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Die Sonderoperation bleibt eine Abfolge von Warnungen


Bei einer operativen Beratung mit Mitgliedern des Sicherheitsrates der Russischen Föderation hat Präsident Wladimir Putin am 10. Oktober erklärt, dass die Schläge gegen Infrastrukturobjekte und Elemente der militärischen Führung der Ukraine vom Montagmorgen eine Antwort auf den Samstag-Sprengstoffanschlag gegen die Krim-Brücke gewesen seien. Er erklärte offiziell, dass die ukrainischen Geheimdienste dies im Auftrag des Westens getan hätten. Putin begann jedoch nicht, irgendwelche Veränderungen im Verlauf der am 24. Februar begonnenen militärischen Sonderoperation Russlands gegen die Ukraine bekanntzugeben. Der Raketenangriff sei lediglich noch eine Warnung gewesen. Das heißt, wie üblich sind durch ihn Signale sowohl an die Außenwelt als auch ins Landesinnere gesandt worden.

„Die Daten der kriminalistischen und anderen Expertisen, aber auch die operativen Informationen belegen, dass die am 8. Oktober organisierte Explosion ein Terrorakt war, ein Terrorakt, der auf die Zerstörung, der zivilen, der kritisch wichtigen Infrastruktur Russlands abzielte“, erklärte Putin.

Damit hob er jene unangenehme Lage hervor. In die die Mittel der Staatspropaganda geraten waren. Sie waren zwei Tage lang gezwungen gewesen, über die Explosion auf der Krim-Brücke wie über eine Havarie, einen Unfall, einen Zwischenfall zu berichten, das heißt, Euphemismen zu verwenden. Putin zählte ausführlich alle Sünden der Ukraine auf, die nach seinen Worten schon lange terroristische Methoden nutzen würde. Wobei nicht nur auf den ihr abgenommenen Territorien, sondern auch gegen Objekte der ersten strategischen Kategorie in Russland – in der Art des AKW Kursk. Folglich bestand das erste Signal vom Präsidenten der Russischen Föderation augenscheinlich darin, dass die Kiewer Offiziellen jetzt als Terroristen anzusehen sind. Und mit ihnen werden bekanntlich, wenn irgendwelche Verhandlungen auch geführt werden, so vor allem dafür, um eine bereits laufende Operation von Vertretern der bewaffneten Organe zu decken. Auf jeden Fall hatte Putin selbst stets gerade so gehandelt.

Dennoch wurden auch dieser äußeren Welt ein zweites Signal von ihm gesandt, allem nach zu urteilen ein vor allem friedliebendes. „Im Falle einer Fortsetzung der Versuche zur Führung von Terrorakten auf unserem Territorium werden die Antworten seitens Russlands harte sein und hinsichtlich ihrer Dimensionen dem Grad der Bedrohungen, die für die Russische Föderation geschaffen werden, entsprechen. Es darf diesbezüglich bei keinem Zweifel geben“. Scheinbar konkret, dabei aber mehrdeutig hat sich da Putin ausgesprochen. Der Verweis auf jene, bei denen es keine Zweifel geben dürfe, war gerade an die westlichen Sponsoren der Ukraine gerichtet. Zur gleichen Zeit hat sich der Präsident der Russischen Föderation auch Manöverfreiheit gelassen, schließlich wird das Verhältnis der Bedrohungen und Antworten auf sie nur er bestimmen.

Als Signale ins Landesinnere aber ist natürlich die scheinbar diensthabende Phrase Putins, die im gegenwärtigen Kontext mit extrem ausdrucksstarken und unterschiedlichen Farben spielt. „Heute Morgen ist auf Vorschlag des Verteidigungsministeriums und laut Plan des Generalstabs von Russland ein massierter Schlag mit hochpräzisen luft-, see- und bodengestützten Waffen großer Reichweite gegen Objekte der Energiewirtschaft, militärischen Führung sowie des Fernmelde- und Transportwesens der Ukraine geführt worden“, erläuterte er. Womit er – allem nach zu urteilen – all jenen eine Abfuhr erteilt wurde, die in den letzten Tagen auf die Ablösung des Chefs des Verteidigungsministeriums Serge Schoigu und des Generalstabschefs Valerij Gerassimow bestanden hatten. Oder dies zumindest angedeutet oder einfach stillschweigend gewünscht hatte.

Dies bedeutet, dass das Prinzip eines Nichtauswechselns sowohl von Pferden als auch von ganz anderen Tieren, während man einen Fluss quert, für Putin ein entscheidendes bleibt: Wenn irgendwer einen Fehler begangen hat, so muss man ihm die Möglichkeit geben, ihn zu beheben. Das zweite nach Innen gerichtete Signal ist eine Antwort an die Kritiker der Militärstrukturen aufgrund deren Ineffizienz. Das dritte ist der Hinweis für alle darauf, dass die Putinsche Armee nach wie vor stark sei. Dies wäre im Übrigen auch für eben jenen kollektiven Westen nützlich zu begreifen.

Zu einem für alle Adressaten generellen Signal wurde die Behauptung des russischen Präsidenten über die Schläge vom 10. Oktober wie über eine gewisse punktuelle – ungeachtet der Dimensionen – und einmalige Aktion. Und obgleich in den Abendstunden des Montags und auch in den Morgenstunden des Dienstags in einzelnen Städten der Ukraine weiterhin Explosionen erfolgten, wurde klar, dass die international umstrittene Sonderoperation weiterhin ihren bisherigen Charakter einer Abfolge von Warnungen bewahrt. Radikale Patrioten haben bereits angefangen, in den sozialen Netzwerken ihre Enttäuschung zu bekunden. Doch der Kreml interessiert sich traditionell nicht für ihre Meinung. Wie lange noch – dies steht auf einem anderen Blatt.