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Die Verluste des Auslandstourismus haben die Inflation verlangsamt


Im April dieses Jahres hat sich die auf das Jahr hochgerechnete Inflationsrate in Russland bis auf 5,5 Prozent gegenüber 5,8 Prozent im März verringert. Solche Angaben machte man im Ministerium für Wirtschaftsentwicklung. Bemerkenswert ist, dass den Hauptbeitrag zur Verlangsamung des Preisanstiegs der Rückgang der Preise für Dienstleistungen, insbesondere von touristischen beigesteuert hat. Während jedoch die Coronavirus-Pandemie und die unerwartete Schließung der Grenzen in Bezug auf die Türkei (und Tansania – „NG“) zu einer Verringerung der Kosten für Leistungen zur Organisierung von Auslandsreisen führten, hat der Inlandstourismus spielend die Verluste ersterer wettgemacht. Im Berichtszeitraum wurde ein verstärktes Ansteigen der Preise für die Unterbringung, die Passagierbeförderung und selbst für Exkursionsdienstleistungen registriert.

Wie aus der Übersicht des Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung „Das Inflationsbild. April 2021“ deutlich wird, hat sich die Monatsinflationsrate bis auf 0,58 Prozent gegenüber dem Vormonat (0,66 Prozent im März) verringert. Im Ministerium von Maxim Reschetnikow unterstreicht man: Den Hauptbeitrag zur Verlangsamung der Inflation im April leistete die Preisdynamik im Dienstleistungsbereich, wo sich das Ansteigen der Preise bis auf 0,2 Prozent im Monat nach einem Wachstum mit einem Tempo von 0,4 Prozent in den vorangegangenen vier Monaten verlangsamte. „Einen zügelnden Einfluss bewirkte die Deflation hinsichtlich der Dienstleistungen der Zivilluftfahrt und des Auslandstourismus (so verringerten sich die Preise für Reisen in die Vereinigten Arabischen Emirate um 13,2 Prozent – „NG“)“, erklärt man im Ministerium.

Dennoch habe das verstärkte Ansteigen der Preise für die Dienstleistungen des Inlandstourismus unter den Bedingungen einer hohen Nachfrage weiter einen Druck auf die Inflation in diesem Segment ausgeübt, fuhr man im Ministerium für Wirtschaftsentwicklung fort. Dies beeinflussen insbesondere die verhängten Restriktionen für Türkei-Flüge, meint man im Reschetnikow-Ressort. In der Tat, wie sich aus den Daten des russischen Statistikamtes Rosstat ergibt, verteuerte sich entsprechend den Ergebnissen des Aprils die Unterbringung in 3-Sterne-Hotels um 8,3 Prozent, in Hotels der 4- und 5-Sterne-Kategorie um 6 Prozent. Die Unterbringung in Hotels geringerer Kategorien und Hostels verteuerte sich um 4,7 bzw. 1,3 Prozent. Außerdem kletterten die Kosten für Ausflugstouren durch die Russische Föderation im gleichen Zeitraum um fast zwei Prozent in die Höhe.

Dabei kann man insgesamt die Situation in der Tourismusbranche nicht als eine beeindruckende bezeichnen. Wie im Russischen Verband der Tourismusindustrie unter Verweis auf Untersuchungen des Service „Kontur.Fokus“ mitgeteilt wurde, hat sich allein in den vergangenen sechs Monaten die Zahl der Firmen in Russland um sechs Prozent bis auf 44.500 verringert. Experten schließen gleichfalls nicht aus, dass der reale Rückgang weitaus größer sein könne. Der Generaldirektor des Unternehmens „Delphin“ Sergej Romaschkin nimmt an, dass innerhalb eines Jahres nach Beginn der Pandemie den Markt 35 bis 40 Prozent der Reiseagenturen verlassen hätten. Die größten Verluste wurden in Moskau und Sankt Petersburg registriert. In den Regionen entfällt in der Struktur der Verkäufe mehr als die Hälfte auf Inlandsreiseziele, während in der Hauptstadt 80 Prozent traditionell Auslandsreisen ausmachen.

Laut Angaben von „Kontur.Fokus“ hat sich die Zahl der Reisebüros im Jüdischen autonomen Bezirk am stärksten verringert, wo die Zahl der entsprechenden Firmen um 23 Prozent zurückgegangen ist, im Autonomen Bezirken Chanty-Mansijsk – um 15 Prozent, in den Verwaltungsregionen Primorje und Krasnodar um 12 Prozent. In Moskau verringerte sich die Zahl der Reiseagenturen um acht Prozent, in Sankt Petersburg um zehn Prozent, folgt aus der erwähnten Untersuchung.

