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Die Sonderoperation – vom Donbass bis zu den Karpaten


Russlands Außenminister Sergej Lawrow konstatierte, dass die militärische Sonderoperation in der Ukraine „längst über die Grenzen der Donbass-Republiken DVR und LVR hinausgegangen ist. Jetzt sind dies auch noch die Verwaltungsgebiete Cherson und Saporoschje sowie eine Reihe anderer Territorien“. Derzeit haben die Truppen der Russischen Föderation sowie der DVR und LVR Awdejewka erreicht, ein Schlüsselpunkt der ukrainischen Verteidigung im Donbass. Von dort aus hatten noch vor Beginn der Sonderoperation, die am Freitag bereits den 149. Tag andauert, ukrainische Kräfte regelmäßig Donezk beschossen, wobei gegenwärtig für das Führen von Schlägen US-amerikanischen M-777-Haubitzen und Mehrfach-Raketenwerfer HIMARS eingesetzt werden. „Die USA und ihre Verbündeten hatten sich verpflichtet, der Ukraine mehr als 20 HIMARS-Systeme zur Verfügung zu stellen, von denen zwölf bereits übergeben wurden“, teilte Mark A. Milley, Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, mit. Bei der Zustimmung zur Lieferung dieser Waffen, hatte Washington erklärt, dass es mit ihnen Munition mit einer Reichweite von maximal 80 Kilometern übergeben werde.

Der Chef des ukrainischen Verteidigungsministeriums, Alexej Resnikow, prahlt jedoch damit herum, dass Kiew bereits Geschosse habe, die in der Lage sind, 300 Kilometer weit zu fliegen. Und der Vertreter der Hauptverwaltung für Aufklärung des Verteidigungsministeriums der Ukraine, Wadim Skibizkij, droht an, Schläge gegen die Ukraine unter Einsatz amerikanischer HIMARS-Systeme zu führen. „Die Halbinsel Krim ist zu einem Hub der Russischen Föderation geworden. Und folglich kann die Ansammlung in Form von Militärtechnik, Munition und Materialien zu einem Ziel der Mehrfach-Raketenwerfer werden“.

Sergej Lawrow versuchte, auf diese Androhungen zu antworten. „Nun, das bedeutet, dass die geografischen Aufgaben von der gegenwärtigen Linie noch weiter weggerückt werden. Denn wir können nicht zulassen, dass sich auf dem Teil der Ukraine, den (Wladimir) Selenskij oder der, der ihn ablösen wird, kontrollieren wird, Waffen befinden, die eine direkte Gefahr für unser Territorium und das Territorium jener Republiken, die ihre Unabhängigkeit erklärten, und derjenigen, die ihre Zukunft selbständig bestimmen wollen, darstellen werden“. Der Minister präzisierte nicht, wo dann gerade neue Trennungslinien auftauchen werden. Wenn die verbündeten Streitkräfte der Russischen Föderation sowie der DVR und der LVR bis zu den Grenzen des Verwaltungsgebietes Kiew gelangen, wird dies die unter Kontrolle genommenen Territorien vor einem Beschuss bewahren? Und wenn nicht, bedeutet dies dann, dass man die Bewegung bis zur Westgrenze der Ukraine, bis hin zu den Karpaten fortsetzen muss?

Bisher läuft nicht alles so rund mit der Demilitarisierung der Ukraine in dem Format, wie man es anfangs umrissen hatte. Obgleich das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation behauptet, dass bereits tausende unterschiedliche Militärobjekte der Ukraine vernichtet worden seien, schicken sich die Kiewer Offiziellen nicht an, zu kapitulieren. Im Gegenteil, sie versprechen, bis zum Sieg zu kämpfen. Und die Arsenale der Ukraine füllen viele Länder auf. Unter diesen Bedingungen wird zu einem Gradmesser für die Effektivität der Handlungen der Russischen Föderation nur die Fläche des unter Kontrolle gebrachten Territoriums (im Sprachgebrauch von Kiew: „der okkupierten Gebiete“ – Anmerkung der Redaktion). Bis zu welcher Markierung muss da also gekämpft werden und zu welchem Zeitpunkt wird die Demilitarisierung abgeschlossen – wenn das gesamte Territorium der Ukraine unter der Kontrolle der Russischen Föderation sein wird? Dies kann direkt nicht formuliert werden. Die Erklärungen von Lawrow erlauben jedoch, die Vermutung anzustellen, dass man in Moskau die Risiken begreift und sich nicht durch einen Rahmen einschränken möchte, damit man nicht dann – sich selbst dementierend – das neue Vorrücken der russischen Truppen erklären muss. Die Erklärung Lawrows bleibt gleichfalls ein Signal an den Westen: „Je mehr Sie weitreichende Waffen an die Ukraine liefern, umso weniger wird von der Ukraine bleiben“.

Auf den Westen macht dies jedoch vorerst keinen Eindruck. Auf jeden Fall hat die Chefin des Außenministeriums von Deutschland Lawrows Worte als ein „traditionelles Attribut der russischen Propaganda“ bezeichnet. Mehr noch, Pentagon-Chef Lloyd Austin betont, dass in der Ukraine ein Wendepunkt anbreche.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat innerhalb der jüngsten Vergangenheit die LVR und DVR das zweite Mal besucht, wobei er Berichte des Kommandierenden der Gruppierung „Süden“, Sergej Surowikin, und des Kommandierenden der Gruppierung „Zentrum“, Alexander Lapin, entgegennahm. Dem verbreiteten Video nach zu urteilen, saß neben dem Minister Sergej Rudskoi, der Chef der Operativen Hauptverwaltung des Generalstabs. Es ist möglich, dass dies alles auch mit der Vorbereitung einer ernsthaften Offensive der verbündeten Streitkräfte zusammenhängt. Sie kann in den Verwaltungsgebieten Cherson, Charkow, aber auch Saporoschje erfolgen – entsprechend den fließenden geografischen Aufgaben der von Präsident Wladimir Putin am 24. Februar befohlenen militärischen Sonderoperation.