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Die Transportrouten des kasachischen Erdöls werden nach Aserbaidschan umorientiert


Die Präsidenten Kasachstans und Aserbaidschans haben in Astana Fragen der Handels- und Wirtschafts-, der Transport- und Transit- sowie der humanitären Zusammenarbeit erörtert. Im Vorfeld erfolgte in Baku ein Business-Forum von Unternehmen beider Länder, zu dessen Ergebnissen Verträge über insgesamt 55 Millionen Dollar unterzeichnet wurden. Eines der Schlüsselthemen der Verhandlungen auf höchster Ebene waren Fragen nach kasachischen Öllieferungen nach Aserbaidschan mit einem weiteren Vordringen auf westliche Märkte.

Das kasachische Staatsoberhaupt Qassym-Schomart Tokajew schenkt der Entwicklung alternativer Lieferrouten für Kasachstans Erdöl auf die internationalen Märkte besondere Aufmerksamkeit, da ein Großteil des geförderten Rohstoffs bisher über russisches Territorium exportiert wird. Kasachstan würde gern bis zu acht Prozent seines Erdöls über aserbaidschanisches Territorium exportieren. Die Gespräche mit Baku dazu hatten bereits im vergangenen Jahr begonnen, als Tokajew Aserbaidschan einen offiziellen Besuch abstattete.

Im vergangenen Jahr unterzeichneten die Seiten ein 5-Jahres-Abkommen über Lieferungen von 1,5 Millionen Tonnen Erdöl im Jahr ab dem Terminal „Sangatschal“ mit einer weiteren Beförderung durch die Pipeline Baku-Tbilissi-Ceyhan. Bis Ende April sollen über diese Route 125.000 Tonnen vom Tengiz-Feld exportiert werden, teilte der Pressedienst des Konzerns „KazTransOil“ mit (Mit Stand vom 20. April sind bereits 86.000 Tonnen exportiert worden. – Anmerkung der Redaktion). Obgleich früher erklärt worden war, dass es für die aserbaidschanische Seite vor allem aufgrund der Unterschiede in der Öl-Qualität unvorteilhaft sei, die Pipeline bis nach Ceyhan für kasachisches Öl bereitzustellen. Das kasachische Öl steht qualitativ erheblich den Kohlenwasserstoffen aus Aserbaidschan nach. Daher hatte sich die aserbaidschanische Seite auf jegliche Weise bemüht, ihr Öl mit dem kasachischen zu vermischen, da sich die Qualität des Rohstoffs letztlich auf dessen Preis auswirkt.

In diesem Jahr wird gleichfalls geplant, die Route Aktau-Baku zu nutzen, über die bis zu 3,5 Millionen Tonnen Erdöl befördert werden sollen. Dazu kommen kasachische und aserbaidschanische Tanker auf paritätischer Grundlage zum Einsatz.

Das Problem besteht aber darin, dass die Ölmengen auf dieser Route minimale sind, obgleich es Perspektiven gibt. Laut Angaben von Spezialisten könne man das Potenzial des Hafens von Aktau bis auf 20 Millionen Tonnen erhöhen. Dafür müsse die kasachische Seite umfangreich Investitionen vornehmen, „aber auch eine umfassende Modernisierung der gesamten Hafenwirtschaft durchführen und – das Wichtigste – zwei Seeterminals am Kaspischen Meer errichten und eine Tankerflotte erwerben, da Kasachstan keine Pipeline auf dem Kaspi-Meeresgrund hat. Arbeiten erfolgen bereits in dieser Richtung“, sagte der „NG“ Dossym Satpajew, Direktor der Gruppe für die Bewertung von Risiken. In der Zukunft könne dieser Hafen zwei Funktionen wahrnehmen. Die erste ist eine Erweiterung des Exports kasachischer Energieressourcen via Aserbaidschan, der Türkei und weiter nach Europa. China hat bereits eine alternative Route über das Kaspische Meer unter Umgehung Russlands in Betrieb genommen. Dies ist eine weniger komfortable Route, sie werde aber als Alternative stärker genutzt, meint Satpajew.

Zu den nächsten Plänen Kasachstans gehört, über das Territorium von Aserbaidschan bis zu sechs Millionen Tonnen Erdöl zu exportieren. Laut Informationen von Reuters habe Baku Astana angeboten, die Pipeline Baku-Supsa zu nutzen, da im Frühjahr vergangenen Jahres die Beförderung von Kaspi-Öl über diese unterbrochen wurde. Die Ölpipeline Baku-Supsa ist eine Leitung für den Transport von Kaspi-Öl ab dem Terminal „Sangatschal“ unweit von Baku am Kaspi-Ufer bis zum georgischen Hafen Supsa, der sich am Schwarzen Meer befindet. Bisher geht es um ein Durchpumpen von fünf Millionen Tonnen ab dem Qashgan-Feld im kasachischen Schelfgebiet.

