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Die OVKS wird Russland bei der Sonderoperation nicht helfen


Die USA verstärken nicht nur in der Ukraine ihren Einfluss, sondern auch im gesamten postsowjetischen Raum. Laut Medienberichten werde im US-Senat eine Gesetzesvorlage behandelt, die ein neues System für langfristige Waffenlieferungen an die Verbündeten der Vereinigten Staaten, von denen die wichtigsten im postsowjetischen Raum derzeit Länder der GUS und die Ukraine sind, vorsieht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Militärhilfe aus den USA auch konkrete Länder – Verbündete der Russischen Föderation aus der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS) – erhalten werden.

In den letzten Wochen waren gleich mehrere Konflikte registriert worden – zwischen Armenien und Aserbaidschan, aber auch zwischen Kirgisien und Tadschikistan -, bei deren Regulierung die vor allem von Moskau bestimmte OVKS nur einen minimalen Beitrag leistete. Die USA aber bemühen sich in Zentralasien und im Transkaukasus wie auch in der Ukraine, ihren Einfluss zu verstärken.

Medien berichteten, dass die US-Senatoren, die Mitglieder des Streitkräfteausschusses Jeanne Shaheen und Thom Tillis, den Entwurf eines Dokuments über die Bildung eines Fonds für den Erwerb wichtiger Munition (Critical Munitions Acquisition Fund — CMAF) vorgelegt hätten, der (der Fonds) „den Vereinigten Staaten erlauben wird, Verbündeten militärische Hilfe ohne eine Reduzierung der eigenen Reserven zu gewähren“. Nach Aussagen von J. Shaheen „ist es wichtig zu sichern, dass die USA unsere demokratischen Verbündeten effektiv unterstützen können, wobei sie unsere eigenen Militärreserven unter den Bedingungen der Krise bewahren“.

„Derzeit erfolgen die Munitionslieferungen an die Verbündeten, unter anderem in die Ukraine, in der Regel aus den Depots des Pentagons“, betont der Militärexperte und Oberst im Ruhestand Nikolaj Schulgin. „Nach der Schaffung des CMAF werden die USA dies aus dem von ihnen geschaffenen Fonds tun. Ich denke, dass die Umfänge der Militärhilfe der Amerikaner für Kiew nach wie vor umfangreiche sein werden“. Der Experte lenkte das Augenmerk darauf, dass laut Pentagon-Angaben die USA in diesem Jahr bereits 142 Artilleriesysteme und über 660.000 Geschosse und Raketen für diese an die Ukraine geliefert haben. Vom kontinentalen Teil sind durch die USA auch 47.000 mobile Raketenkomplexe für die Bekämpfung gepanzerter Ziele, über 1400 mobile Luftabwehrraketenkomplexe, 15 Hubschrauber, 42 Radaranlagen, 10.200 Maschinenpistolen und Pistolen, rund 63,8 Millionen Schusswaffenpatronen und 18 Patrouillen-Schnellboote nach Europa gebracht worden. „Dank dieser Hilfe führt Kiew auch aktive Kampfhandlungen gegen die russischen Truppen. Es sei angemerkt, dass die Russische Föderation Verbündete hat, beispielsweise im Rahmen der OVKS. Aber keiner von ihnen hilft Russland, und die Organisation an sich hilft Russland in militärischer Sicht nicht bei der Durchführung der Sonderoperation“ jammerte Schulgin, der im gleichen Atemzug vergisst, dass die Ukraine eigentlich auch ein Recht auf Selbstverteidigung hat.

Dabei hat in der letzten Woche in den Verwaltungsgebieten Schambyl und Almaty (im Süden und Südosten von Kasachstan) eine Serie von Manövern der kollektiven Kräfte für ein operatives Reagieren der OVKS – „Zusammenwirken-2022“, „Suche-2022“ und „Echelon-2022“ – begonnen, deren aktive Phase am Montag aufgenommen wurde. Wie der Vereinigte Stab der OVKS mitteilte, sehe die Kommando-Stabsübung „Zusammenwirken-2022“ „das Abarbeiten von Fragen der Vorbereitung und Durchführung einer gemeinsamen Operation zur Lokalisierung eines bewaffneten Konflikts in der zentralasiatischen kollektiven Sicherheitsregion vor“. Dieses Thema ist ein aktuelles, da an der Grenze von zwei Mitgliedsländern der Organisation – Kirgisien und Tadschikistan – ein Grenzkonflikt schwelt. Aber die kollektiven Kräfte für ein operatives Reagieren haben nicht real an seiner Beilegung teilgenommen. Am 26. September hatte der Pressesekretär der OVKS, Wladimir Sainetdinow, lediglich erklärt, dass man im Sekretariat der Organisation die Unterzeichnung eines Protokolls zur Stabilisierung der Situation in den Grenzgebieten beider Länder durch die Leiter der zuständigen kompetenten Organe Kirgisiens und Tadschikistans begrüße.

