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Die ukrainisch-orthodoxe Kirche hat sich zu einer offenen Konfrontation mit der russisch-orthodoxen Kirche entschlossen


Die ukrainisch-orthodoxe Kirche (UOK) ist wohl erstmals zu einer offenen Konfrontation mit der russisch-orthodoxen Kirche übergegangen. Das Moskauer Patriarchat hatte die Eparchie (Diözese) Berdjansk unter seine Kontrolle gestellt und seinen Bischof dort ernannt. In Kiew erklärt man, dass sich die Eparchie in einem Unterstellungsverhältnis zur UOK befinde und sich ihr Oberhaupt nicht geändert habe. Während des Konflikts war in Moskau eine Delegation des Weltkirchenrates (WKR) eingetroffen, um die religiösen Jurisdiktionen Russlands und der Ukraine „auszusöhnen“.

Am Mittwoch war auf der offiziellen Internetseite der UOK eine Erklärung veröffentlicht worden: „Im Zusammenhang mit der Situation um die Eparchie Berdjansk der Ukrainisch-orthodoxen Kirche muss die Behandlung relativ der weiteren administrativen Handlungen in ihr ausschließlich auf der Ebene des kanonischen Rechts der orthodoxen Kirche erfolgen“. Gleichfalls wurde unterstrichen, dass den Geistlichen der Eparchie von Berdjansk, die „Wirren und Versuchung in den Herzen der Gemeinde säen“, entsprechend den Kanons der orthodoxen Kirche „eine Vornahme von Handlungen als Geistliche verboten wird“.

Die Veröffentlichung war dadurch ausgelöst worden, dass die Eparchie von Berdjansk, die sich auf den neuen Territorien Russlands befindet, auf Beschluss der Heiligen Synod der russisch-orthodoxen Kirche direkt Patriarch Kirill untergeordnet wurde. Am 1. Mai hatte sich eine Versammlung von Geistlichen der Eparchie (76 der 86 Kleriker bei fünf Nichtanwesenden und fünf Gegenstimmen) an den Patriarchen mit einem Schreiben gewandt, in dem über die Abreise des Metropoliten von Berdjansk und Primorsk (im Verwaltungsgebiet Saporoschje – Anmerkung der Redaktion), Efrem (Jarinko), informiert und den Patriarchen bittet, „sie unter seinen väterlichen Omophor des Ersthierarchen zu unterstellen“, um „ein vollwertiges Leben der Hierarchie zu organisieren“. Der Heilige Synod der ROK ernannte ein neues Oberhaupt – Bischof Luka (Woltschkow) – und wies an, während der Gottesdienste in den Kirchen der Eparchie den Namen des Patriarchen von Moskau zu erwähnen. In der russisch-orthodoxen Kirche versicherte man, dass man sich mit Efrem (Jarinko) in Verbindung gesetzt hätte. Und er „bestätigte in einem Telefonat, dass er aus dem Verwaltungsgebiet Saporoschje ins ferne Ausland gehe“.

Kiew hat eine andere Version. Ausgewiesen wird, dass Jarinko angeblich die Erlaubnis des Metropoliten von Kiew und der gesamten Ukraine, Onufrij (Beresowskij), für eine Heilbehandlung im Ausland erhalten und mitgeteilt hätte, dass „während der Heilbehandlung die Leitung der von ihm angeführten Eparchie im Telefonregime erfolgen wird“.

„Eine vollständige Bewertung der entstandenen Situation ist möglich, nachdem Metropolit Efrem seine detaillierten Erklärungen nach der Genesung vorgelegt hat“, fügte das Portal der Informations- und Aufklärungsabteilung der UOK hinzu.

Die Erklärung der ukrainischen Kirchenhierarchen bezüglich der Eparchie von Berdjansk ist die erste, die in einem so scharfen Ton abgefasst wurde. Obgleich zuvor die ROK bereits vier Eparchien unter seine direkte Leitung gestellt hatte. Drei von ihnen – die von Dschankoj, Simferopol und Feodossija – hatten am 7. Juni vergangenen Jahres die Krim-Metropolie der russisch-orthodoxen Kirche gebildet. Und die vierte, die von Rowno, ist gemäß einer Entscheidung der Heiligen Synod der ROK vom 13. Oktober Patriarch Kirill untergeordnet worden. Dabei werden alle vier Eparchien nach wie vor als territoriale Einheiten der UOK ausgewiesen.

