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Die „Patrioten“ sind der Auffassung, dass die „neuen Weißrussen“ eine harte Therapie bräuchten


In Vilnius ist das Forum oppositioneller Kräfte „Neues Belarus“ abgeschlossen worden. Gebildet wurde ein Übergangskabinett. Seine Mitglieder beabsichtigen, „Maßnahmen zur widerrechtlichen Bewahrung der Herrschaft zu realisieren“. In Minsk veranstaltete Alexander Lukaschenko eine Tagung des Ministerrates. Und seine Anhänger haben bei einem Forum patriotischer Kräfte dem Kurs des „Väterchen“ die Treue geschworen.

Swetlana Tichanowskaja rief man auf, unverzüglich einen symbolischen Eid auf die Verfassung abzulegen. Und sie gab am letzten Tag der Konferenz darauf eine Antwort: „Ich werde die Hand nicht auf die Verfassung legen. Die Tatsache, dass ich innerhalb von zwei Jahren weiterhin wie ein Bulldozer arbeite, ist auch ein faktischer Schwur gegenüber dem weißrussischen Volk. Symbolismus bedeutet Vieles, aber nicht in diesem Fall“.

Ungeachtet der Skepsis vieler Analytiker endete die Konferenz dennoch mit einem konkreten Ergebnis. Swetlana Tichanowskaja gab die Bildung eines vereinigten Übergangskabinetts als ein ständig wirkendes Exekutivorgan bekannt. Ihm gehören an: Pawel Latuschko als Vertreter für den Machttransit, Alexander Asarow als Vertreter für die Wiederherstellung der Rechtsordnung, Valerij Kowalewskij als Zuständiger für internationale Angelegenheiten und Valerij Sachastschik als Vertreter für Verteidigung und nationale Sicherheit.

Tichanowskaja verspricht, dass das Übergangskabinett erweitert und im Herbst endgültig etabliert sein werde. Und der reformierte Koordinierungsrat wird zu einer Plattform für Diskussionen und die Ausarbeitung von Entscheidungen werden. Unter den Hauptzielen des Kabinetts ist die Verteidigung der Unabhängigkeit und der Souveränität des Landes. Tichanowskaja erklärte, dass dies bedeute, „eine faktische De-Okkupation von Belarus vorzunehmen“. Außerdem wird die Aufgabe gestellt, die verfassungsmäßige Gesetzlichkeit und Rechtsordnung in der Republik wiederherzustellen. Dies wird wiederum so begriffen: „Zu entwickeln und realisieren sind Maßnahmen zur Unterbindung eines widerrechtlichen Festhaltens an der Macht, zu gewährleisten ist ein Machttransit von der Diktatur zu einer Demokratie und zu schaffen sind Bedingungen für die Abhaltung ehrlicher und freier Wahlen“.

Der Politologe Valerij Karbalewitsch kommentierte für das Internetportal „Salidarnasz“ (deutsch: „Solidarität“) die Ergebnisse der Konferenz „Neues Belarus“ so: „Erstens muss man sagen, dass es zu keiner vollständigen Vereinigung gekommen ist. Das Team von Valerij Tsepkalo hat sich nicht dem generellen oppositionellen Mainstream angeschlossen. Dass Pawel Latuschko dem Übergangskabinett beigetreten ist, scheint mir ein wichtiger Schritt zu einer Vereinigung zu sein. Und zum heutigen Tag können wir vorerst sagen, dass in einem gewissen Sinne die Meinungsverschiedenheiten nun, wenn nicht überwunden worden sind, so aber ein gewisser Mechanismus für deren Lösung angenommen worden ist“.

Hinsichtlich des Auftauchens des Oberstleutnants der Luftlandetruppen der Reserve, Valerij Sachastschik, im Kabinett merkte der Experte an: „Vom Wesen her ist dies einfach jenem Bedürfnis geschuldet, das seitens des politisierten Publikums besteht. Und da eine gewaltsame Lösung gebraucht wird, so ist da für Sie ein Mann mit Erfahrungen aus der militärischen Arbeit. Ich sehe aber vorerst keinerlei Form für eine Lösung des weißrussischen Problems auf gewaltsamen Weg. Daher würde ich diese Ernennung eher als eine symbolische sehen“.

