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Die Position und Handlungen einzelner westlicher Spitzenvertreter lösen bei den Ukrainern Empörung aus


Am Freitag hatte der Präsident der Ukraine dem russischen Präsidenten vorgeschlagen, Verhandlungen zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt hatte russische Militärs – unter anderem Fallschirmjäger – den Flugplatz Gostomel eingenommen, womit sie eine Blockierung Kiews vom Wesen her sicherten. Dies teilte der offizielle Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konaschenkow, mit. Er verwies darauf, dass bei der Operation über 200 Hubschrauber eingesetzt worden wären. Nach Aussagen Konaschenkows seien 200 Soldaten der ukrainischen Streitkräfte vernichtet worden. Verluste unter Russlands Militärs gebe es keine, versicherte man hoch und heilig im Verteidigungsministerium in Moskau. Auch hätten russische Einheiten die Blockierung von Tschernigow abgeschlossen. Besorgniserregende Meldungen kommen auch aus anderen Gebieten der Ukraine, in denen die russische Armee auf Befehl von Wladimir Putin eine „militärische Sonderoperation“ vornehme, deren Ziel eine „Demilitarisierung“ und „Entnazifizierung“ der Ukraine sei.

Viele Kiewer haben nicht geschlafen, die Nacht erneut in Luftschutzbunkern und in Metro-Stationen verbracht. Auf den Straßen der Hauptstadt gibt es ab den Abendstunden fast keine Autos und Passanten, zumal Bürgermeister Vitali Klitschko ein nächtliches Ausgehverbot bis 07.00 Uhr morgens verhängte. In der Stadt funktionieren aber alle kommunalen Dienste. In den Wohnungen gibt es bisher eine Wärmeversorgung, Strom, Gas und Wasser. Da die Lebensmittelgeschäfte entsprechend speziellen Öffnungszeiten arbeiten, teilen sich die Menschen Lebensmittel und Trinkwasser. Der Grad der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung erinnert an die Geschlossenheit der Ukrainer in den Jahren 2013/2014. Heutzutage sind aber in den Großstädten weitaus weniger Einwohner geblieben.

Diejenigen, die die Hauptstädte und andere Städte verlassen haben, hat keiner aufgehalten und festgenommen, unabhängig vom Alter und Geschlecht. Aber seit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe einer generellen Mobilmachung am vergangenen Mittwoch können Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren theoretisch nicht mehr die Grenze überschreiben. Bisher sind alle Interessenten sogar mit ukrainischen Inlandsdokumenten in die Nachbarländer gelangt. Der Schnellzug „Kiew-Peremyschl“ beförderte Passagiere ohne Fahrkarten und Dokumente.

Die sich in den Wohnungen aufhaltenden Bewohner begeben sich bei Luftalarm mit dem Nötigsten ins Erdgeschoss oder in Kellerräume. Aber in der Zeit, wenn man sich in der Stadt bewegen kann, haben sich viele Menschen aufgemacht, um Blut zu spenden. An den Blutspende-Punkten haben sich gar lange Warteschlangen gebildet.

Die ukrainischen Offiziellen haben sich an die westlichen Partner mit der Forderung gewandt, den Luftraum über der Ukraine zu schließen, das heißt: die Luftabwehr von den Territorien benachbarter Länder zu gewährleisten. Der Vorsitzende der Werchowna Rada (des Landesparlaments – Anmerkung der Redaktion) Ruslan Stefantschuk unterstrich, dass dies besonders wichtig sei, da russische Truppen das AKW Tschernobyl und das dortige Endlager für Nuklearabfälle unter ihre Kontrolle brachten. Bei einem Fehlen von Spezialisten seien Störfälle nicht ausgeschlossen, und bei einem zufälligen Raketentreffer seien sie unvermeidlich. (Im russischen Staatsfernsehen rechtfertigte man diese Aktion der russischen Truppen damit, dass die Ukraine ja die Nuklearabfälle anreichern und für Kernwaffen nutzen könne. Dabei wurde ganz vorsätzlich die Tatsache ausgeklammert, dass die Ukraine gar keine Zentrifugen für eine Gewinnung von Waffenplutonium besitzt. – Anmerkung der Redaktion)

Stefantschuk betonte gleichfalls: „Wir verteidigen nicht nur die territoriale Integrität unseres Staates, sondern auch die Werte, auf denen die zivilisierte Welt, die EU und die NATO beruhen… Um die Opfer unter der Zivilbevölkerung zu minimieren, um das Leben unschuldiger ukrainischer Kinder, Frauen zu bewahren, und die Welt vor einer neuen nuklearen Katastrophe. Wir rufen Sie auf, den Luftraum über Kiew und die Sonderzone des AKW Tschernobyl zu sperren“.

Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij wendet sich beinahe jeden Tag an die internationale Staatengemeinschaft und westlichen Partner mit der Forderung, die Kampfhandlungen zu stoppen.

Einfache Ukrainer waren über die Position und Handlungen einzelner westlicher Spitzenvertreter, unter anderem von US-Präsident Biden empört. Die „schrecklichen und höllischen Sanktionen“, von denen seit Beginn des Jahres gesprochen wurde, haben den Krieg nicht verhindert. Und als er begann, haben die westlichen Partner der Ukraine zu lange darüber nachgedacht, wie man für die Ukraine eine Luftverteidigung gewährleisten könne.