Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Die Opposition befürchtet, dass Weißrusslands Armee in die russische Sonderoperation in der Ukraine hineingezogen wird


Die in Sankt Petersburg stattgefundenen Gespräche der Präsidenten Russlands und Weißrusslands galten sehr unterschiedlichen Fragen – von der Errichtung eines weißrussischen Ostsee-Hafens bis zur nuklearen Konfrontation mit dem Westen. Bekannt wurde, dass Minsk von Moskau „Iskander“-Raketen erhalten wird. Die weißrussische Opposition diskutiert aktiv die Wahrscheinlichkeit dessen, dass Lukaschenko eine Entscheidung über die Teilnahme der Landesarmee an der sogenannten russischen Sonderoperation in der Ukraine trifft. Dennoch scheint diese Perspektive vorerst eine wenig wahrscheinliche zu sein.

Das Programm für den Aufenthalt von Alexander Lukaschenko im Venedig des Nordens war ein recht volles. Er besuchte unter anderem den Hafen, den Weißrussland entsprechend einer Vereinbarung der beiden Präsidenten nutzen wird.

Lukaschenko teilte Wladimir Putin mit: „Ich weilte in Bronka, dort, wo wir planen, einen weißrussischen Hafen zu bauen. Danke für die Unterstützung. Sie haben das Bauvorhaben gebilligt. Ich habe mir das angesehen. Für mich war es sehr angenehm zu sehen, was Kronstadt darstellt. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen“. Und er betonte besonders: „Uns ist der Ort recht, der durch Sie ausgewiesen wurde und unterstützt wird. Der Ort ist ein guter. Wir beginnen bereits ein wenig, dorthin Mineraldünger zu verladen. Ich denke, dass dort der leistungsfähigste Hafen sein wird. Möglicherweise wird er selbst uns nicht reichen. Aber, wie wir vereinbart haben, werden wir dort sehen… Wenn nötig, werden wir ihn erweitern“.

Gesprochen haben die Präsidenten auch über ein Problem, das Alexander Lukaschenko besonders beunruhigt. Weißrusslands Präsident betonte: „Unser traditionelles Thema ist die Importsubstitution. Wir haben 15 große Projekte vorgeschlagen. Die russische Seite hat sie gebilligt. Sie haben uns hinsichtlich einer gemeinsamen Finanzierung dieser Vorhaben unterstützt. Wenn es weiter so gehen wird, wie wir geplant haben, werden wir in der nächsten Zeit beginnen, Erzeugnisse herstellen, die Importe ersetzen“.

Lukaschenko bekundete außerdem den Wunsch Weißrusslands, den Status des Landes in der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit zu erhöhen. Und er wandte sich diesbezüglich an Wladimir Putin: „Ich möchte mit Ihnen bezüglich der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit sprechen, in der wir Beobachter sind. Möglicherweise – wir werden uns beraten – werden Sie eine Aufwertung, eine Erweiterung unseres Status unterstützen. Es ist bereits nicht wenig Zeit ins Land gegangen. Ich denke, dass wir dort keine unnötigen sein werden“.

Wadim Moscheiko, Analytiker des Weißrussischen Instituts für strategische Forschungen, kommentierte so diese Initiative gegenüber dem Internetportal „Malanka-Media“: „Belarus versucht, sich nicht nur auf Russland umzuorientieren, sondern auch auf Länder Asiens, insbesondere auf China. Belarus befasst sich damit nicht aufgrund eines guten Lebens. Nicht, weil dies besondere perspektivreiche Plätze sind, wo man auf die Weißrussen sehr wartet und wohin es für Belarus leicht sein wird, Waren zu exportieren, sondern weil die traditionellen Absatzmärkte geschlossen sind. Geschlossen sind Europa und Amerika“.

Der Experte ist der Auffassung, dass Weißrussland für China bereits nicht besonders interessant sei. Vor einigen Jahren hatte sich Minsk als ein Logistik-Hub und Transitweg nach Europa positioniert. Die Sanktionen haben jedoch die Situation grundlegend verändert. Der Analytiker ist der Annahme: „Bisher haben wir gesehen, dass es weitaus mehr Erklärungen als praktische Ergebnisse gibt. Möglicherweise wird eine Mitgliedschaft in der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit, wenn sie freilich passiert, der Entwicklung irgendwelche neue Impulse verleihen. Der Handel ordnet sich aber den geschäftlichen Interessen und nicht den Anweisungen von Beamten unter“.

Die spektakulärsten Erklärungen wurden aber bei den bilateralen Gesprächen im Zusammenhang mit der Konfrontation mit dem Westen abgegeben. Lukaschenko unterstrich: „Uns beunruhigen sehr die Fragen der Trainingsflüge von Flugzeugen der USA und der NATO, die trainieren, nukleare Sprengköpfe zu transportieren. Dies versetzt uns sehr in Spannungen. Daher bitte ich Sie, die Frage einer symmetrischen Antwort auf diese Sachen zu prüfen. Ohne ein Überziehen. Sie trainieren, Kernsprengköpfe zu tragen. Helfen Sie uns bitte, zumindest unsere Flugzeuge anzupassen, die wir haben und die nukleare Ladungen/Gefechtsköpfe tragen können“.

Als Antwort auf diese Besorgnis versprach Putin, auf entsprechende Art und Weise die weißrussische Gruppierung von Su-25-Flugzeuge umzurüsten. „Im Verlauf der nächsten Monate werden wir Belarus taktische „Iskander-M“-Raketenkomplexe übergeben, die bekanntlich sowohl ballistische als auch Flügelraketen einsetzen können. Und dabei sowohl in einer konventionellen als auch in einer nuklearen Vision“. Alexander Lukaschenko bekundete als Antwort volle Genugtuung.

Derartige Gespräche beider Staatschefs provozieren in den Medien unterschiedlicher Länder die Erörterung der Wahrscheinlichkeit einer engeren Zusammenarbeit von Weißrussland und Russland im militärischen Bereich, die sich in einer Beteiligung von Minsk der russischen Sonderoperation in der Ukraine verwirklichen werde.

Der Politologe Valerij Karbalewitsch kommentierte in einer Sendung des YouTube-Kanals „Current Time“ (der in Russland als ein ausländischer Agent eingestuft worden ist) eine derartige Variante so: „Aus militärischer Sicht belegen jene ständigen Manöver und Trainings, das Versetzen in den Zustand einer Gefechtsbereitschaft, der Übergang vom Regime der Friedens- zur Kriegszeit in den Truppen… All dies belegt, dass die weißrussische Armee durchaus dazu bereit ist, wirklich eine aktivere Teilnahme zu beginnen. Es erfolgt eine politisch-propagandistische Vorbereitung. Lukaschenko erklärte in der vergangenen Woche, dass Polen die Westukraine erobern wolle, dass die „Polen Belarus umstellen wollen und wir dies nicht zulassen können“. All diese Faktoren sind recht bedrohliche. Gebraucht wird aber eine politische Entscheidung. Und diese Entscheidung wird in Belarus ein Mann treffen. Von was für Faktoren die Annahme seiner Entscheidung abhängen wird, kann man nur annehmen… Das Wichtigste ist die negative Haltung der weißrussischen Gesellschaft zu einer Beteiligung von Belarus. In der sehr tief gespaltenen weißrussischen Gesellschaft gibt es zu dieser Frage einen Konsens“.