Außerdem schafft diese Ernennung eine merkwürdige Situation gerade im kämpferischen Block der Opposition. Die Sache ist die, dass Sachastschik einer der Gründer des jüngst gebildeten Regiments „Pagonja“ ist. Derweil hat das Kastus-Kalinouski-Regiment, das über weitaus größere Kampferfahrungen und eine starke Medien-Präsenz besitzt, auf seinem Telegram-Kanal eine bedeutsame Erklärung abgegeben: „In den Medien sind Meldungen aufgetaucht, wonach an der Arbeit der Konferenz Vertreter des Kalinouski-Regiments teilgenommen hätten. Wir erklären offiziell: Es hat keine Vertreter des Regiments bei diesem Forum gegeben“. Was auch nicht überrascht. Die Beziehungen der Gründer von „Pagonja“ und der Vertreter des Kalinouski-Regiments sind weit von idealen entfernt.

Derweil aber hat Alexander Lukaschenko in Minsk eine Tagung des Ministerrates über das Funktionieren der Wirtschaft unter den Sanktionsbedingungen und über Maßnahmen zu deren Überwindung durchgeführt. Bei der Veranstaltung erteilte er den Leitern der Ministerien Basisvorgaben. Zum Beispiel: „Man muss auf maximale Weise die Barrieren mit den russischen Partnern hinsichtlich der Warenpositionen überwinden, die für eine Einfuhr auf dem Territorium Russlands eingeschränkt sind“. Ansonsten ging es vor allem um die Landwirtschaft, die nach Meinung von Lukaschenko unter den Sanktionsbedingungen auf paradoxe Weise prosperieren soll.

Das Staatsoberhaupt demonstrierte ein ernsthaftes Eintauchen in den Gegenstand. Er lenkte unter anderem das Augenmerk darauf, dass man in mehreren Kreisen des Verwaltungsgebietes Gomel traditionell geringe Getreideerträge erziele. Und er schlug unverzüglich eine Alternative vor: „Vielleicht muss man probieren, außer Mais auch diese Kulturen anzubauen. Aber man darf nicht einfach auf dem Markt Sonnenblumenkerne verkaufen, sondern man muss Sonnenblumenöl auspressen“. Und er unterstrich: „Vom Prinzip her müssen die Samen unsere sein. Wir haben bereits nicht wenig darüber gesprochen“.

Und derweil erfolgte in der Hauptstadt Weißrusslands auch eine markante politische Veranstaltung – ein Kongress der Anhänger des gegenwärtigen Kurses unter dem Titel „Forum der patriotischen Kräfte“. Seine Teilnehmer bekundeten aufrichtig die Billigung und die Unterstützung für den Präsidenten. Beispielsweise hatte sich Jurij Woskresenskij, der Direktor der Informations- und analytischen Institution „Runder Tisch der demokratischen Kräfte“, patriotisch hinsichtlich der Ereignisse von 2020 und der Handlungen der Opposition geäußert. „Für welche Veränderungen, welche Verbesserungen und welche Entwicklungskonzeptionen für die Gesellschaft sind sie auf die Straßen gegangen? Die effektive und stellenweise gar harte Therapie des Blocks der Rechtsschutz- und Sicherheitsorgane, aber auch die angeborene politische Intuition, der Wille und die eiserne Standhaftigkeit von Alexander Lukaschenko haben das Land vor einem Bürgerkrieg bewahrt. Dafür sei ihm gedankt“.

Und in einer Abschlussdeklaration des Forums wurde unterstrichen: „Die Ereignisse der letzten Jahre haben mit aller Offenkundigkeit die Effektivität des weißrussischen Modells für die politische Entwicklung bestätigt, dessen Grundlage ein starker Staat – eine Präsidialrepublik – mit einem weisen Staatsmann, einem Garanten für die Souveränität, der Rechte und Freiheiten eines jeden Bürgers an der Spitze ist. Indem es die Schwierigkeiten überwindet, beschreitet das Land sicher den Weg einer Entwicklung und eines Wirtschaftswachstums, wobei es die Zukunft des Landes und die Kontinuität der Generationen sichert“.