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Die Weißrussen erörtern Lukaschenkos Residenzen


Die Autoren des Telegram-Kanals NEXTA, den die Offiziellen Weißrusslands als einen extremistischen einstuften, haben den Film „Lukaschenko. Der goldene Abgrund“ gepostet. Der Film, in dem es nach Meinung von Experten beinahe keinerlei neuen Informationen gebe, berichtet über die Residenzen, Autos und Flugzeuge, die Alexander Lukaschenko nutzt. Die wichtigste Message des Films besteht darin, dass Weißrusslands Staatschef keinen Unterschied zwischen seinem persönlichen Eigentum und dem staatlichen sehe, meinen Analytiker.

Der Film „Lukaschenko. Der goldene Abgrund“ wurde am Abend des 8. März auf YouTube gepostet. Live haben ihn über 100.000 Menschen gesehen. Am Vorabend hatten den Film über Lukaschenko seine Autoren und selbst Weißrusslands Staatsoberhaupt angekündigt. „Sie müssen die Menschen bis zum Frühjahr auf die Beine bringen. Dies ist eine der (Stoß-) Richtungen… Man muss Paläste Lukaschenkos finden. Da es einen Palast Putins gibt, muss man einen Palast Lukaschenkos finden und zeigen sowie plattmachen“, äußerte sich der Präsident in der vergangenen Woche zu Fragen von Journalisten seines Pools bezüglich des sich in Vorbereitung befindlichen Films. „Man ist so weit gegangen, dass irgendwo Menschen Privathäuser haben. Wo da ein Haus größer ist, versuchen sie, es zu fotografieren und das Bild zu posten… Alles, was sie zeigen werden, was immer dies auch für ein Film sein mag… Ich verspreche dir: Ich lade dich ein und zeige es dir persönlich“, hatte Lukaschenko dem Journalisten versprochen, der nach dem sich in Vorbereitung befindlichen Film und die Paläste gefragt hatte. „Ich arbeite ein Vierteljahrhundert als Präsident. Und wenn es bereits irgendwo irgendwelche Milliarden geben würde, wie sie sagen, oder Paläste, hätte man mich bereits – ohne einen Unterschied zu machen – ausgepeitscht. Daher, wenn irgendwer eine Palast Lukaschenkos, ziehen Sie sofort in ihn ein! Ich sag‘ dies Ihnen öffentlich. Ich habe von meinem Staat nichts gestohlen, nichts genommen“, versicherte er.

Derweil sind in dem Film 18 Residenzen genannt worden, die, wie die Autoren des Films behaupten, Alexander Lukaschenko nutzt, sowie rund ein Dutzend Autos mit einem Gesamtwert von mindestens vier Millionen Euro, darunter ein Mercedes-Maybach S600 Pullman Guard für 1,5 Millionen Euro und ein Tesla für 100.000 Euro. Gleichfalls hat der weißrussische Staatschef eine Kollektion von Oldtimern für Millionen von Euro, drei Flugzeuge und einen Hubschrauber vom Typ AgustaWestland AW139, dessen Preis bei zwölf Millionen Euro beginnt.

Das Interessanteste ist, dass sie formell tatsächlich nicht Lukaschenko gehören. Eigentümer der meisten dieser teuren Objekte ist der weißrussische Staat. Einige Objekte gehören den Herrschenden nahestehenden Geschäftsleuten. Beispielsweise ist der Hubschrauber AgustaWestland AW139 im Besitz des Unternehmens „Slawkali“, das durch den russischen Geschäftsmann Michail Guzerijew kontrolliert wird. In dem Unternehmen erklärte man den Bedarf an dem Hubschrauber damit, dass Guzerijew ein sehr „beschäftigter Mann“ sei, für den „die Zeit teuer“ sei. Später jedoch haben die staatlichen TV-Kanäle Alexander Lukaschenko gezeigt, der mit diesem Hubschrauber durch Regionen Weißrusslands flog. Der Hubschrauber war in den Farben der Staatsflagge, auf den Sitzen ist das Staatswappen dargestellt. Im Film ist gleichfalls davon die Rede, dass er wie auch die andere Technik des Flugparks des Präsidenten die Registrationsnummer EW-001 hat. In dem Streifen zeigte man die Innenausstattung eines der Flugzeuge Lukaschenkos, eine Boeing 767 (mit einem Wert von 160 Millionen Dollar) mit vergoldeter Sanitärtechnik.

Laut Angaben der Filmautoren gehören einige Residenzen, die Alexander Lukaschenko nutzt, gleichfalls Geschäftsleuten. Im Film wird darüber gesprochen, dass die Residenzen, die sich auf dem Territorium von Reservaten und Naturschutzgebieten, überhaupt mit Geldern errichtet worden seien, die durch Europa für die Realisierung von Umweltschutz-Projekten bereitgestellt worden waren. Laut Angaben der Autoren habe die EU im Zeitraum von 2014 bis einschließlich 2020 vor dem Hintergrund einer Belebung des Dialogs zwischen Minsk und Brüssel insgesamt rund 4 Milliarden Euro den Offiziellen Weißrusslands bereitgestellt. In dem Streifen wird unterstrichen, dass es Minsk in einem nicht geringen Maße gelungen war, eine Verbesserung der Beziehungen mit Europa zu erreichen, indem es mit einer Bedrohung für die Souveränität des Landes seitens Russlands „handelte“.

