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Die Ukraine versucht Davos, mit Militärtribunalen zu erpressen


Zum Auftakt des Weltwirtschaftsforums in Davos haben am Montag die Vertreter der Ukraine die Aufmerksamkeit auf die „Kriegsverbrechen der russischen Aggressoren“ akzentuiert. Und das russische Team des sogenannten internationalen gesellschaftlichen Ukraine-Tribunals dokumentierte hunderte Fakten von Kriegsverbrechen durch die ukrainische Seite.

Dass die Stiftung des ukrainischen Geschäftsmanns Viktor Pintschuk in Davos Räumlichkeiten, die früher als „Russisches Haus“ genutzt wurden, gemietet und sie in „Haus der Militärverbrechen Russlands“ umbenannt hatte, berichteten ukrainische Medien einiger Tage vor Beginn des Weltwirtschaftsforums. Der Präsident dieser Organisation Børge Brende hatte sich am Vorabend in einem seiner Interviews für die Realisierung eines Marshallplans für die Ukraine ausgesprochen.

Nach seiner Definition habe die russische Seite einen großen Teil der ukrainischen Infrastruktur vernichtet. Und daher müsse man schon jetzt beginnen, am Wiederaufbau des Landes zu arbeiten.

Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij rief im Rahmen einer Videokonferenzschaltung die Welt auf, sofort und auf maximale Weise die Freiheit und die „für alle nützliche Ordnung vor dem russischen Aggressor“ zu verteidigen. Und im Zusammenhang damit hielt er die Verhängung maximaler Sanktionen gegen die Russische Föderation für notwendig – in Gestalt eines Embargos für das russische Erdöl, einer vollkommenen Blockierung (ausnahmslos) aller Banken und eines Verzichts auf den russischen IT-Sektor, aber auch in Gestalt einer Einstellung jeglichen Handels mit der Russischen Föderation. Selenskij hofft, dass Vorschläge zum Wiederaufbau der Ukraine bereits entsprechend den Ergebnissen der internationalen Konferenz, die für Juli dieses Jahres im schweizerischen Lugano geplant ist, vorgelegt werden. Und erneut unterstrich er, dass sein Land Geld und Waffen brauche.

Die Generalstaatsanwältin der Ukraine Irina Wenediktowa berichtete bei der Eröffnung des erwähnten Pavillons, dass seit Beginn der Militäroperation der Russischen Föderation mindestens 4600 friedliche Ukrainer ums Leben gekommen seien. Nach ihren Aussagen seien tausende Verfahren eingeleitet worden, die mit Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine zusammenhängen würden. Und im Basis-Case gegen die Russische Föderation seien über 600 Verdächtige ausgewiesen worden. Zwei Fälle gegen drei Angeklagte würden sich zur Behandlung in ukrainischen Gerichten befinden, sagte Wenediktowa. Wie sie in den sozialen Netzwerken schrieb, „muss das Syndrom der Straffreiheit überwunden werden. Die Architekten des politischen Kurses und der Militärpolitik Russlands müssen begreifen, dass das Gesetz über der Gewalt steht“.

Die Stärke der ukrainischen Gesetze demonstrierte am Montag das Kiewer Solomenskij-Stadtbezirksgericht, das den 21jährigen russischen Militärangehörigen Wadim Schischimarin zu lebenslanger Haft verurteilte. Der sich am 28. Februar ergebene Unteroffizier wurde der Ermordung eines 62jährigen Zivilisten im Verwaltungsgebiet Sumy für schuldig befunden. Dafür hatte man erstmals in der ukrainischen Rechtsprechung den Artikel „Verletzung der Kriegsgesetze und -bräuche“. Und die gerichtliche Untersuchung erfolgte innerhalb einer Woche.

Die derartige Rechtsprechung erklärte der Verteidiger des Angeklagten Viktor Owsjannikow gegenüber Journalisten mit den Bedingungen der Kriegszeit und der gesellschaftlichen Resonanz. Aber auch damit, dass der Fall kein so komplizierter gewesen sei, „um viele Beweise untersuchen zu müssen“. Obgleich nach Einschätzung des Anwalts Schischimarin zu einer Geisel der Kriegszeit geworden sei und freigesprochen werden könnte, da er es anfangs abgelehnt hatte, den Befehl des Kommandeurs zu erfüllen, den Betroffenen zu erschießen, der einer Weitergabe von Informationen an ukrainische Militärs verdächtigt worden war.

Derweil haben sich in Moskau bereits Hurra-Patrioten gefunden, die ungeniert die Meinung verbreiteten, dass der Unteroffizier durch Folterungen zum Eingeständnis der Schuld genötigt worden sei. Außerdem widerspreche solch eine Operativität der ukrainischen Justiz allen legitimen Normen, behauptete gegenüber der „NG“ Maxim Grigorjew, Vorsitzender des angeblichen internationalen gesellschaftlichen Ukraine-Tribunals und Mitglied der Öffentlichen Kammer der Russischen Föderation. „Es ist völlig offensichtlich“, fuhr er fort, „dass in der Ukraine gegenwärtig ein Modell genutzt wird, dass bereits durch die westlichen Länder in Syrien erprobt wurde – mit Provokationen, inszenierten Aufnahmen und Fake-Zeugen, die sich offensichtlich in den eigenen Aussagen verstricken. Derartige inszenierte Geschichten halten nicht einmal einer minimalen objektiven Überprüfung stand, wie dies auch bei der Untersuchung der bekannten Provokation in Butscha mit der Ermordung Einheimischer der Fall, die russischen Militärs zugeschrieben wurde. Dabei haben die ukrainischen Militärs selbst hunderte reale Kriegsverbrechen begangen. Darunter rund 300 Diebstähle, Fälle eines Beschusses und Morde an Zivilisten inkl. Kinder, aber auch vorsätzliche Zerstörungen ziviler Objekte in Mariupol und anderen Ortschaften, die durch Opfer und unmittelbare Zeugen bestätigt wurden. All dies ist durch das Team des internationalen gesellschaftlichen Tribunals dokumentiert und an das Untersuchungskomitee der Russischen Föderation übergeben worden“. All diese Worte Grigorjews haben jedoch nichts mit dem Fall von Wadim Schischimarin gemein, überdies ignorieren sie die vorsätzlichen Zerstörungen ukrainischer ziviler Objekte durch die russische Armee.

