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Die ukrainische Kirche geht zur Gegenoffensive über


Beamte und Politiker der Ukrainer haben ihren Zorn gegen die Ukrainische orthodoxe Kirche (UOK) des Moskauer Patriarchats gerichtet. Zur Ursache wurde die Erklärung des Synods der UOK mit dem Vorschlag, ein gesamtukrainisches Kirchenkonzil zwecks Erörterung der Zukunft dieser religiösen Organisation zu veranstalten. Die Synod-Vertreter beklagten sich bei den Offiziellen über Verfolgungen seitens Beamter und über eine ungerechte Konkurrenz seitens der Orthodoxen Kirche der Ukraine, die dank einem Tomos des Patriarchen von Konstantinopel vor einigen Jahren etabliert wurde.

Nach diesem Schritt hat der Staatsdienst der Ukraine für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit erklärt, dass die Beanstandungen der UOK des Moskauer Patriarchats der Gesetzgebung widersprechen würden. Der Leiter des Ausschusses der Werchowna Rada (des ukrainischen Parlaments) für Fragen der humanitären und Informationspolitik Nikita Poturajew berichtete über eine für Ende Mai geplante Erörterung der „antipatriotischen Rolle“ der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats. Mehrere Gesetzesvorlagen über eine Liquidierung der „Kirche, die das geistliche und Verwaltungszentrum in Russland hat“, liegen im ukrainischen Parlament vor, obgleich ihre Behandlung auch für unbestimmte Zeit vertagt worden ist. Die Partei „Europäische Solidarität“, die von Ex-Präsident Petro Poroschenko angeführt wird, hat gar vorgeschlagen, Sanktionen gegen Patriarch Kirill und die Russische orthodoxe Kirche zu verhängen.

In der Erklärung des Synods kann jedoch nur eine voreingenommene Sichtweise eine Attacke gegen den ukrainischen Staat oder die ukrainischen Patrioten ausmachen. Die Synod-Mitglieder deklarieren dagegen erneut ihre Loyalität gegenüber dem offiziellen Kiew, wobei sie die militärische Sonderoperation Russlands verurteilen. „Die Ukrainische orthodoxe Kirche teilt vollkommen die Schmerzen und Leiden des ukrainischen Volkes“, erklären die Bischöfe. Eine der letzten Publikationen auf der offiziellen Internetseite dieser religiösen Organisation ist darüber, wie Geistliche der UOK des Moskauer Patriarchats für ums Leben gekommene ukrainische Militärs aus verschiedenen Regionen der Ukraine – unter anderem aus den westlichen – Trauermessen zelebrieren. Vor kurzem hatte sich der Metropolit von Kiew und der Ganzen Ukraine Onufrij (Beresowskij) der Kampagne zur Rettung der auf dem Territorium von „Asowstahl“ in Mariupol blockierten ukrainischen Militärs angeschlossen. Der Metropolit hatte sich an Russlands Präsident Wladimir Putin gewandt.

Der Synod beschloss die Bildung eines neuen Klosters in der Diözese von Simferopol und ernannte dessen Vorsteher, obgleich sie sich außerhalb der Kontrolle des offiziellen Kiews befindet. In der Diözese von Cherson ernannte man einen neuen Vikar. Möglicherweise haben die Beschlüsse des Synods zur Krim und zu Cherson einen demonstrativen Charakter. Schließlich hat das Moskauer Patriarchat selbst nach Beginn der russischen Sonderoperation am 24. Februar an seiner Entscheidung von 2014 festgehalten, die Eparchien der Krim im Bestand der Ukrainischen Kirche zu belassen. In den vergangenen acht Jahren nach Veränderung des Status der Halbinsel hatte die Russische orthodoxe Kirche mehrfach wiederholt, dass eine Verschiebung von Staatsgrenzen nicht den administrativen und territorialen Aufbau der Kirche beeinflusse. Und jetzt werden keinerlei Versuche unternommen, um die Jurisdiktion der Kirchengemeinden in Donezk, Lugansk, Cherson und im Verwaltungsgebiet Saporoschjew zu ändern.

Aber woran sich die Führung der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats bis zum Letzten festklammert, dies sind ihre korporativen Interessen. Die Tagung vom 12. Mai wurde unter einem Porträt von Patriarch Kirill durchgeführt, und in einer Erklärung verurteilte man jegliche „nichtkanonischen Handlungen“. Zwischen den Zeilen des synodalen Dokuments erklingt der Appell, die Loyalität gegenüber dem Moskauer Patriarchat nicht mit der Haltung zum offiziellen Moskau als politisches Zentrum zu vermischen.

