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Die Sonderoperation drückt auf die politischen Ratings


Sowohl die kremltreuen Soziologen in Gestalt des Allrussischen Meinungsforschungszentrums (VTsIOM) und der Stiftung „Öffentliche Meinung“ (SÖM) als auch der „ausländische Agent“ Levada-Zentrum haben eine Abhängigkeit des Grades der Unterstützung für die Herrschenden vom Grad der informationsseitigen Konzentriertheit der Umfragebeteiligten auf die militärische Sonderoperation, die am 24. Februar begonnen hat. Der anhaltende Rückgang der Beachtung der Ukraine-Krise hat zu einer Unterspülung des bisherigen Trends zur Verstärkung der Ratings geführt und dies gerade in Bezug auf den Präsidenten und die Kremlpartei „Einiges Russland“. Die ermittelte Ermüdung durch den hohen Grad der Staatspropaganda, die sich bemüht, die Sonderoperation im gesellschaftlichen Fokus zu halten, deutet scheinbar eine möglicherweise schon baldige Verwandlung dieses politischen Motors in einen unnötigen Ballast an.

Die Stiftung „Öffentliche Meinung“ hat beispielsweise ausgewiesen, dass jetzt lediglich 34 Prozent der Befragten die Sonderoperation für das Hauptereignis der Woche halten. Obgleich sie eine Woche zuvor noch 38 Prozent ausgemacht hatten. Und vor etwas mehr als einen Monat – mehr als die Hälfte. Wobei den Durchschnittsbürger, das heißt den Massenkonsumenten der Staatspropaganda bereits auch solche Vorfälle wie der Tod einst populärer Künstler, die Diskussion um das Bologna-System und andere operative Nachrichten vom Schutz des Donbass-Volkes ablenken. Der Grad der informationsseitigen Darstellung der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine bleibt jedoch nach wie vor ein hoher. Und dies bedeutet, dass sich in der Gesellschaft einfach eine Ermüdung dadurch akkumuliert.

Vor diesem Hintergrund verspüren gerade die Ratings der am stärksten in die Ukraine-Krise involvierten staatlichen Institute einen Druck – und zwar die des Präsidenten und der Kremlpartei 2Einiges Russland“. So hat die SÖM ermittelt, dass die Bewertung für die Arbeit von Wladimir Putin um ein Prozent schlechter geworden ist. Und das Vertrauen in ihn ist um zwei Prozent gefallen. Natürlich das Niveau ist nach wie vor ein hohes – 80 bzw. 78 Prozent. Hier ist aber stets die Dynamik wichtiger als gewisse absolute Zahlen. Und die sieht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht positiv aus. Das VTsIOM hat seinerseits Putin ein Vertrauen von 81 Prozent bewahrt, aber ermittelt, dass sich das Niveau der Billigung seiner Tätigkeit doch um etwas mehr als ein halbes Prozent verringerte und 78 Prozent ausmachte.

Das Gleiche kann man auch über die regierende Partei sagen, deren angenommenes elektorales Rating laut der Stiftung „Öffentliche Meinung“ um zwei Prozent zurückgegangen ist, während die KPRF innerhalb einer Woche genauso viel punktete und bis auf elf Prozent gekommen ist. Übrigens, das VTsIOM, das einen Verlust für die Partei „Einiges Russland“ von nur 0,6 Prozent (bis auf 41 Prozent) einräumte, hat den Linken den Wert direkt genauso wie die SÖM um die gleiche Größe verbessert. Und nur das „Levada-Zentrum“ hat die Kommunistische Partei mit ihren elf Prozent belassen, somit aber die kremlnahen Soziologen unterstützt. Übrigens, gerade dieser „ausländische Agent“ hat eine ausführliche Analyse der Informationssituation vorgenommen, die für den Juni veröffentlicht wurde. Um es kurz zu machen: Es erfolgt sozusagen eine Zunahme des Unmuts der Medien-Konsumenten, wobei dies scheinbar sowohl im pazifistischen als auch im turbopatriotischen Auditorium der Fall ist.

Es sei angemerkt, dass gerade die Kommunisten in der letzten Zeit zu jener politischen Kraft geworden sind, die vom Kreml eine Demonstration irgendwelcher durch die Sonderoperation bedingter/verursachter Veränderungen im Land, aber auch überzeugender russischer Siege oder zumindest offensichtlicher ukrainischer Niederlagen fordern. Weder des eine als auch das andere können offensichtlich die Mittel der Staatspropaganda nicht liefern. Die Sonderoperation existiert sozusagen getrennt von der internen sozial-ökonomischen Politik. Dabei sind aber die militärischen Landkarten, die jegliche Veränderungen der Lage wiedergeben, für ein breites Spektrum an Nutzern nicht sehr verständlich. Und die Veränderungen geringen Maßstabes sehen in diesem Kontext nicht attraktiv und spektakulär aus.

Bezeichnend ist auch dies, dass die Ratings der Regierung und von Premier Michail Mischustin insgesamt ihre Positionen bewahren. Und dies hängt augenscheinlich damit zusammen, dass diese staatlichen Institutionen nicht tief in die Sonderoperation involviert sind. Bei den verschiedenen soziologischen Diensten unterscheiden sich die konkreten Zahlen. Aber die allgemeine Tendenz besteht gerade darin. Und solche Daten dienen als noch eine Bestätigung für irgendeine neue Wende. Es ergibt sich, dass die Sonderoperation vier Monate lang für die politischen Ratings der Herrschenden wie ein Motor arbeitete. Jetzt aber kann er sich in einen unnötigen Ballast verwandeln, der die Hubkraft verringert.