Im Parlament der Republik Moldowa ist man aufgrund der Inbetriebnahme der 4. Turbine im Ukrainischen Wasserkraftwerk in Nowodnestrowsk beunruhigt. Wenn die Ukrainer noch drei weitere Turbinen in Betrieb nehmen, was durch den Plan der Bauarbeiten vorgesehen ist, wird Moldawien laut Aussagen der Abgeordneten Jelena Bondarenko ohne dem Wasser bleiben, das es aus dem Dnestr nimmt. Parlamentarier werfen der Präsidentin Maia Sandu vor, dass sie bei ihrem jüngsten Kiew-Besuch dieses Problem nicht ansprach. Außerdem hegen Abgeordnete den Verdacht, dass der Ukraine 19 Hektar des moldawischen Ufers für die Kaskade der ukrainischen Wasserkraftwerke verpachtet worden seien.
Dass die Einwohner Moldawiens ohne Wasser bleiben können, haben bereits im Jahr 2016 Ökologen gewarnt. Sie hatten erklärt: Der Zustand des Dnestrs verschlechtere sich, der Fluss werde seichter und können versanden. Die Schuld an allem hat man den ukrainischen Energetikern zugeschrieben, die monopolistisch das System der Wasserkraftwerke und anderen Anlagen am Dnestr verwalten, wobei sie die Energiewirtschaft an die erste Stelle und nicht die Ökologie setzen würden.
Der Leiter der internationalen Assoziation der Beschützer des Dnestrs „Eco-Tiras“, Dr. biol. Ilya Trombitsky, warnte: „Der Dnestr verwandelt sich auf dem Territorium Moldowas zu einem aufgestauten Sumpf, und Kischinjow und andere Ortschaften können ohne Trinkwasser bleiben. Auch wird ein aktives Absterben des Dnestr-Deltas beginnen, dass sich im Rahmen der Konvention über Feuchtgebiete (Ramsar-Konvention von 1971, die 1975 in Kraft getreten ist – Anmerkung der Redaktion) unter internationalem Schutz befindet“.
Derweil ist die Ukraine entsprechend der Konvention über die grenzüberschreitende Umweltbeeinflussung (Espoo-Konvention über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen – Anmerkung der Redaktion), die 1991 verabschiedet wurde, verpflichtet, sich mit Moldowa in derartigen Fällen zu konsultieren.
„Wir haben die Frage hinsichtlich des geplanten Baus von sechs Wasserkraftwerken auf dem Territorium der Ukraine angesprochen und die Aufmerksamkeit der moldawischen Regierung darauf gelenkt, dass man Kischinjow nicht darüber in Kenntnis gesetzt habe. Wenn die ukrainische Seite uns nicht informiert, so muss man sie daran erinnern. Letztlich gibt es auch die europäische Gesetzgebung, die Moldowa und die Ukraine im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Assoziation mit der EU einhalten müssen. So verpflichtet die Wasser-Rahmendirektive der Europäischen Union aus dem Jahr 2000 die Länder, die eine grenzüberschreitende Wasserader trennt, Abkommen über die gemeinsame Ausarbeitung von Plänen und zur Verwaltung der Flüsse abschließen“, erklärte Trombitsky.
Außer der Entwässerung eines ganzen Landes wirkt sich das ukrainische Vorhaben auch auf die Energiewirtschaft aus. Dies erklärte der Leiter der gesellschaftlichen Organisation „Ökospektr“ aus der Stadt Bendery (deutsch: Bender) in Transnistrien, Iwan Ignatjew, in einem Interviel der „Deutschen Welle“. Die Kaskade von Wasserkraftwerken am Oberlauf des Flusses beeinflusse aus seiner Sicht die Stabilität der Arbeit des Wasserkraftwerkes Dubăsari am weiteren Flussverlauf. Es versorgt 80 Prozent der Verbraucher in Transnistrien, wo laut Angaben der Bevölkerungszählung des Jahres 2015 über 475.000 Menschen leben, mit Elektroenergie.
Der Direktor des in Kischinjow ansässigen Zentrums für strategische Forschungen und politisches Consulting „Politicon“, Anatol Țăranu, konstatierte gegenüber der „NG“: „Die Ukraine errichtet eine Kaskade von Wasserkraftwerken am Dnestr. Für Moldowa ist dies eine wichtige Wasserader. Mehr noch, dies ist ein ernsthaftes ökologisches Problem, dessen Lösung ohne Berücksichtigung der Interessen Moldowas explosionsgefährlich ist“.
