Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Die Opposition attackiert Paschinjan mit Auto-Korsos


Die oppositionelle „Widerstandsbewegung“ organisierte am 12. Mai in verschiedenen Stadtbezirken der Hauptstadt Jerewan Auto-Korsos. Nach Aussagen des stellvertretenden Vorsitzenden des armenischen Parlaments von der Opposition, Ischchan Sagateljan, sei in der gegenwärtigen Etappe das Hauptziel, die Anzahl der Teilnehmer der Protestaktionen zu erhöhen. Am Donnerstag veranstalteten die Gegner der Offiziellen ein neues Meeting auf dem Frankreich-Platz, auf dem seit dem 1. Mai ununterbrochene Protestaktionen erfolgen.

Ungeachtet aller Anstrengungen, die sowohl in Jerewan als auch in den Regionen unternommen werden, und dem organisierten Transport von Einwohnern aus den Verwaltungsgebieten Armeniens in die Hauptstadt gelingt es der Opposition in keiner Weise, auch nur eine minimal kritische Anzahl derjenigen zusammenzubekommen, die über die Herrschaft von Premier Nikol Paschinjan unzufrieden sind. Im Grunde genommen kann es vielleicht auch viele in der Republik geben, die über ihn ungehalten sind, doch die Ablehnung gegenüber den Ex-Präsidenten Robert Kotscharjan und Sersch Sargsjan, die hinter der „Widerstandsbewegung“ stehen, machen diese Unzufriedenheit zunichte. Selbst ungeachtet dessen, dass sich Kotscharjan und Sargsjan von einer Führungsrolle distanzieren, wobei sie sich bemühen, sich als einfache Bürger auszugeben, die sich um das Schicksal von Armenien und Arzach (eigene Bezeichnung von Bergkarabach) Sorgen machen. Möglicherweise ist solch ein Vorgehen ihrerseits ein richtiges, aber nicht ohne Makel. Die formal anderen Teilnehmern der „Widerstandsbewegung“ eingeräumte Führungsrolle rechtfertigt sich nicht. Die einen sind erschreckend emotional, andere dagegen unzureichend energisch.

Aber noch wichtiger ist dies, dass die Opposition, die Paschinjan und sein Team aufgrund des Misserfolgs im 44-Tage-Krieg, des Abgehens von den nationalen Interessen und eines Verrats bei den Verhandlungen mit Aserbaidschan und der Türkei kritisiert, vom Wesen keine Alternative unterbreitet. Dies bestärkt die Vermutung der Gesellschaft, dass die „Widerstandsbewegung“ im Großen und Ganzen einen Kampf um die Macht führe und den Versuch unternehme, Nikol Paschinjan abzusetzen.

Das von der „Widerstandsbewegung“ veröffentlichte Programm ist natürlich ein hehres. Das Ziel ist die Errichtung eines starken Armeniens. Für dessen Erreichen müsse eine Herrschaft etabliert werden, die die türkisch-aserbaidschanische Aggression zügelt, das System der Sicherheit für Armenien und Arzach modernisiert, die Streitkräfte wiederherstellt, eine Rückkehr der Kriegsgefangenen und Geiseln aus Aserbaidschan gewährleistet, jeglichen Status von Arzach im Bestand von Aserbaidschan ausschließt, auf Transportkorridore nach unfreundlichen Ländern über das Territorium Armeniens verzichtet, aber auch zu einer unbedingten Anerkennung der Tatsache des Genozids gegenüber den Armeniern im Osmanischen Reich in jeglichem Abkommen zurückkehrt. Laut Behauptungen der Opposition habe sie 250 Spezialisten, die in der Lage seien, Armenien aus der Krise herauszuführen. Wer diese Menschen sind, ist unbekannt. Ihre Namen wird die „Widerstandsbewegung“ erst nach einem Machtwechsel bekanntgeben.

In diesem Programm gibt es scheinbar nichts Staatsfeindliches. Es gibt aber keinerlei Andeutung hinsichtlich eines Mechanismus für seine Umsetzung. Und dies verwandelt das vorgelegte Dokument in eine Art Sammlung von Versprechen und Absichten, was etwas anderes als ein konkretes politisches Programm ist.

