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Die Sonderoperation findet in offiziellen zugänglichen Dokumenten nur wenig Platz


Der Föderale Dienst für technische und Exportkontrolle (FDTEK) bereitet einen Beschluss der Regierung der Russischen Föderation über Waren mit einer doppelten Zweckbestimmung, die man ohne eine besondere Genehmigung nicht ausführen darf, vor. Das heißt: Für die patriotischen Freiwilligen Russlands, die den Armee-Einheiten mit modernen Ausrüstungen helfen, dauern die Zoll-Schwierigkeiten mit Schutzwesten und Quadrocoptern (Drohnen) an. Überhaupt schlägt sich die am 24. Februar begonnene „militärische Sonderoperation“ wenig in den öffentlich zugänglichen Dokumenten der Offiziellen nieder. Ja, und das bereits besetzte Territorium der Ukraine soll scheinbar vorerst nicht als das eigene angesehen werden.

Das neue Dokument über eine besondere Exportkontrolle in Bezug auf Waren und Technologien mit einer zweifachen Zweckbestimmung (einer zivilen und einer militärischen) erarbeitet der FDTEK anstelle des bereits im Jahr 2011 verabschiedeten aus. Die Liste im Umfang etwa 500 Seiten ist auf dem Internetportal für eine öffentliche Erörterung normativer Dokumente veröffentlicht worden.

Gerade in den letzten Wochen haben sich in den patriotischen sozialen Netzwerk-Communities die Bekanntmachungen über die Sammlung von Mitteln für moderne Anlagen und Ausrüstungen gehäuft, die die Armee-Einheiten besonders brauchen würden, die Gefechte in Städten führen. Veröffentlicht werden bereits auch Berichte über ausgegebene Gelder. Dabei geht es um Millionen Rubel. Unter den Einkäufen dominieren elektronische Gadgets, Schutzwesten und Mini-Drohnen. Die Ausstattung der ukrainischen Truppen mit ihnen ist scheinbar für viele Experten zu einer unangenehmen Überraschung geworden. Es macht Sinn anzumerken, dass man derzeit in den sozialen Netzwerken die Zollorgane aufgrund der Ablehnung, diese Waren mit einer zweifachen Zweckbestimmung nicht nur nicht auf ukrainische Territorien, sondern selbst in die offiziell von Russland anerkannten Donbass-Republiken DVR und LVR passieren zu lassen, nicht so stark kritisiert.

Augenscheinlich ist doch irgendein halboffizielles Schlupfloch für den halblegalen Export gefunden worden, obgleich formal eben jene Drohnen für zivile Zwecke und Schutzwesten mit einer durchaus mittleren Schutzklasse nach wie vor besonders ausgestellte Genehmigungen erfordern. Übrigens, hinsichtlich der Konsequenzen des Nichtbegreifens der Bedürfnisse der russischen Kämpfer durch die Zöllner kursiert auf Telegram-Kanälen die Meinung eines der Donbass-Freiwilligen ausländischer Herkunft. Dieser versichert, dass die Schuld für die angeblich großen Verluste der Anfangsperiode der von Präsident Wladimir Putin befohlenen und international umstrittenen Sonderoperation gerade bei dieser russischen Institution liege. Diesen Post hat unter anderem auch der ostukrainische Politiker mit einer radikal prorussischen Orientierung Oleg Zarjow (der fast 52jährige war lange Zeit Abgeordneter im ukrainischen Parlament – Anmerkung der Redaktion) übernommen.

Und außerdem hat Zarjow persönlich die Handlungen der Zöllner an der Grenze der Krim und des ukrainischen Verwaltungsgebietes Cherson, das bereits über zwei Monate lang als ein vollkommen von den Offiziellen Kiews befreites Territorium der Ukraine gilt und wohl nie wieder unter die Kiewer Kontrolle gelangen wird, kontrolliert. Es ist zu sehen, dass er versucht, ein Optimist zu sein. Seine „Reisenotizen“ verlaufen jedoch in eine entgegengesetzte Richtung. „An dieser Grenzübergangsstelle ist alles weitaus besser als in Saporoschje. Aber die Warteschlange der Fahrzeuge mit Waren beobachtend, denke ich darüber nach, wenn denn die schon längst herangereifte Entscheidung über eine Vereinfachung der Einfuhr von Waren auf die befreiten Territorien und über eine Erhöhung der Durchlasskapazität der Grenzübergänge getroffen wird. Ich habe darüber mehrfach geschrieben und weiß, dass der Entscheidungsprozess in Gang gesetzt wurde. Ich sehe aber mit eigenen Augen. Das Problem besteht nach wie vor und erfordert eine Lösung“, betonte Zarjow. Und er bekundete noch das Bedauern, dass in der Nachricht über die Absicht der Regierung der Russischen Föderation, die Arbeit der Grenzübergangsstellen zu vervollkommnen, nicht von denen die Rede sei, die sozusagen an der ehemaligen russisch-ukrainischen Grenze liegen.

