Die Partei „Jabloko“ ist gezwungen gewesen, eine spezielle Erklärung darüber abzugeben, dass sie kategorisch gegen eine Aufnahme ihrer Kandidaten für die am Freitag begonnenen Kommunalwahlen in Moskau in eine Liste für ein pazifistisches „Smart Voting“ ist. Die Führung der Nawalny-Vertreter in der Emigration hatte dieser Tage bekanntgegeben, dass diese elektorale Ressource nur jene Oppositionelle nutzen könnten, die öffentlich die Handlungen der Russischen Föderation gegen die Ukraine verurteilen würden. Im System des 2Smart Votings“ haben sich außer „Jabloko“-Vertretern auch einzelne Kommunisten wiedergefunden. Und während die ersten dies offen als eine Provokation bezeichnen, kommentieren die anderen dagegen demonstrativ die Situation nicht. Die einen und die anderen erhalten aber bereits Anrufe angeblich von Massenmedien, beispielsweise von der „NG“, oder von gewissen Soziologen mit der Bitte, die Haltung zur Sonderoperation zu präzisieren.
Der „Jabloko“-Abgeordnete in der Moskauer Stadt-Duma, Sergej Mitrochin, bezeichnete die Nawalny-Vertreter als „Heizer“, die Menschen für ihre Ziele in den Ofen werfen“. Nur dieses Mal, merkte er an, habe sich nicht die protestierende Jugend als „Holzscheite“ erwiesen, die sich diesen „Heizern“ freiwillig unterordnen, sondern kommunale Abgeordnete, die keiner um eine Zustimmung dazu gefragt hätte, auf die Liste des „Smart Votings“ gesetzt zu werden. „Dies aber jenen Behörden zu erklären, die sich offenkundig schon mit diesen Kandidaten befasst haben, ist absolut nutzlos“, unterstrich Mitrochin. Nach seiner Meinung würden die Liste des „Smart Votings“ und die Kandidaten auf ihr zweifellos die Vertreter der Rechtsschutz- und Sicherheitsorgane interessieren. Dies werde gegen die Kandidaten wirken, und dies sowohl bei den Wahlen als auch hinsichtlich der weiteren Perspektive in Gestalt von Verfolgungen.
„Bei den Wahlen sind diejenigen auf der Liste des „Smart Votings“ die ersten Kandidaten für ein Herausfliegen. Und wenn es auch Betrugshandlungen mit den Stimmen geben wird, so in erster Linie zu ihren Lasten. Gegenwärtig werden natürlich wohl kaum spektakuläre Repressalien gegen die Kandidaten beginnen. Doch ihre Veröffentlichungen, darunter auch zur Sonderoperation, wird man im Blick haben, wird man verfolgen. Folglich kann es im Weiteren ordnungs- und strafrechtliche Verfahren wegen einer Diskreditierung der Armee geben. Gegenwärtig ist es sozusagen zu solch einem Zählappell der Kandidaten gekommen, die gegen die Sonderoperation sind. Und es ergibt sich, da diese Personen auf der Liste stehen, die von einer extremistischen Organisation unterstützt wurde, ob sie dies nun gewollt haben oder nicht, dies für sie zu Problemen führen kann, beispielsweise zu einer Entlassung“, meint Mitrochin. Er vermutet, dass die Nawalny-Vertreter speziell ihre Liste für ein pazifistisches „Smart Voting“ geschaffen hätten. Ihre Logik sei nach seiner Meinung solch eine: Je mehr Repressalien gegen den aktiven Teil der Gesellschaft, desto eher reift das Volk für eine Aufruhr heran. Doch das Schicksal der Menschen, die in der Heimat geblieben sind, würde die Polit-Emigranten nicht besonders bewegen. „Die Nawalny-Leute sind Neo-Bolschewiken entsprechend ihren Methoden. Es besteht gar die Empfindung, dass ihnen die Geheimdienste für Provokationen zuzahlen. Denn unter den gegenwärtigen Bedingungen ist die Publizierung einer Liste für ein „Smart Voting“ von der Form eine öffentliche Denunziation“, erklärte Mitrochin.
Allem nach zu urteilen, hat derweil solch eine Denunziation doch funktioniert. Und folglich hat es zumindest teilweise auch mit der Provokation geklappt. Die Sache sei die, teilte Mitrochin der „NG“ mit, dass man Kandidaten von „Jabloko“ angeblich schon von liberalen Medien anrufe und deren Haltung zur Sonderoperation zu erfahren suche. Beispielsweise rief man die Assistentin von Mitrochin, Maria Tschuprina, die im Taganka-Stadtbezirk kandidiert, an und stellte sich als Vertreter der „NG“ vor. Anderen stellte man sich als Vertreter von der „Nowaja Gazeta“ vor. Diese „Korrespondenten“ geben aber aus irgendeinem Grunde nicht ihre Namen an. Wie Kirill Gontscharow, der stellvertretende Vorsitzende der Moskauer „Jabloko“-Organisation, auf seinem Telegram-Kanal unterstrich, „ist es offensichtlich, dass es das Ziel ist, den Kandidaten Artikel des Strafgesetzbuches anzuhängen oder zumindest ihnen Angst zu machen“. Eine Quelle in der KPRF bestätigte der „NG“, dass auch ihre Kandidaten für die Kommunalwahlen angebliche Vertreter der Presse oder soziologischer Dienste anrufen und ebenfalls zur Haltung hinsichtlich der Sonderoperation fragen würden.