Somit unternimmt Kasachstan konsequent Schritte für eine Erweiterung der Ölexporte unter Umgehung Russlands, wobei es sich auf Aserbaidschan mit Präsident Ilham Alijew umorientiert. Experten sind der Auffassung, dass der Öl-Transport über die transkaspische Route die perspektivreichste Variante für eine Umlenkung der Öl- und Warenströme sei. „Die Transkaspische internationale Transportroute (TITR) ist nach Beginn der Sonderoperation (Russlands) in der Ukraine zu einer Priorität nicht nur für Kasachstan geworden. Auf offizieller Ebene hat Tokajew begonnen, häufiger über das Transitpotenzial Kasachstans und über den Export kasachischer Erzeugnisse via Aserbaidschan zu sprechen“, betonte Satpajew.

Über die Erfolge der Zusammenarbeit auf der TITR berichtete Serik Shumangarin, Vizepremier sowie Handels- und Integrationsminister Kasachstans, im Verlauf der 19. Tagung der Regierungskommission Aserbaidschan-Kasachstan, berichtete das Internetportal www.trend.az. Shumangarin ist gleichfalls Co-Vorsitzender dieser Kommission. Die aserbaidschanische Seite hatte Energieminister Parviz Schachbazov vertreten. Nach Aussagen von Shumangarin baue Kasachstan die Bahnstrecke Dostyk-Majynty an seinen Ostgrenzen, was erlauben werde, die Anzahl der aus China kommenden Züge von zwölf bis auf 60 am Tag zu erhöhen. Im Hafen von Aktau würde bald ein Container-Hub seine Arbeit aufnehmen, der gleichfalls die Arbeit der Route positiv beeinflussen werde.

Der kasachische Minister teilte ebenfalls mit, dass im Rahmen der Handelsmission, die Anfang April in Baku erfolgte, acht Verträge mit einem Gesamtwert von mehr als 55 Millionen Dollar unterzeichnet wurden. Dabei bewertete er den Handelsumfang von 400 bis 500 Millionen Dollar als einen geringen und fügte hinzu, dass „Baku und Astana ein großes Potenzial besitzen, das man realisieren muss“. Er teilte mit, dass die Seiten die Lieferungen von 110 Arten kasachischer Nicht-Rohstoffwaren über eine Summe von mehr als 304 Millionen Dollar auf den Markt Aserbaidschans erörtern würden. Dies sind Produkte der Metallurgie, Petrolchemie, Lebensmittelindustrie, des Maschinenbaus und der Pharmazeutik sowie Baumaterialien. „Die Erweiterung des Exports nach Aserbaidschan wird unter anderem durch die Lieferungen von Fracht- sowie kombinierten Fracht-Passagierschiffen und Fähren, Gleise und andere Fertigerzeugnisse abgesichert“, informierte Serik Shumangarin. Nach seinen Worten sei eine Vereinbarung über die Ausdehnung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der intermodalen Frachtgut-Bahntransporte auf den Routen Aserbaidschan-Kasachstan-Aserbaidschan sowie Kasachstan-Türkei/Europa-Kasachstan mit einem Transit via Aserbaidschan erzielt worden. Im Rahmen des Projekts „Digitale Seidenstraße“ wurde eine Vereinbarung über die Fortsetzung der Realisierung des Projekts für die gemeinsame Schaffung von Glasfaser-Fernmeldelinien über den Meeresboden des Kaspischen Meeres, die Kasachstan und Aserbaidschan verbinden, erzielt.

Aserbaidschans Energieminister Parviz Schachbazov betonte die Wichtigkeit des 5-Jahres-Vertrages, der zwischen den nationalen Öl- und Gas-Konzernen der Länder — SOCAR und KazMunaiGaz — unterschrieben wurde. Hinsichtlich der sogenannten „grünen“ Energie sagte Schachbazov, dass Aserbaidschan und Kasachstan effektiv Erfahrungen auf dem Gebiet der „sauberen“ Energie austauschen würden. Er betonte die Bereitschaft Aserbaidschans zur Zusammenarbeit mit Unternehmen aus Kasachstan sowohl auf dem Gebiet der traditionellen als auch im Bereich der erneuerbaren Energiequellen.