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Die Ukraine bittet Indien um Hilfe


Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij hat sich in einem Telefonat an Indiens Premierminister Narendra Modi mit dem Appell gewandt, bei der Umsetzung seiner aus zehn Punkten bestehenden Friedensformel Unterstützung zu leisten. Das Gespräch erfolgte zu einer Zeit, in der Delhi anstrebt, den Handel mit Moskau entgegen den Sanktionen des Westens zu verstärken. Dennoch versucht Kiew, Indien zu veranlassen, auf seine Seite zu treten, wobei es darauf verweist, dass Modi früher dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sagte: Derzeit ist nicht die Zeit für einen Krieg. Nach Meinung von Experten seien die Hoffnungen der Ukraine vage, da der Selenskij-Plan eine Übergabe der Krim an die Ukraine und eine Bestrafung der Personen, die für die militärische Sonderoperation verantwortlich sind, vorsieht.

„Ich habe eine Friedensformel verkündet und hoffe jetzt auf ihre Umsetzung unter Beteiligung Indiens. Ich habe gleichfalls für die humanitäre Hilfe und Unterstützung in der UNO gedankt.“ So hatte Selenskij seine Botschaft auf Twitter dargelegt. Das ukrainische Staatsoberhaupt handelt vorauseilend. Schließlich wird Indien zum Vorsitzenden der G-20 und wird diese Rolle ein ganzes Jahr lang bewahren. Wobei der Präsident der Ukraine beim Berichten über das Gespräch die Erörterung bzw. Diskussion in einem für sein Land vorteilhaften Licht darstellt und verschweigt, wie die Antwort Modis und der indischen offiziellen Vertreter konkret aussah.

Derweil habe laut der halboffiziellen indischen Nachrichtenagentur PTI Modi gesagt, dass beide Seiten zu einem Dialog zurückkehren müssten. Indien unterstütze jegliche Friedensanstrengungen. Anders gesagt: Nicht nur Russland, sondern auch die Ukraine müssten sich den Methoden der Diplomatie zuwenden.

Laut einer Version von Reuters hätte Selenskij daran erinnert, dass er gerade beim G-20-Summit in Indonesien seinen Plan aus zehn Punkten unterbreitet hätte. Die indische Regierung hat aber in ihrer Erklärung andere Themen des erfolgten Gesprächs in den Vordergrund gerückt: „Der Premierminister erklärte, dass die Priorität für Indien während des Vorsitzes in der G-20 darin bestehen werde, die Besorgnis der Entwicklungsländer hinsichtlich solcher Fragen wie die Lebensmittel- und Energiesicherheit zu artikulieren“. Modi habe, fuhr die Nachrichtenagentur fort, seinen Appellunverzüglich den Kampfhandlungen in der Ukraine ein Ende zu bereiten, wiederholt.

Indien hat Russland aufgrund des Konfliktes in der Ukraine nicht verurteilt. Solch eine Haltung untermauert dies, dass es sich in den zweitgrößten Käufer russischen Erdöls nach China verwandelte. Indien erwirbt Erdöl der Marke Urals zu Preisen, die erheblich unter dem Preisdeckel von 60 US-Dollar für einen Barrel, der von den westlichen Ländern festgelegt wurde und seit dem 5. Dezember 2022 gilt, liegen.

Wobei Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar darauf verwies, dass sich Indien weltweit an dritte Stelle hinsichtlich des Verbrauchs von Erdöl und Erdgas befinde. Da aber das Einkommensniveau der Bevölkerung nicht hoch ist,

Moskau und Delhi suchen nach Wegen, um den Handel zu erweitern. Russland sandte im November den Indern eine Liste von mehr als 500 Waren, die für den indischen Markt angeboten werden. Da waren sowohl Autos als auch Flugzeuge und Eisenbahnzüge. Und Indien legte im Streben, den Warenaustausch auszubalancieren, auch ein Verzeichnis seiner Waren für Russland vor.

In einem Gespräch mit der „NG“ betonte Alexej Kuprijanow, Leiter der Südasien-Gruppe im Je.-M.-Primakow-Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen: „Wenn man entsprechend der indischen Presse urteilt, so ist man sich in diesem Land nicht sicher, ob es sich lohne, sich vom Prinzip her in die Situation in der Ukraine einzumischen. Einerseits besteht die Versuchung, sich einzumischen, zu demonstrieren, dass Indien eine der Großmächte ist, dass man es bittet, ein Schiedsrichter bei der Lösung von Streitfällen zu sein. Andererseits besteht das Risiko, in einen Konflikt zu geraten, den Indien ganz und gar nicht braucht. Die Friedensformel, die die Ukraine vorschlägt, wird wahrscheinlich keine Unterstützung Indiens erhalten, da es dort Punkte gibt, die Bestrafungen für russische Militärs und Politiker vorsehen. Wenn es aber um einen humanitären Waffenstillstand geht, so kann Indien an ihm teilnehmen.

Indien nimmt eine neutrale und für Russland eine recht freundschaftliche Position ein. Es braucht überhaupt nicht diesen Konflikt. Bis zu ihm hatte sich Indien komfortabel gefühlt, rechnete damit, sich in die weltweit dritte Wirtschaftsmacht zu verwandeln, wobei die Widersprüche zwischen China und den USA und die Umsiedlung westlicher Firmen aus China nach Indien ausgenutzt werden. Der Konflikt in der Ukraine versetzte aber Indien in eine schwierige Lage. Es möchte Russland als strategischen Partner bewahren. Zur gleichen Zeit verstärkt der Westen den Druck auf Indien“.

Hinsichtlich der Wirtschaft sagte der Experte, dass im Zusammenhang mit dem Chaos im Welthandel und der Umorientierung der russischen Wirtschaftsbeziehungen gen Osten Indien und Russland zu bestimmen versuchen würden, was getan werden müsse, um das Defizit Indiens im bilateralen Austausch zu liquidieren. Wobei das Defizit zunehme. Indien habe eine riesige Menge an Erdöl gekauft. Und die Rupien würden auf russischen Konten deponiert werden, resümierte Kuprijanow.