Nach Aussagen des Politologen Suren Surenjanz ähnele dies alles einer Verhöhnung. „Die Namen von 250 Rettern zu verheimlichen, ist eine Veralberung der Gesellschaft. Es gibt zwei Varianten: Entweder gibt es in dieser Liste „abgelehnte Personen“ und die Opposition befürchtet, dass die Bekanntgabe ihrer Namen die Anzahl der eigenen Anhänger verringern wird. Oder es erfolgt in der Führungsriege der Opposition ein harter Kampf, und sie können keinerlei gemeinsame Entscheidung erreichen“, zitiert das regionale Internetportal JAM-News Surenjanz.

Die letzten Protestaktionen der Opposition in Jerewan erfolgten in Abwesenheit des Hauptadressaten. Premierminister Nikol Paschinjan befand sich zu einem Besuch in den Niederlanden. Allerdingst hat ihn der Protest auch dort erwischt. Eine Gruppe von Vertretern der armenischen Community empfing ihn mit Losungen, die weit von den entsprechenden Gesetzen der Gastfreundschaft entfernt waren.

Paschinjan hatte in Den Haag an der Einweihung eines Chatschkars, eines traditionellen armenischen, aus einem Stein herausgeschnittenen Kreuzes teilgenommen. Er hielt gleichfalls einen Vortrag im Niederländischen Institut für Internationale Beziehungen Clingendael (oder Clingendael Institute, eine niederländische Denkfabrik und Akademie für internationale Beziehungen – Anmerkung der Redaktion). Bei der Beantwortung von Fragen des Publikums nach dem Vortrag lenkte er das Augenmerk auf die aggressive Politik Aserbaidschans in Bezug auf Armenien und Bergkarabach.

„Leider verfolgt Aserbaidschan weiterhin eine aggressive Politik gegen Armenien und Arzach. Sie wissen, dass sich in Bergkarabach ein russisches Friedenskontingent befindet, und die Hauptaufgabe der aserbaidschanischen Diplomatie besteht im letzten Monat in einem Überzeugen der internationalen Staatengemeinschaft davon, dass Armenien ein prorussischer Staat sei. In Russland selbst aber behauptet man gleichzeitig, dass Armenien ein prowestlicher sei. Mitunter sagt man, dass die Regierung in Armenien, die durch den Westen durch eine „bunte Revolution“ eingesetzt worden sei, gegen Russland agiere“, erklärte Paschinjan als Antwort auf eine Frage der Zuhörer. Nach Aussagen des armenischen Regierungschefs sei das Ziel dieser Erklärungen ein Aufzwingen der aggressiven Politik Aserbaidschans gegenüber Armenien sowohl dem Westen als auch Russland. „Armenien ist ein strategischer Verbündeter Russlands, ein Mitglied der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit und der Eurasischen Wirtschaftsunion. Andererseits werden die Beziehungen zwischen Armenien und den Ländern der EU vertieft, denn die EU ist der Hauptpartner Armeniens auf dem Gebiet demokratischer Reformen“, sagte Paschinjan. Nach seinen Worten verfolge Jerewan eine ausgewogene Politik. Und das Ziel seiner Regierung sei die Verteidigung der nationalen Interessen Armeniens.

Seine Wertung hinsichtlich des Geschehens in der Republik gab auch der erste Präsident Levon Ter-Petrosjan an. Nach seinen Worten sei an Nikol Paschinjan das Etikett „Kapitulant“ haften geblieben. Dies sei aber die halbe Wahrheit. Tatsächlich habe nicht er, sondern Armenien kapituliert. Paschinjan hätte lediglich die Kapitulationsurkunde unterzeichnet. Ter-Petrosjan ist der Auffassung, dass jeder an der Stelle von Paschinjan – Robert Kotscherjan, Sersch Sargsjan oder Ischchan Sagateljan – gehorsam die Entscheidung akzeptieren werde, die Armenien aufgezwungen werde. „Dementsprechend besteht das Problem nicht in der Person des Führers von Armenien. Wenn diese Wahrheit nicht klar wird und die innenpolitischen Erschütterungen andauern werden, werden die uns aufgezwungenen Entscheidungen schmerzhaftere sein“, betonte Levon Ter-Petrosjan, wobei er unterstrich, dass, wenn die derzeitigen Oppositionsführer dies nicht begreifen, dies bedeute, dass sie in der Politik keine Ahnung hätten. „Wenn sie aber begreifen, aber weiterhin Erschütterungen verursachen, bedeutet dies, dass sie andere Ziele haben, die nichts mit den nationalen Interessen gemein haben. Ich rechne noch damit, dass die Seiten