Derweil wird die Errichtung der Kaskade fortgesetzt. Dieser Tage wurde die 4. Turbine des Ukrainischen Wasserkraftwerks in Nowodnestrowsk in Betrieb genommen.
Die Fraktion des Blocks der Kommunisten und Sozialisten im Parlament signalisierte die Absicht, Anhörungen aus diesem Anlass unter Beteiligung von Vertretern der Regierung zu organisieren. Die Abgeordnete dieses Blocks Jelena Bondarenko lenkte das Augenmerk auf die Pläne der ukrainischen Offiziellen, weitere drei Turbinen in Betrieb zu nehmen. Dies könne, unterstrich sie, dazu führen, dass der Dnestr ganz und gar ohne Wasser bleibe. Zur gleichen Zeit erinnerte der Abgeordnete Vlad Batryncha (aus dem gleichen Block) daran, dass der Dnestr die Einwohner vieler Ortschaften der Republik, darunter Kischinjow mit Wasser versorge. Batryncha äußerte darüber Empörung, dass die Offiziellen des Landes inkl. Präsidentin Maia Sandu diese Frage bei den Kontakten mit der Führung der Ukraine nicht ansprechen würden. „Wir verstehen nicht das Schweigen, darunter von Maia Sandu, die ein Treffen mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Wladimir Selenskij hatte, die aber auch nicht in den Gesprächen mit ihm diese Frage – die aus unserer Sicht wichtigste Frage in den bilateralen Beziehungen – angesprochen hat. Wir haben keine Alternative. Wir müssen den Dnestr bewahren“, sagte der Abgeordnete aus der Partei der Sozialisten der Republik Moldowa. Die Fraktion des Blocks der Kommunisten und Sozialisten, fügte er hinzu, fordere bei der ersten Tagung der neuen Tagungsserie des Parlaments die Durchführung von Anhörungen zu dieser Frage unter Beteiligung von Vertretern der Regierung, darunter aus dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und europäische Integration.
Jedoch ist es unmöglich, ohne eine offizielle Zustimmung aus Kischinjow die ukrainische Kaskade in Betrieb zu nehmen, da die Bauarbeiten auch auf dem rechten, dem moldawischen Ufer des Dnestrs vorgenommen werden müssen. Zuvor hatte sich der entsprechende ukrainische Konzern und Auftraggeber „Ukrhydroenergo“ offiziell an die Regierung der Republik Moldowa mit der Bitte gewandt, 19 Hektar Land zu pachten. Im moldawischen Parlament hat man dazu konstatiert: „Es gibt Angaben darüber, dass die ukrainischen Energetiker diese Genehmigung bereits erhalten haben“.
Über die territoriale Seite des Dnestr-Deals der beiden Staaten hat man in Kischinjow aktiv nach dem Kiew-Besuch von Maia Sandu im vergangenen Jahr, gleich nach ihrem Amtsantritt als Präsidentin, gesprochen. „Ich hoffe sehr, dass unsere Delegation nicht zugesagt hat, unser Territorium abzutreten“, kommentierte Ex-Premier Ion Chicu den Kiew-Besuch der moldawischen Staatschefin.
Maia Sandu teilte damals mit, dass sie mit Selenskij die Frage des hydroenergetischen Objekts diskutiert hätte, da es die Interessen Moldowas tangieren würde. Sandu erklärte, dass sie auf einer Expertise bezüglich des ukrainischen Projekts durch die Europäische Union bestehe.
Diese Tage hat das Staatsoberhaupt Moldowas erneut Kiew besucht, wo sie am Gründungssummit der „Krim-Plattform“ teilnahm. Sie traf sich mit Wladimir Selenskij. Jedoch gibt es keine Meldungen darüber, dass sie das Staatsoberhaupt der Ukraine an das Dnestr-Problem erinnert hätte.
Es sei daran erinnert, dass die Gesamtlänge des Dnestr, eines der längsten Flüsse Europas, 1362 Kilometer beträgt. Das Einzugsgebiet des Flusses erfasst zwei Drittel des Territoriums von Moldawien und versorgt zu 80 Prozent die Landesbevölkerung mit Trinkwasser. Für die Ukraine ist der Fluss der zweitwichtigste. Insgesamt leben im Einzugsgebiet des Dnestr rund acht Millionen Menschen.