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Die Russische orthodoxe Kirche demonstriert ein Streben nach einer Absonderung


Einige Ereignisse im Kirchenleben veranlassen zu den Vermutungen, dass das Moskauer Patriarchat zu einem gemäßigten Isolationismus und zu einer zurückhaltenden, aber konsequenten Schutzreaktion auf die Herausforderungen der es umgebenden Welt neigt. Dies ist eine Reaktion auf den äußeren Einfluss sowohl aus dem Westen als auch aus dem Osten. Obgleich es sich um Herausforderungen unterschiedlicher Natur handelt, reagiert die Russische orthodoxe Kirche fast gleichartig auf sie – mit einem im größeren Misstrauen gegenüber jeglicher Einwirkung von außen.
„Ich habe keinen besonderen Optimismus hinsichtlich der Perspektive für die weitere Entwicklung der ökumenischen Bewegung“, erklärte Patriarch Kirill bei der Beantwortung von Fragen während des Festivals „Glaube und Wort“. In der letzten Zeit ist es für die Russische orthodoxe Kirche immer schwieriger mit den sogenannten unfreundlichen Ländern. Jedoch sieht eine so direkt bekundete Enttäuschung über den Dialog mit Christen anderer Konfessionen dennoch unerwartet aus. Schließlich ist Patriarch Kirill ein erfahrener Kirchendiplomat, der viele Jahre lang auf dem Gebiet des interreligiösen Dialogs tätig gewesen war.
Das Oberhaupt der Russischen orthodoxen Kirche nannte keinen konkreten Grund, der ihn zu solch einer pessimistischen Schlussfolgerung über die Perspektiven des Ökumenismus veranlasst hatte. Die russische Kirche ist nach wie vor Mitglied internationaler Christen-Organisationen, die unter anderem in Ländern des Westens ihren Hauptsitz haben. Möglicherweise ist zum auslösenden Motiv die kürzliche Wahl einer Frau zum geistlichen Führer der Anglikanischen Gemeinschaft geworden (Sarah Mullaly, die Bischöfin von London, wird im kommenden Jahr dieses Amt antreten – Anmerkung der Redaktion). In den letzten Jahren hatte man sich ein wenig an die Leitung lutherischer und anderer sogenannter Hoher Kirchen durch Erzbischöfinnen gewöhnt. Das Amt des Erzbischofs von Canterbury war aber bisher eine Männerdomäne geblieben. Die Kirche von England war im 20. Jahrhundert einer der wichtigsten Partner der Russischen orthodoxen Kirche hinsichtlich der interchristlichen Dialogs gewesen. Ein anderer wichtiger Partner, der Vatikan, zieht es vor, mit dem Patriarchat von Konstantinopel, das mit Moskau verfeindet ist, zu kommunizieren.
Etwa gleichzeitig mit dem Festival „Glaube und Wort“ war in der Synodalen Missionarsabteilung ein Seminar „über die christlich-orthodoxe Antwort auf den islamischen Proselytismus“ organisiert worden. Die Teilnehmer der Tagung erörterten Formen, um den „Versuchen, die Orthodoxie und den Islam in einem synkretistischen Sinne gleichzustellen und gar zu vereinen, wobei die wesentlichen theologischen Unterschiede ignoriert werden“, entgegenzuwirken. Hier war auch nicht von den auslösenden Motiven der Zusammenkunft gesprochen worden, doch der Kontext ist für jeglichen klar, der die Diskussionen unterschiedlicher Gruppen der patriotischen Öffentlichkeit verfolgt. Die einen dieser Gruppen vertreten Anschauungen, die den nationalistischen nahe sind. Andere erklären, dass der russische Patriotismus auf den für die Orthodoxie und Islam gemeinsamen Werten basieren müsse, wobei die Unterschiede ignoriert werden. Die nächste Veranstaltung der Missionare der Russischen orthodoxen Kirche war für den 27. Oktober geplant worden und galt einer Bekämpfung des „Neohinduismus“.
Beim Festival „Glaube und Wort“ war dem Patriarchen gleichfalls eine Frage gestellt worden, die die Beziehungen mit den Moslems betraf. Das Oberhaupt der Russischen orthodoxen Kirche antwortete, dass sich die Kirche nicht mit den Mitbürgern, die sich Islam bekennen, zerstreiten werde, jedoch könne sie sich nicht wie Vogel Strauß vor der Notwendigkeit verstecken, die Kriminellen unter den Menschen, die einer anderen Religion angehören, zu verurteilen.
All dies veranlasst zu der Annahme, dass sich das Moskauer Patriarchat bewusst in Richtung einer Absonderung und Einschränkung des Dialogs mit anderen Religionen bewegt. In diesem Sinne gibt die Kirche sozusagen einige gesellschaftliche Pflichten sowohl innerhalb des Landes als auch in der internationalen Arena auf. Die ökumenische Bewegung war ab Mitte des 20. Jahrhunderts ein wesentlichen Bestandteil der „Volks-“ Diplomatie. Und innerhalb des Landes nimmt die Russische orthodoxe Kirche die Funktion eines Rückgrats der interreligiösen Eintracht wahr. In dieser Arbeit zur Konsolidierung der traditionellen Gemeinschaften Russlands gab und gibt es ein gewisses Element von Synkretismus, zumindest im Bereich der Moral und Ethik.
Die Kirche wird natürlich nicht mit dieser Mission brechen. Sowohl der Patriarch als auch die Teilnehmer des Prediger-Seminars schränkten ein, dass man nicht vollkommen den Dialog aufgeben dürfe, und verurteilen nur die aus der Sicht der Kirchenregeln unduldsamen Erscheinungen. Es muss aber die konsequente Bewegung zu einer strengeren Auslegung der Position der Russischen orthodoxen Kirche und zu deren Selbstbeschränkung für einen Dialog hervorgehoben werden.