudtschany-Stausee gestoppt worden. Militärexperten sagen voraus, dass die ukrainischen Streitkräfte in den nächsten Wochen die Offensive wahrscheinlich fortsetzen würden.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte, in Russlands Streitkräften seien per 4. Oktober bereits 200.000 Reservisten eingetroffen, die man auf 80 Truppenübungsplätzen und in sechs Ausbildungszentren schulen werde. Am Tag der Bekanntmachung der Teilmobilmachung, am 21. September, hatte der Chef des Verteidigungsministeriums gesagt, dass geplant sei, 300.000 Männer durch die Mobilmachung zu erfassen.

Ein weiteres Mal beklagend, dass die Mobilmachung in Russland äußerst spät begonnen hätte, hat der Ex-Verteidigungsminister der DVR, Igor Strelkow, seine Prognose abgegeben: „Die verlorenen Monate kann man nicht wettmachen. Es werden noch mehrere Wochen vergehen, in denen wir imstande sein werden, sich nur zu verteidigen und auf den kontrollierten Territorien den Rückzug anzutreten. Die bisher (im Rahmen der Mobilmachung) zusammenzuführenden Reserven sind heutzutage nicht bereit, um eingesetzt zu werden“.

Der einstige Befehlshaber der 58. Armee, der Staatsduma-Abgeordnete von der Kremlpartei „Einiges Russland“, Andrej Guruljew, ist der Auffassung, dass man durch die einberufenen Reservisten „den zeitweiligen Personalmangel an der vordersten Frontlinie beheben“ müsse. „Wir brauchen keine neuen Armeen. Aber die Armeen muss man mit neuen Divisionen auffüllen. Aber die neuaufzustellenden Truppenteile brauchen einen Monat, um sich vorzubereiten. Bis zum 1. November werden wir aufgestellte Truppenteile erhalten. Um aber ein Regiment an die Front zu schicken, zum Beispiel aus Tschita, werden 20 bis 25 Tage gebraucht. An der Front werden all diese Kräfte bis zum 1. Dezember konzentriert werden, wenn man optimistisch in die Zukunft schaut“, prognostiziert Guruljew.

Somit werden, wie Experten eindeutig erklären, die Verbände der Streitkräfte der Russischen Föderation, die im Ergebnis der Mobilmachung geschaffen werden, erst zum Beginn des Winters irgendwelche Ergebnisse an den Fronten demonstrieren. Dabei besteht die Gefahr, dass die ukrainischen Streitkräfte bis zu dieser Zeit neue russische Territorien bzw. ehemalige ukrainische Gebiete besetzen können. Und die USA und andere Länder sind nach wie vor bereit, der Ukraine dabei keine geringe Hilfe zu gewähren.