Im Russischen Verband der Tourismusindustrie heißt es, dass das Ausbleiben einer ernsthafteren Pleite-Welle in der Branche mit der Möglichkeit zusammenhänge, die Verrechnungen mit den Kunden entsprechend der aufgrund der Pandemie nicht erfolgten Reisen bis auf das Ende des laufenden Jahres zu verschieben. Es sei angemerkt, dass die Verschuldung der russischen Reiseveranstalter gegenüber den Kunden anfangs auf 40 Milliarden Rubel geschätzt. Bis Anfang dieses Jahres hat sich die Summe bis auf 16 Milliarden Rubel reduziert.

Jedoch nimmt nicht nur die Zahl der Unternehmen ab, sondern auch die der Unterbringungsmöglichkeiten. Laut Berechnungen von Analytikern verringerte sich in den letzten sechs Monaten die Zahl der Hotels und Hostels um vier Prozent bis auf 30.300. Die meisten Schließungen erfolgten in der Region Krasnodar – minus 18 Prozent, in Dagestan – minus 17 Prozent und im Autonomen Bezirk Chanty-Mansijsk – minus zehn Prozent. In Moskau verringerte sich die Anzahl der Hotels und Hostels um sechs Prozent, in Sankt Petersburg um sieben Prozent.

Und während die Dienstleistungen im Segment Erholung und Freizeitgestaltung nach Schätzungen des Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung die Inflationsrate in Russland verlangsamten, haben im April die medizinischen Dienstleistungen, die Leistungen im Bildungssektor und die der Bahn dagegen zu einer Beschleunigung des Preisanstiegs geführt. So verteuerten sich Fernbahnreisen im April um 4,5 bis 8,3 Prozent in Abhängigkeit von der Waggon-Klasse. Die Jahreskosten für eine freiwillige Autoversicherung vor Standardrisiken (Teilkaskoversicherung) stiegen um 4,7 Prozent an, ergibt sich aus Daten von Rosstat.

Derweil ist im April der Preisanstieg bei Lebensmitteln praktisch auf dem Stand des Vormonats geblieben – 0,75 Prozent gegenüber 0,82 Prozent, teilte man im Ministerium für Wirtschaftsentwicklung mit. „Die Wiederaufnahme des Preisanstiegs für Obst und Gemüse (vor allem durch eine Verlangsamung der Deflation bei Gurken und Tomaten) leistete den Hauptbeitrag zur Beibehaltung der Inflationsrate bei Lebensmitteln auf einem erhöhten Niveau“, betont man im Ressort von Maxim Reschetnikow. Unter anderem verteuerte sich rote Beete um kolossale 20 Prozent, Möhren um fast zehn Prozent, Weißkohl um 8,5 Prozent, Kartoffeln um 7,2 Prozent und Zwiebeln um 3,2 Prozent.

Die Inflationsrate hat sich im Bereich der Lebensmittel – mit Ausnahme von Obst und Gemüse – im April signifikant verlangsamt, und dies vor dem Hintergrund eines Rückgangs des Tempos des Preisanstiegs für Fleischprodukte (darunter von Geflügelfleisch), Milch und Molkereiprodukte, Mehl und alkoholische Getränke, meint man im Wirtschaftsministerium. Dennoch lag der Preisanstieg für einzelne, sozial bedeutsame Waren auf einem erhöhten Niveau. Zu solchen „Risikogruppen“ rechnete man Eier, Buchweizen und Brot. Die Preise für Eier sind unter anderem innerhalb eines Monats um fast sieben Prozent angestiegen, für Buchweizen – um 2,3 Prozent.

„Der Preisanstieg für Zucker und Sonnenblumenöl dauerte im Berichtsmonat an (um 1,9 bzw. 1,4 Prozent nach 2,1 bzw. 1,2 Prozent“, erklärte man im Wirtschaftsministerium, wobei unterstrichen wurde, dass der Anstieg der Weltmarktpreise, verstärkt durch die Rubelschwäche, weiter die Preisdynamik für diese Waren beeinflusse. „Laut Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) dauerte im April der Anstieg der Preise für Pflanzenöle an, während sich das Tempo verringerte. Und in Bezug auf Zucker hat der Preisanstieg praktisch vollkommen die vorangegangene Reduzierung kompensiert“, teilte man im zuständigen Ministerium mit.