Weißrussische Experten gaben dem künstlerischen Niveau des Films und seiner Glaubwürdigkeit keine hohen Noten, da in ihm keinerlei dokumentarische Beweise für die dargelegten Fakten angeführt werden. Vergleiche mit dem Film, den vor einiger Zeit der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny herausgebracht hat, fallen offenkundig nicht zu Gunsten der weißrussischen Filmemacher aus. Die Personen aus der Umgebung Lukaschenkos, die über die Residenzen, Flugzeuge und Autors erzählen, werden nicht genannt, ihre Gesichter werden nicht gezeigt, die Stimmen sind verändert worden. Dennoch erklärte nach Veröffentlichung des Films einer seiner Autoren, Stepan Putilo, dass sie alle Fakten verifiziert hätten, dass sie auch Dokumente hätten. Aber die Personen, die sie zur Verfügung gestellt haben, hätten ihnen zwecks Wahrung ihrer Sicherheit verboten, sie zu veröffentlichen. Gefertigt wurde der Film im Übrigen durch die Macher des Telegram-Kanals NEXTA, den die Offiziellen Weißrusslands als einen extremistischen eingestuft und nach dessen Autoren sie eine internationale Fahndung ausgeschrieben haben. Der Kanal hat über 1,5 Millionen Abonnenten. Gegenüber den Herrschenden Weißrusslands hat er sich dessen „schuldig gemacht“, dass er Protestaktionen „koordinierte“. Dies kam darin zum Ausdruck, dass durch ihn Informationen über die Orte der Durchführung der Aktionen veröffentlicht wurden.

„Für die Menschen, die sich für Politik interessieren, ist die absolute Mehrheit der Fakten bei weitem keine Neuheit“, behauptet der Politologe Valerij Karbalewitsch. Gleichzeitig habe in Weißrussland im vergangenen Jahr die Zahl der Menschen stark zugenommen, die sich das erste Mal für Politik zu interessieren begannen. Für sie könnten die an einer Stelle zusammengetragenen Fakten zu einer Überraschung werden, meint der Experte.

Die Tatsache, dass weder die Autos noch die Residenzen Lukaschenko persönlich nicht gehören, nivelliert in keiner Weise die Bedeutsamkeit der im Film dargelegten Informationen. „Lukaschenko betrachtet das ganze Land als sein Eigentum. Daher besteht für ihn keine Notwendigkeit, etwas auf seinen Namen zu registrieren“, erläutert der oppositionelle Politiker Lew Margolin. „Alle Handlungen Lukaschenkos demonstrieren überzeugend, dass er bis zum Tode an der Macht bleiben will“, meint der Experte. „Daher sieht Lukaschenko keinerlei Bedarf, das Eigentum auf seinen Namen zu registrieren“.

In dem Film werden Aufnahmen gezeigt, wo Alexander Lukaschenko erzählt, dass ein gewisser Geschäftsmann ihm den Maybach geschenkt habe. Tesla – Elon Musk (der hat dies übrigens dementiert). Ja, und überhaupt, die 10.000 bis 20.000 Dollar, die ihm viele Geschäftsmänner für seine Bedürfnisse locker gemacht hätten (damit er dem Staat weniger koste), die seien für diese „kein Geld“. Lukaschenko ist aufrichtig davon überzeugt, dass er kein korrupter Mensch ist, betonte Valerij Karbalewitsch. „Denn sie haben eine feudale Vorstellung vom Staat als ein einzelnes Fürstentum oder ein Unitarunternehmen, dessen Herr über alles verfügen kann“, erläutert der Experte. „Lukaschenko ist aufrichtig, wenn er sagt, dass er nichts vom Volk gestohlen hat. Wie kann man etwas stehen, wenn alles ringsherum staatlich, ergo meins ist“, legt Karbalewitsch die Logik von Lukaschenko in seinem Telegram-Kanal dar. Für das weißrussische Korruptionsmodell ist dies keine Krankheit, sondern ein natürliches Umfeld, ein systembildendes Element des Regimes, meint der Experte.

Einheimische Analytiker betonen, dass das Interesse für den Film ein großes sei. In weniger als 24 Stunden haben ihn 1,7 Millionen Menschen gesehen. „Der Film „Lukaschenko. Der goldene Abgrund“ ist ein Versuch, das ideelle Fundament zu zerstören, auf dem der Staat Lukaschenkos ruht“, nimmt Valerij Karbalewitsch an.