„Moskau hatte früher nie einen leitenden Bischof abgesetzt. Dies ist eine neue Erscheinung“, erläuterte in einem Gespräch mit der „NG“ Alexej Makarkin, 1. Vizepräsident des in Moskau ansässigen Zentrums für politische Technologien, den scharfen Ton der Veröffentlichung der UOK. „Eparchien sind stets in einer kompletten Zusammensetzung unter die Leitung von Patriarch Kirill gestellt worden. In diesem Fall (aber) hat die ROK einen amtierenden Bischof ersetzt. Dabei ist er nicht entlassen worden. Es ist aber ein neues Oberhaupt ernannt worden. Und da es gemäß den Regeln keine zwei leitenden Bischöfe mit ein und demselben Titel geben kann, wird das neue Oberhaupt der Eparchie nicht den Titel des Metropoliten von Berdjansk, sondern von Bronnizkij tragen“, konstatierte der Experte. „Die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die gegenwärtig Loyalität gegenüber den Offiziellen demonstriert, hat durch seine jetzige Erklärung gezeigt, dass sie die Unterstellung des Verwaltungsgebietes Saporoschje unter Russland nicht anerkennt und die Eparchie von Berdjansk für sie genauso ein Teil der Ukraine ist und sich auf dem kanonischen Territorium der UOK befindet“, meint Makarkin.

Der Konflikt zwischen der ROK und der UOK entwickelt sich vor dem Hintergrund des Besuchs einer Delegation des Weltkirchenrates in Russland. Der Generalsekretär der Organisation, Jerry Pillay (ein südafrikanischer Theologe, der seit Januar dieses Amt bekleidet – Anmerkung der Redaktion), und einige weitere Personen waren am 17. Mai speziell nach Moskau gekommen, um sich mit dem Oberhaupt der ROK zu treffen und „Brücken des Friedens und der Versöhnung durch Begegnungen und Dialoge zu schlagen sowie militärischen Konflikten, Kriegen und der Gewalt ein Ende zu bereiten“. Vom 10. bis 13. Mai weilten die ausländischen Gäste in Kiew und unterhielten sich mit Vertretern der UOK, dem Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine, mit Metropolit Epiphanius (Dumenko) sowie Mitgliedern des Gesamtukrainischen Rates der Kirchen und religiösen Organisation und dem ukrainischen Kulturminister Alexander Tkatschenko. Zu den Ergebnissen der Reise erklärten sie, dass sie beabsichtigen würden, mit Patriarch Kirill zu sprechen, um Ende des Jahres eine Rundtischdiskussion für alle Seiten „zwecks Anbahnung eines Dialogs“ zu organisieren.

Makarkin ist sich sicher, dass man in der ROK diese Anstrengungen nicht unterstützen werde. „Wahrscheinlich wird man sich im Moskauer Patriarchat alles höflich anhören. Aber dieser Besuch wird keinerlei reale Folgen haben. Einerseits ist es für Moskau eine sehr schlechte Empfehlung, dass der Weltkirchenrat die UOK und die Orthodoxe Kirche der Ukraine aussöhnen will. Andererseits beabsichtigt der Weltkirchenrat, zum Jahresende eine Rundtischdiskussion zu organisieren. Wir aber haben zu jeglicher Ukraine-Problematik einen Planungshorizont von einigen Monaten. Was Ende des Jahres sein wird, weiß keiner. Und daher wird die Situation ausgehend von den militär-politischen Ergebnissen und nicht von den Wünschen des Weltkirchenrates bestimmt werden“, resümierte der Politologe.

Post Scriptum

Regina Elsner, Ostkirchen-Expertin, erklärte am Mittwoch, dass der Beschluss der Heiligen Synod der russisch-orthodoxen Kirche zur Eparchie von Berdjansk zeige, wie sich das Moskauer Patriarchat „der militärischen Logik Russlands anschließt und die Besetzung auch kirchlich durchsetzt“. Der Synod nehme dabei Bezug auf 1920 und Patriarch Tichon. „Man stellt sich in eine Reihe mit der großen bolschewistischen Verfolgung und dem Bürgerkrieg. Das ist wirklich zynisch“, so die Lehrstuhlinhaberin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.