Ungeachtet dessen müssten nach Auffassung des Politologen, der auf eine lange Karriere im russischen Staatsdienst verweisen kann, alle verübten und zu verübenden Kriegsverbrechen von Angehörigen der ukrainischen Streitkräfte und unterschiedlichen nationalistischen Bataillone im Weiteren eine rechtliche Bewertung erfahren. Möglicherweise müssten dafür nicht eine, sondern eine Serie von Tribunalen durchgeführt werden, wie dies beispielsweise in Bezug auf die faschistischen Kriegsverbrecher nach dem Großen Vaterländischen Krieg erfolgte.

Über die Vorbereitung eines internationalen Tribunals gegen diejenigen ukrainischen Militärs und Kämpfer der Einheit „Asow“ (die in der Russischen Föderation eine verbotene Organisation ist), die durch die Verübung von Kriegsverbrechen Schuld auf sich geladen und in Mariupol sich ergeben haben, berichtete im russischen Staatsfernsehen „Rossia-24“ am Montag das Oberhaupt der Donbass-Republik DVR Denis Puschilin. Wie er betonte, würden sich die Kriegsgefangenen, über 2400 Menschen in der Donezker Volksrepublik befinden. Derzeit werde mit ihnen die erforderliche Arbeit vorgenommen und gleichzeitig das künftige Tribunal vorbereitet. Ausgearbeitet würden die entsprechenden Dokumente, unter anderem ein Statut.

Das Thema der Kriegsgefangenen hatte am Montag auch Russlands Menschenrechtsbevollmächtigte Tatjana Moskalkowa aufgeworfen. Sie beklagte auf ihrem Telegram-Kanal, dass ihre mehrfachen Schreiben an das Internationale Rote Kreuz mit der Bitte, Informationen über russische Kriegsgefangene bereitzustellen und zu helfen, sie zu besuchen, bisher nicht die gewünschte Antwort ausgelöst hätten. Sie hätte auch keine Informationen über russische Kriegsgefangene in der Ukraine erhalten. Und auch darüber, ob sie beispielsweise Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes besucht und die sich überzeugt hätten, dass ihre Inhaftierung den Normen der Genfer Konvention entsprechen.

Wie Moskalkowa, eine studierte Juristin und langjährige hochrangige Mitarbeiterin des sowjetischen und dann des russischen Innenministeriums, erinnerte, hätte die russische Seite dem Internationalen Roten Kreuz die Möglichkeit gewährt, vom 17. bis einschließlich 20. Mai eine Registrierung der Militärs der ukrainischen Streitkräfte und der „Asow“-Angehörigen, die den Betrieb „Asowstahl“ in Mariupol verlassen hatten, vorzunehmen, was dem Internationalen Roten Kreuz erlauben werde, das Schicksal der Gefangenen zu verfolgen, Verwandte über deren Zustand zu informieren und die Einhaltung der internationalen Normen ihnen gegenüber zu kontrollieren.

Noch am gleichen Tag verpuffte dieser vor allem von den russischen Staatsmedien gepushte PR-Rummel, da der Pressedienst der internationalen Organisation in den Abendstunden eine Erklärung zu den Moskalkowa-Statements veröffentlichte. Man gestand eine Verzögerung beim Beantworten der Anfrage ein und sicherte zu, innerhalb kürzester Frist die angefragten Informationen zu übergeben. Im Moskauer Office des Internationalen Roten Kreuzes versicherten Vertreter der Organisation der „NG“, dass sie hunderte Kriegsgefangenen von unterschiedlichen Seiten besucht und die Verwandten über deren Schicksal in Kenntnis gesetzt hätten. Dabei würden die Inhaftierungsbedingungen und die Gewährleistung der Rechte der Gefangenen untersucht werden. Und über Fälle deren Nichteinhaltung werde die entsprechende Seite informiert, erläuterte man im Moskauer Büro der internationalen Organisation.

Neben einer Präzisierung der Informationen zur Anzahl und Zusammensetzung der Kriegsgefangenen sind die gewonnenen Angaben auch im Weiteren für die Vornahme eines Austauschs dieser Gefangenen wichtig. Natürlich müsse man einen Kriegsgefangenenaustausch vornehmen, pflichtete Maxim Grigorjew bei. Er selbst hatte früher vor Ort ukrainische Gefangene befragt, die sich ergeben hatten, und traf dabei oft Menschen, die es praktisch nicht geschafft hatten, an Gefechten teilzunehmen. Zur gleichen Zeit müssten aber jene, die festgestellte und aufgeklärte Kriegsverbrechen begangen haben, zum Beispiel aus der bereits erwähnten Einheit „Asow“, unbedingt vor Gericht gestellt werden, resümierte der Chef des sogenannten internationalen gesellschaftlichen Tribunals.