Es sei daran erinnert, dass im April die patriotisch eingestellt Öffentlichkeit Russlands angefangen hatte, sich über einige Veränderungen in der Arbeit der Staatsorgane der Russischen Föderation zu freuen, die scheinbar angefangen hatten, die sogenannte militärische Sonderoperation zur Kenntnis zu nehmen. Jedoch weiter als vereinzelte Aktionen und richtige Worte von Beamten hat sich die Situation bisher scheinbar nicht vorwärtsbewegt, wie auch zuvor prognostiziert worden war. Und eben jener Zarjow, der in Kiew als ein Kollaborateur angesehen wird, hofft erneut nur, dass die Probleme an der Grenze „in den Bereich der Aufmerksamkeit der hochrangigen Arbeitszimmer gelangen werden, besonders angesichts der Sommersaison und der Hoffnungen auch der Landwirte aus dem Gebiet von Cherson auf eine Realisierung ihrer Erzeugnisse in Russland“. Kurzum: Das Beispiel des erwähnten FDTEK belegt, dass die Regierung von Premier Michail Mischustin publik den Anschein erweckt, dass sie formal nichts mit der Sonderoperation zu tun habe. In der Liste der Waren für eine zweifache Zweckbestimmung werden beispielsweise direkt unterschiedliche Ausnahmen ausgewiesen – sowohl technologischer Art als auch durch den gesunden Menschenverstand diktierte. Die Frage ist da: Warum hat die Sonderoperation keinen Niederschlag in einer speziellen Ausnahme aus den allgemeinen Regeln oder zumindest in Gestalt eines Verweises auf mögliche besondere Anordnungen der Offiziellen gefunden?

Übrigens, Zarjow unterstreicht bzw. rühmt sich in seinen sozialen Netzwerken der freundschaftlichen Beziehungen mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Föderationsrates (des Oberhauses des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) und Generalsekretärs der Kremlpartei „Einiges Russland“ Andrej Turtschak, der dieser Tage unverblümt erklärt hatte, dass Russland im Gebiet von Cherson für immer bleiben werde (sprich: für Moskau ist in dieser Region die Territorialfrage zu Ungunsten der Ukraine bereits entschieden worden – Anmerkung der Redaktion). Derweil erläuterte der Chef der Militär- und Zivilverwaltung dieser Region Wladimir Saldo (wird in Kiew als ein Kollaborateur angesehen – Anmerkung der Redaktion) in einem Interview für die russische staatliche Nachrichtenagentur TASS, dass es keine Pläne gebe, um das Gouvernement Taurien aus den Zeiten des Russischen Imperiums wiederherzustellen, d. h. sich mit Krim und Saporoschje zu vereinigen, was gerade Spitzenvertreter der Halbinsel angedeutet hatten. „Vielleicht wird – dies ist meine Vermutung – irgendein föderaler Bezirk gebildet, zu dem die Krim und die Verwaltungsgebiete Cherson und Saporoschje gehören werden. Das Verwaltungsgebiet wird aber ein Verwaltungsgebiet bleiben. Pläne für dessen Veränderung der Verwaltungs- und territorialen Strukturen gibt es nicht“, erklärte Saldo.

Vor dem Hintergrund dessen, dass gerade die Krim Waren sowie Kraft- und Brennstoffe für die Einwohner von Saporoschje lieferte und die Erklärungen abgab, dass sie bereit sei, dort Agrarerzeugnisse einzukaufen, sind die neuen Akzente einer Abkühlung besonders spürbar. Freilich ist bisher nicht sehr klar, von woher der Wind weht. Entweder hat die traditionelle ukrainische Politik des Clan-Typs ihre fröhliche Urständ gefeiert oder es ist doch ein Signal aus dem Kreml erhalten worden, wonach die sattsam bekannten „befreiten Territorien“ vorerst nicht endgültig gerade als russische anzusehen seien. Das heißt, dass die Variante, wenn nicht einer Volksrepublik Cherson und Volksrepublik Saporoschje, so zumindest einer gewissen Taurischen Volksrepublik doch nicht ausgeschlossen ist.