Am Vorabend tauchte eine spezielle Erklärung über die Haltung zum neuen „Smart Voting“ mit den Unterschriften des „Jabloko“-Vorsitzenden Nikolaj Rybakow, des Chefs der Moskauer Organisation, Sergej Iwanenko, und des Fraktionsvorsitzenden in der Moskauer Stadt-Duma, Maxim Kruglow, auf: Die Partei sei kategorisch gegen sie und bitte jene Wähler, die sich an den Nawalny-Vertretern orientieren würden, nicht für die „Jabloko“-Vertreter zu stimmen. „Wir sind der Auffassung, dass die Leiter dieses Projekts, den Bürgern Russlands nicht anweisen können, wobei sie sich in der Emigration befinden, wie sie abzustimmen haben. „Jabloko“ ist die einzige Partei in Russland, die klar und deutlich für Frieden eintritt, für ein unverzügliches Abkommen über eine Feuereinstellung“, heißt es in diesem Dokument. Dort werden natürlich noch Millionen Menschen erwähnt, die angeblich diese Position der Partei unterstützen würden. Es wird aber schwer werden, dies zu behaupten, nachdem sich zum Beispiel die oben erwähnte Prognose von Mitrochin bewahrheitet.
Man könnte auf den Gedanken kommen und die Frage stellen: Wozu machen dies die Nawalny-Vertreter? Wenn nicht wirklich „Jabloko“-Vertreter in die Gefahr zu bringen, dass man sie von den Wahlen ausschließt, so doch, um deren Ergebnis zu minimieren und gar möglichen Verfolgungen auszusetzen? Noch weniger logisch sieht der Schlag gegen die linken Kandidaten unter Berücksichtigung dessen aus, dass die Führung der KPRF in anderen Regionen eigene Leute schon aus dem Rennen genommen hat. Wobei sich diese nicht einmal so kritisch über die eigentliche Notwendigkeit der Sonderoperation als vielmehr über die Unklarheit deren Ziele und Folgen geäußert hatten. Zusagen aus der Sicht der unversöhnlichen Opposition wäre es gut, wenn unter anderem auch verdeckte Pazifisten oder – wie man sie in den Medien der Staatspropaganda taufte – „Nawalny-Kommunisten“ bei den Wahlen durchkommen und gewählt werden würden.
Die ganze Sache besteht hier darin, auf was für ein Narrativ durch die Politemigranten gesetzt wird oder was für ein Auftrag durch sie möglicherweise erfüllt wird. Wenn – sagen wir einmal – Beweise für eine Verschärfung des diktatorischen Trends der russischen Herrschenden vorgelegt werden sollen, so ist eine massenhafte Streichung oppositioneller Kandidaten gerade aus dieser Kategorie. Allerdings werden die Nawalny-Vertreter auch in dem Fall nicht leer ausgehen, wenn die Figuren der Liste für ein pazifistisches „Smart Voting“ vollkommen und vernichtend verlieren. Da wird man von einer massenhaften Fälschung der Wahlergebnisse sprechen können. Nicht umsonst hatte man irgendwie lautstark und vorab aus dem Ausland die Kandidaten bekanntgegeben, die auf die Liste für ein „Smart Voting“ gesetzt wurden. Entgegen der Tradition und den früheren politischen und juristischen Erläuterungen. Ausgesehen hat dies so, als ob die Nawalny-Leute wirklich die Herrschenden provozieren, sich zu beeilen, um es zu schaffen, innerhalb weniger Tage großangelegte Repressalien anzuschieben.
P. S.
Derweil haben am Freitag regionale und Kommunalwahlen in Russland begonnen, die teilweise nicht nur drei, sondern auch zwei oder nur einen Tag abgehalten werden. Direkt gewählt werden Gouverneure in vierzehn Regionen, neue Regionalparlamente wird es in sechs Regionen geben. Alles in allem sind mehr als 31.200 Mandate zu vergeben. Unter anderem auch in Moskau. Und um in der russischen Hauptstadt die Wähler zu einer Teilnahme an der Abstimmung zu animieren, sind etwa eine Million Preise ausgelobt worden, die Sponsoren – sicher auch nach Aufforderung durch die Stadtregierung – bereitgestellt haben. Die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission, Ella Pamfilowa, informierte im Zusammenhang mit diesen Wahlen, dass 110.625 Wahlberechtigte in sieben Regionen online abstimmen können. In diesem Herbst ist die Auswahl für die Wähler eine scheinbar große – über 69.000 Kandidaten, von denen offiziell rund 57.000 politische Parteien repräsentieren. An dieser Stelle muss jedoch angemerkt werden, dass dies eine Art Augenauswischerei ist, da in manchen Regionen nicht mehr auf der Grundlage von Parteilisten gewählt wird. Und dies nutzten viele Kandidaten aus, um gar nicht erst ihre Parteizugehörigkeit und die Unterstützung ihrer Parteien an die große Glocke zu hängen.