Unter den Ursachen für den Beginn der Kampfhandlungen nennt der Synod der UOK des Moskauer Patriarchats die Politik von Petro Poroschenko und die „zerstörerische Ideologie der sogenannten Orthodoxen Kirche der Ukraine“, die unter aktiver Beteiligung des ehemaligen Präsidenten geschaffen worden war. Wahrscheinlich antwortet auch die Partei „Europäische Solidarität“ auf diese Attacke mit dem Vorschlag über Sanktionen gegen das Oberhaupt der Russischen orthodoxen Kirche. Aber sich selbst verteidigend, greifen die Synod-Mitglieder zu einer patriotischen Rhetorik, wobei sie gerade ihre Opponenten aus den Reihen der Poroschenko-Leute als Schädlinge von staatlichem Ausmaß hinstellen. „Wir sind der Auffassung, dass die verbrecherischen Handlungen, die gegen die Ukrainische orthodoxe Kirche gerichtet sind, Merkmale einer Wühl- und Diversionstätigkeit aufweisen und eine Folge der Untätigkeit des Staatlichen Dienstes der Ukraine für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit sind, der dazu berufen ist, die interreligiösen Beziehungen in der Ukraine zu regeln.

Wir halten die Versuche für unzulässige, die Tätigkeit der Ukrainischen orthodoxen Kirche zu verbieten. Jegliche Entscheidungen über ein Verbot unserer Kirche und eine Einschränkung der Rechte ihrer Gläubigen sind kriminell und verletzen die Verfassung der Ukraine. Solche Handlungen kann man nicht anders als Akt eines nationalen Suizids qualifizieren“, lesen wir in der Erklärung.

Seine Antwort auf diese Anschuldigungen hat der Staatliche Dienst für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit gegeben. „Wir lenken das Augenmerk darauf, dass alle religiösen Vereinigungen der Ukraine berechtigt sind, in der von der Gesetzgebung festgelegten Art und Weise die Entscheidungen der örtlichen und zentralen Machtorgane, der Organe der örtlichen Selbstverwaltung und deren Amtspersonen anzufechten“, heißt es in einem Kommuniqué der ukrainischen Institution. „Eine Nichtzustimmung zu Entscheidungen gibt keinerlei Recht und kann in keiner Weise als eine Rechtfertigung für eine Erniedrigung der Ehre und Würde des Klerus und der Gläubigen einer anderen religiösen Vereinigung der Ukraine dienen“. Damit haben die Beamten den Bischöfen der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats eine Retourkutsche hinsichtlich deren Anmerkungen über die Nichtverfassungsmäßigkeit der Handlungen der Opponenten geschickt.

Ihrerseits hält die Partei „Europäische Solidarität“ das in der Erklärung des Synods der UOK des Moskauer Patriarchats für „verräterisch“, dass dort die Verantwortung für das Provozieren des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine den vorangegangenen ukrainischen Herrschenden angelastet werde. Außerdem halten die Politiker die Versuche für eine „Diversion“, wie sie meinen, die Widersprüche zwischen Poroschenko und dem gegenwärtigen Präsidenten Wladimir Selenskij auszunutzen. In der Tat, sehr kontrastreich sehen die Erwähnungen über die „Weisheit“ Selenskijs vor dem Hintergrund der wütenden Kritik seines Vorgängers und Konkurrenten auf dem politischen Areal aus. „Der Synod der Russischen orthodoxen Kirche hat in der Ukraine faktisch das Narrativ des Kremls wiederholt“, behauptet man in der Partei „Europäische Solidarität“.

Die Verbindung der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats mit Russland werde Ende Mai von den Abgeordneten der Rada diskutiert werden, versprach Nikita Poturajew. Grund für das Abgeordneten-„Gericht“ ist, dass sich das „Führungsorgan“ dieser Kirche in Moskau befinde. Zu den Ergebnissen der Anhörungen sollen Empfehlungen für die exekutiven Machtorgane und Rechtsschützer formuliert werden. Möglicherweise werden gleichfalls Beschlüsse auf gesetzgeberischer Ebene gefasst, betonte der Abgeordnete. „Dies ist aber eine ernsthafte Frage. Wir wollen ganz bestimmt dem Feind keine unnötigen Gründe geben, um uns eines erneuten Quatsches, erneuter erfundener Verfolgungen irgendwelcher gesellschaftlicher Gruppen zu bezichtigen. Daher werden wir klar die Interessen des Staates, der nationalen Sicherheit und der Verteidigung verteidigen. Wir werden dies aber so tun, dass der Feind keine Chance hat, die Ukraine ein weiteres Mal anzuschwärzen“, fügte Poturajew hinzu.

