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Die Russisch-Orthodoxe Kirche lässt die Ukrainische Kirche nicht gehen


Der Patriarch von Moskau und Ganz Russland, Kirill, hat am 16. März einen Videoappell aufgenommen, in dem er die Öffentlichkeit aufrief, „die Schließung des Kiewer Höhlenklosters zu verhindern“. Dies ist der zweite Appell des Oberhauptes der Russisch-Orthodoxen Kirche hinsichtlich der Situation mit den Monarchen und den Hierarchen der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche innerhalb der letzten Woche. Internationale Organisationen beeilen sich jedoch nicht mit Hilfe, und in Kiew befürchtet man eine Konfrontation.

„Das Ultimatum der staatlichen Behörden an die Adresse des Kiewer Höhlenklosters erscheint als eine ungeheuerliche Tat, die mit den Verfolgungen aufgrund des Glaubens in der Zeit der Gottlosigkeit vergleichbar ist. Wie auch zu jener Zeit ignorieren die Herrschenden offen das Gesetz, schon ganz zu schweigen von einer minimalen Achtung für die Rechte der Mitbürger“, erklärte das Oberhaupt des Moskauer Patriarchats. „Ich bitte, alle Anstrengungen aufzubieten, um eine zwangsweise Schließung des Klosters zu verhindern, die zu einer Verletzung der Rechte von Millionen ukrainischen Gläubigen auf Glaubensfreiheit, die durch die Verfassung der Ukraine, aber auch solchen Dokumenten wie die UNO-Charta, die Allgemeine Menschenrechtsdeklaration, die Deklaration über die Liquidierung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung auf der Grundlage der Religion und anderer Überzeugungen sowie vielen anderen Akten internationaler Bedeutung garantiert werden, führen wird. Ich hoffe sehr, dass meine Worte vernommen werden“ resümierte Patriarch Kirill. Seine Forderung, erklang vor der Eröffnung der 80. Synodstagung der Russisch-Orthodoxen Kirche. Zu einem der Hauptthemen des Treffens der Hierarchen wurde die Situation um die Lawra.

Es sei daran erinnert, dass am 10. März vom amtierenden Generaldirektor des nationalen Schutzgebietes „Kiewer Höhlenkloster“, Alexander Rudnik, die Anordnung an die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche mit dem Segen des Ministeriums der Ukraine für Kultur und Informationspolitik erging. Darin wurden die Mönche und der Klerus verpflichtet, bis zum 29. März das Kloster zu verlassen. Zur Ursache wurden angeblich Schlussfolgerungen einer speziellen Kommission, die eine Reihe von Verstößen bei der Pacht von Klostergebäuden und Kultgegenständen durch die Kirche festgestellt haben will. Die Dokumente wurden freilich zu einer Verschlusssache erklärt. Im Kulturministerium hat man angedroht, die Mönche gewaltsam zu exmittieren, wenn sie dies nicht freiwillig tun würden. Später hat Kulturminister Alexander Tkatschenko versichert, dass sich keiner anschicke, das Kloster zu schließen, und die Bewohner könnten bleiben, wenn sie natürlich zur Orthodoxen Kirche der Ukraine übertreten. Aber die Führung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche – und vor allem der Vorsteher der Lawrw, Metropolit Pawel (Lebedj) – müssten die Mauern des Klosters verlassen. Letzterer unterstrich am 14. März, dass weder er noch die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche keinerlei Beziehung zu Russland und zum Moskauer Patriarchat hätten.

Am 11. März hatte sich das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche an „religiöse Funktionäre und Vertreter internationaler Organisationen“ gewandt und gebeten, sich in die Situation mit dem Kloster einzuschalten. Bisher hat nur Papst Franziskus reagiert. Er rief am 15. März auf, „die Orte der Verehrung zu achten“, und gestand ein, dass „all seine Gedanken beim Kiewer Höhlenkloster sind“. Dabei hatte er aber die Klosterbewohner als Nonnen bezeichnet.

Der Verteidigung des Heiligtums hat sich auch das Außenministerium der Russischen Föderation angeschlossen. Außenminister Sergej Lawrow sandte am 14. März Schreiben an UN-Generalsekretär António Guterres und den OSZE-Vorsitzenden Bujar Osmani, in denen er die Aufmerksamkeit auf die Verletzung der Rechte der orthodoxen Gläubigen in der Ukraine lenkte. Der offizielle Vertreter des Generalsekretärs der Vereinten Nationalen, Stéphane Dujarric, erklärte am 15. März, dass man in der Organisation nur den Brief vom Patriarchen, aber nicht den Appell Lawrows gesehen hätte.

Während die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche, die durch die Kiewer Offiziellen einer Kollaboration mit der Russisch-Orthodoxen Kirche bezichtigt wird, auf jegliche Weise versucht, sich vom Moskauer Patriarchat zu distanzieren, erlaubt es Moskau ihr nicht, dies zu tun. Der Pressesekretär des Präsidenten der Russischen Föderation, Dmitrij Peskow, bezeichnete am 13. März die Mönche der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche als „Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche“. Und wenn man der offiziellen Internetseite der Russisch-Orthodoxen Kirche Glauben schenkt, so ist das Oberhaupt der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, Metropolit Onufrij (Beresowskij) nach wie vor ständiges Mitglied des Synods der Russisch-Orthodoxen Kirche, obgleich der ukrainische Erzpriester dies mehrfach dementierte. Die nunmehrige Videoansprache des Patriarchen kann gleichfalls gegen die verfolgten ukrainischen Kirchenhierarchen spielen. Einerseits ist unklar, an wen der Patriarch dieses Mal seinen Aufruf richtete und – das Wichtigste – was er vorschlägt, konkret zu tun. Andererseits haben die früheren Erfahrungen bereits mehrfach gezeigt, dass eine Einmischung Moskaus in die ukrainische Kirchensituation sie nur verschlimmerte. Der Klerus der Ukraine befürchtet nun eine Konfrontation „zwischen den gegen die Kirche eingestellten Menschen und den Gläubigen, die bereit sind, das Heiligtum zu verteidigen“. Wie dies vermieden werden kann und was weiter zu tun ist, wird bereits nicht in Moskau entschieden, sondern am 20. März in Kiew, bei der Synodstagung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche.

Post Scriptum:

Bereits nach Redaktionsschluss für den vorliegenden Beitrag wurde bekannt, dass man am Abend des 16. März auf der offiziellen Internetseite des Moskauer Patriarchats der Name des Oberhauptes der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, Metropolit Onufrij (Beresowskij), aus der Liste der ständigen Synodsmitglieder der Russisch-Orthodoxen Kirche ausgeschlossen hat. Jetzt wird ausgewiesen, dass er ständiges Synodsmitglied der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche sei.

Auf der gleichen Internetseite wurde die Information veröffentlicht, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche die Beziehungen mit dem Oberhaupt der Zypriotisch-Orthodoxen Kirche abgebrochen habe. Als Grund wurde die Unterstützung der sogenannten nichtkanonischen Orthodoxen Kirche der Ukraine angegeben, die das Moskauer Patriarchat nicht anerkennt. Folglich wird der Erzbischof von Neu-Justiniana und Ganz Zypern, Georgios II., in den Liturgien sowie in den eucharistischen Kontakten der russischen Kirche nicht mehr erwähnt werden.