Ungelöst ist auch der armenisch-aserbaidschanische Grenzkonflikt. Kampfhandlungen zwischen Jerewan und Baku haben dort an der Grenze vor rund zwei Wochen stattgefunden. Armeniens Regierung hatte sich offiziell an Russland und an die Leitung der OVKS mit der Bitte gewandt, militärische Hilfe bei der Wiederherstellung der territorialen Integrität des Landes zu gewähren. Als am 23. September der Generalsekretär der OVKS, Stanislaw Sas, Jerewan besuchte, „erklärte der stellvertretende Außenminister Armeniens, dass die armenische Seite von der OVKS klare Handlungen zur Wiederherstellung der territorialen Integrität Armeniens – eines Mitglieds der OVKS -, aber auch eine Verhinderung neuer Eskalationen erwartet“, meldete der Pressedienst des armenischen Auswärtigen Amtes. Bisher ist eine militärische Unterstützung für Armenien durch die OVKS nicht zu spüren. An der Lösung des Konfliktes beteiligen sich nur russische Friedenstruppen. Und am vergangenen Donnerstag beklagte Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan, dass die Verbündeten nicht die Lieferungen von erworbenen Waffen und Munition erfüllen würden.

Dabei hatte es Armenien abgelehnt, an den Manövern der OVKS in Kasachstans teilzunehmen, wobei es dies mit der schwierigen Situation an der armenisch-aserbaidschanischen begründete. Als in Jerewan eine amerikanische Delegation unter Leitung der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, weilte, fand in der armenischen Hauptstadt ein Meeting mit der Forderung an die Landesführung nach einem Austritt aus der OVKS statt.

„Ich denke nicht, dass Armenien aus der OVKS austreten wird. Aber diese Organisation, die aus Verbündeten Russlands besteht, muss ihr Ansehen erhören. Warum sind nur russische Friedenstruppen in Bergkarabach präsent? Warum gibt es dort keine Friedenstruppen aus anderen Ländern?“, fragt sich der Militärexperte und Generalleutnant im Ruhestand Jurij Netkatschjow, der lange im Transkaukasus gedient hatte. „Für Russland ist es gegenwärtig schwer, es läuft die militärische Sonderoperation, es erfolgt eine Teilmobilmachung. Und vor diesem Hintergrund explodiert die Situation im Transkaukasus und in Zentralasien. Und die Amerikaner sind da immer mit dabei“.

Netkatschjow lenkte die Aufmerksamkeit darauf, dass das Verteidigungsministerium der USA für ein Jahr einen Vertrag über 500 Millionen Dollar für die Bedienung und Unterhaltung von Objekten des Zentralen Kommandos der US-Armee in Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenien und Usbekistan unterzeichnet hätten. „Mit diesem Geld kann man eine ganze Armee bewaffneen“, erklärte der General gegenüber der „NG“. Er erinnert daran, dass das Zentrale Kommando der US-Armee im August dieses Jahres in Tadschikistan die regionalen Manöver „Regionale Zusammenarbeit – 2022“ organisiert hatte, an denen neben Vertretern aus den Vereinigten Staaten und der Mongolei Militärs aus Kasachstan, Kirgisien und Usbekistan teilnahmen.

„Medien berichteten, dass die USA die Möglichkeit der Bereitstellung von fast 50 Militärflugzeugen und -hubschraubern für Usbekistan und Tadschikistan im Gegenzug für Hilfe im Kampf gegen Terroristen in Afghanistan erörtern würden“, sagte Netkatschjow. „Dies sind S-208-Flugzeuge, leicht Kampfjets vom Typ A-29 Super Tucano, aber auch Mi-17-, Mi-25- und UH-60-Black Hawk-Hubschrauber, die proamerikanische Piloten vor einem Jahr aus Afghanistan herausgebracht hatten, als das Pentagon und seine Verbündeten das Land überhastet verließen. Und jetzt wollen die USA diese Flugzeuge als eine Geste des guten Willens an die zentralasiatischen Republiken übergeben. Kein schlechtes Geschenk. Es gibt aber nichts einfach so. Vier Militärtransportflugzeuge, die von der Russischen Föderation für Afghanistan gekauft worden waren, haben die USA der Ukraine bereits übergeben“.

Post Scriptum

Am Montag wurde bekannt, dass nach Auffassung von Kasachstan eine Teilnahme der OVKS am Konflikt auf dem Territorium der Ukraine nicht zum Verantwortungsbereich der Organisation gehöre. Der offizielle Sprecher des kasachischen Außenministeriums, Aibek Smadijarow, unterstrich auf eine entsprechende Journalistenfrage: „Kasachstan geht von den Prinzipien der territorialen Integrität der Staaten, deren souveränen Gleichheit und einer friedlichen Koexistenz entsprechend dem Völkerrecht und der Charta der UNO aus. Insgesamt ist der Verantwortungsbereich der OVKS klar durch die international anerkannten Territorien der Mitgliedsstaaten der Organisation umrissen worden. Und die kollektive Sicherheit wird in den Grenzen dieser Territorien gewährleistet. Somit steht die Frage über eine Teilnahme der OVKS im Bereich der russisch-ukrainischen Konfliktes nicht auf der Tagesordnung“, sagte der Diplomat. Für Moskau noch eine bittere Pille, und sicher nicht die letzte.