Vor diesem Hintergrund erklärte die Ukrainische orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats die feste Absicht, um ihr Überleben zu kämpfen. „Noch eine Frage, die in der letzten Zeit viele beunruhigt, betrifft die Zukunft der Ukrainischen orthodoxen Kirche. Der Heilige Synod konstatiert, dass zum heutigen Tag diese Frage Gegenstand der Kirchendiskussion ist. In einigen Eparchien erfolgen Versammlungen des Klerus, der seine Position zum Ausdruck bringt. Die Informationen erreichen das Oberhaupt der Ukrainischen orthodoxen Kirche. Der Heilige Synod beurteilt insgesamt die Möglichkeit einer gründlichen und allseitigen Erörterung jeglicher Fragen des Kirchenlebens positiv, da sich gerade darin der Konzil-Charakter der orthodoxen Kirche offenbart“, heißt es in einer Erklärung des Synods. Er gab das Einberufung der Gläubigen und Geistlichen der ganzen Ukraine bekannt, um die Probleme zu erörtern, die sich mit dem Beginn der Sonderoperation Russlands in der Ukraine ergeben haben.

Von diesen Problemen gibt es nicht wenige. Und sie bringen die Kirche an den Rand des Überlebens. Es mehren sich die Fälle eines Übergangs von Gemeinden und einer Übergabe von Kirchengebäuden zur bzw. an die Orthodoxe Kirche der Ukraine. Im Moskauer Patriarchat ist man sich sicher, dass dies unter dem Druck der Offiziellen und von nationalistisch eingestellten Aktivisten erfolge. Diese Gewissheit wird dadurch bekräftigt, dass in einigen Regionen der Ukraine örtliche Behörden auf eigene Initiative hin die Tätigkeit der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats verbieten. So ist es in den Städten Kagarlyk und Browary des Kiewer Gebietes, aber auch in Konotop des Verwaltungsgebietes Sumy und in Gorodok des Verwaltungsgebietes Lwow geschehen. Im eigentlichen Lwow wird eine der Gemeinden bedroht.

Von den Bischöfen fordert man schon lange, aufzuhören, für den Patriarch von Moskau und Ganz Russland zu betten. Einige einfache Kleriker und Gläubiger gehen weiter und schlagen überhaupt vor, die Beziehungen mit der Russischen orthodoxen Kirche abzubrechen. In mehreren Eparchien erfolgt auf der Ebene von Geistlichen bereits die Weigerung, den Patriarchen in Gebeten zu erwähnen. Die Bischöfe verzichten aber bisher nicht auf dieses symbolische Zeugnis der Verbindung mit der ROK. Mit der Bekanntgabe der Einberufung eines Konzils unterstrichen die Synod-Mitglieder, dass „der Prozess ohne eine Verletzung der Kirchenordnung erfolgen muss“. Das heißt, sie haben gewarnt, dass keinerlei Entscheidungen des Konzils die rote Linie übertreten dürften, zu der die Frage nach einem Abbruch der Beziehungen mit der Russischen orthodoxen Kirche wird. Mehr noch, wahrscheinlich ist kein anderes Format einer Autonomie vorgesehen als dies, welches bereits seit langem durch Moskau markiert worden ist. Es sei direkt gesagt: Diese Autonomie ist eine recht vage und angenommene. Nur an der letzten Tagung der Synod der ROK haben keine Vertreter der UOK des Moskauer Patriarchats, darunter Metropolit Onufrij, teilgenommen – weder direkt noch gar online. Zur gleichen Zeit hat bisher keiner die Absicht der ukrainischen Bischöfe, an der für das Jahresende geplanten Bischofsvollversammlung teilzunehmen, bestritten.

Bei alldem bleibt unklar, wie es gelingen soll, die Delegierten aller Eparchien der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats zusammenbekommen, wenn man berücksichtigt, dass sich vierzehn von ihnen im Bereich der Kampfhandlungen befinden. Einige befinden sich unter der Kontrolle der russischen Truppen, andere – auf der Krim. Und der Großteil befindet sich auf dem Territorium, das von Kiew und den Streitkräften der Ukraine kontrolliert wird. Wie sollen die Delegierten die Feuerlinien überwinden? Wahrscheinlich beabsichtigt die UOK des Moskauer Patriarchats, diese Probleme im Zuge der Veränderung der Situation zu klären. Aber selbst die nächste Zukunft am 87. Tag der von Präsident Wladimir Putin befohlenen Operation in der Ukraine vorauszusagen, vermag keiner.