Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Die „Wagner“-Erfahrungen sollen per Gesetz revidiert werden


Am 6. März sind in der Staatsduma (dem russischen Unterhaus – Anmerkung der Redaktion) Änderungen für das Strafgesetzbuch und für die Strafprozessordnung vorgelegt worden, die auf gesetzgeberischer Grundlage eine Teilnahme von Angeklagten und Verurteilten an der militärischen Sonderoperation (die bereits 745 Tage andauert – Anmerkung der Redaktion) absichern. Das Recht des Verteidigungsministeriums, Verträge mit solchen Personen abzuschließen, war bereits im vergangenen Jahr eingeführt worden. Die Abgeordneten hatten dafür gerade am letzten Tag des bekannten „Aufstands“ der Söldnerfirma „Wagner“ unter Führung von Jewgenij Prigoschin gestimmt. Und die Erfahrungen dieser privaten Söldnerfirma in Bezug auf die Gewinnung von Vertragsmilitärs aus dem ausgewiesenen Sonderkontingent sind nun bereits endgültig revidiert worden. Es wird a priori keine Begnadigung mehr geben, lediglich eine Freilassung auf Bewährung, wenn der Militär eine Auszeichnung erhält oder den Einsatz an der Front beendet.

Unter der Gesetzesvorlage für eine Korrektor des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung stehen die Unterschriften von Senator Andrej Klischas und den Staatsduma-Abgeordneten Pawel Krascheninnikow und Andrej Kartapolow (alle von der Kremlpartei „Einiges Russland“). Die Autoren sind somit die Vorsitzenden der Rechtsausschüsse beider Kammern sowie des Verteidigungsausschusses des Unterhauses. Dies bedeutet, dass nicht irgendwelche Initiativen, sondern juristische Veränderungen zur Abstimmung gebracht werden sollen, die klar mit allen interessierten Institutionen abgestimmt worden sind.

Bezeichnend ist, dass das erläuternde Begleitschreiben, das üblicherweise zumindest thesenhaft die Absicht des einen oder anderen Gesetzentwurfs darlegt, dieses Mal über nichts eine Aussage trifft. Es ist voll von formalen Phrasen darüber, dass die Änderungen den Prozeduren, die für ihre Bestätigung gelten, entsprechen würden. Und nicht mehr und nicht weniger. Als eine Ausnahme sehen da vielleicht nur solche Worte aus: Das Dokument sei „zwecks Vervollkommnung der juristischen Regelung der Freistellung von einer strafrechtlichen Verantwortung und Bestrafung, der Löschung von Vorstrafen sowie für eine Aussetzung von Strafverfahren und einer Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung in Zeiten einer Mobilmachung, eines Kriegszustands und während einer Kriegszeit ausgearbeitet worden“. Einzelheiten für solch eine Regelung werden aber nicht mitgeteilt.

Daher gab Klischas selbst auf seinem Telegram-Kanal mehr Informationen preis, als er die Vorlage des Gesetzentwurfs in der Staatsduma ankündigte. Er erläuterte, dass zu Grundlagen für eine Freilassung auf Bewährung oder ein Löschen von Vorstrafen entweder die Würdigung mit staatlichen Auszeichnungen, die im Verlauf des Absolvierens des Militärdienstes erhalten wurden, oder die Entlassung aufgrund des Gesundheitszustands oder nach Erreichen eines maximalen Alters oder die Entlassung im Zusammenhang „mit dem Abschluss des Zeitraums der Mobilmachung, mit dem Ende des Geltens des Kriegszustands oder mit Verstreichen der Kriegszeit“ werden würden. Durch die Änderungen am Strafgesetzbuch und an der Strafprozessordnung werden Modalitäten gerade für eine Freilassung auf Bewährung im Zusammenhang mit dem Absolvieren eines Militärdienstes festgelegt. Von einer Freistellung von einer strafrechtlichen Verantwortung – in Bezug auf die Personen, die Straftaten geringer oder mittlerer Schwere begangen haben. Mit Ausnahme jener Vergehen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Grundlagen der Verfassungsordnung und die Sicherheit des Staates darstellen. Es wird auch eine Freistellung vom Verbüßen einer Strafe geben. Eine Ausnahme bilden jene Strafen, die für eine Reihe von Verbrechen gegen die geschlechtliche Unversehrtheit von Minderjährigen, aber auch aufgrund terroristischer, extremistischer und Diversionsverbrechen verhängt werden.

Für die Personen, die während der militärischen Sonderoperation den Militärdienst beginnen, wird ebenfalls die Möglichkeit einer Löschung von Vorstrafen vorgesehen. Diese Regel erstreckt sich jedoch nicht auf die Bestrafungen aufgrund einer Reihe von Straftaten gegen die geschlechtliche Unversehrtheit von Minderjährigen und Verbrechen terroristischer und extremistischer Art sowie Diversionsakten. Kurz gesagt: Es wird keinerlei Gewinnung von Strafgefangenen und anderen Kriminellen auf der Grundlage garantierter Zusagen einer Begnadigung durch Erlasse des Präsidenten der Russischen Föderation mehr geben. Die Erfahrungen der Prigoschin-Söldnerfirma „Wagner“ sind in Richtung einer größeren Interessiertheit des Sonderkontingents, aktiv dem Vaterland zu dienen, überarbeitet worden.

Gemäß den Gesetzesänderungen wird die Kontrolle des Verhaltens solcher Personen deren Kommandeuren in den Truppenteilen übertragen. Und wenn neue Straftaten bereits in der Zeit des Absolvierens des Militärdienstes verübt werden, so werden durch die zuständigen Gerichte Strafen ausgehend von der Gesamtheit der Urteile verhängt. In der Strafprozessordnung werden überdies detailliertere Modalitäten für das Aussetzen von Strafverfahren und für die Einstellung einer strafrechtlichen Verfolgung in Zeiten einer Mobilmachung, eines Kriegszustands und während einer Kriegszeit festgeschrieben. Als die Abgeordneten der Staatsduma am letzten Tag des „Wagner“-Aufstands, d. h. am 24. Juni 2023 für eine Unterstellung von Häftlingen bzw. Strafgefangenen unter das Verteidigungsministerium votierten, war angenommen worden, dass alles dieses Ministerium klären wird. Jetzt erklärt Klischas jedoch, dass die Modalitäten für das Zusammenwirken der Staatsorgane hinsichtlich der Fragen einer Einberufung von Bürgern zum Wehrdienst entsprechend einer Mobilmachung oder in Kriegszeiten, die eine Vorstrafe haben, „durch gemeinsame Entscheidungen des Verteidigungsministeriums und des Justizministeriums Russlands bestimmt werden“.