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Die Werchowna Rada will die Ukrainer in indigene und nichtindigene unterteilen


Am Donnerstagabend schickte sich die Werchowna Rada (das Parlament der Ukraine – Anmerkung der Redaktion) an, für eine Aufhebung der freien Wirtschaftszone „Krim“ und für eine Anerkennung der Krimtataren, der Karäer und Krimtschaken als indigene Völker der Ukraine zu stimmen. Die Gesetzesvorlagen waren durch das Team von Präsident Wladimir Selenskij vorbereitet worden. Der russische Präsident Wladimir Putin ist der Auffassung, dass eine Nichtanerkennung des russischen Status der Krim keine Bedeutung habe. Und den Gesetzentwurf über die indigenen Völker verglich er mit einer Massenvernichtungswaffe.

Auf die Frage nach einem möglichen Treffen mit Wladimir Selenskij antwortend, zu dem der ukrainische Präsident bereits im April den russischen öffentlich eingeladen hatte, sagte Wladimir Putin im Verlauf der „Bürgersprechstunde“ am Mittwoch: „Wozu sich mit Selenskij treffen, wenn er sein Land unter eine komplette äußere Verwaltung gestellt hat? Das Schicksal der Ukraine wird in Washington geklärt. Und teilweise in Berlin und Paris“. Das russische Staatsoberhaupt distanzierte sich nicht von einer Begegnung, unterstrich aber, dass „man verstehen muss, was sie für einen Inhalt haben wird“. Nach seiner Meinung setze die ukrainische Führung die unfreundliche Politik gegenüber Russland fort. „Es gibt überall genug engstirnige Menschen, extreme Nationalisten. Sie handeln von reinem Herzen her, aber nicht mit großem Geist. Ich halte das ukrainische Volk für kein unfreundliches. Die heutige Führung der Ukraine aber ist eine unfreundliche“.

Als Beispiel nannte Wladimir Putin gerade den Gesetzentwurf „Über die indigenen Völker der Ukraine“, den die Werchowna Rada am 1. Juli behandelte und verabschiedete. Der russische Präsident lenkte das Augenmerk darauf, dass in dem Entwurf „das russische Volk als ein nichtindigenes auf diesem (ukrainischen – „NG“) Territorium anerkannt werde… Dies ist unbegreiflich! Seit Jahrhunderten haben hier russischen Menschen gelebt. Und jetzt werden sie zu nichtindigenen erklärt. Wozu wird dies führen? Dies führt dazu, dass ein Teil der Menschen ausreisen kann. Aber wohin gehen? Die Wohnung, die Arbeit und so weiter. Dann werden sie gezwungen sein, sich umzuschreiben, um sich nicht als Menschen zweiter Sorte zu fühlen. Dies führt zu einer Verringerung der Gesamtzahl der Russen. Dies kann man mit den negativen Folgen bei Einsatz von Massenvernichtungswaffen vergleichen. Dies ist eine ernsthafte Sache“.

Der Gesetzentwurf, als dessen Autor Präsident Wladimir Selenskij ausgewiesen worden ist, war im Mai im Parlament registriert worden. Gemäß dessen Wortlaut wird als indigenes Volk der Ukraine eine „autochthone ethnische Gemeinschaft, die sich auf dem Territorium der Ukraine herausgebildet hat, Träger einer eigenständigen Sprache und Kultur ist, traditionelle soziale, kulturelle oder repräsentative Organe hat, sich selbst als ein indigenes Volk der Ukraine begreift, eine ethnische Minderheit im Bestand ihrer Bevölkerung bildet und kein eigenes staatliches Gebilde außerhalb der Ukraine hat“, anerkannt. Das heißt: Als indigene Völker werden nur jene nationalen Minderheiten anerkannt, die keinen eigenen Nationalstaat außerhalb der Ukraine haben. Dieser Definition entsprechen nur die Krimtataren, die Karäer und die Krimtschaken, für die die Krim die historische Heimat ist. Die Vertreter aller anderen Nationalitäten und ethnischen Gruppen haben in der heutigen Welt ihre Staatsgebilde. Die Russen – Russland, die Weißrussen – Weißrussland, die Moldawier – Moldawien usw. Die Werchowna Rada beabsichtigt, in der Zukunft ein einzelnes Gesetz „Über die nationalen Minderheiten der Ukraine“ zu verabschieden.

Das Gesetz über die indigenen Völker soll die Rechte und Freiheiten solcher ethnischen Gruppen bestimmen und verankern. Und diese Rechte sind erheblich breiter als jene, auf die die nationalen Minderheiten Anspruch erheben können. Beispielsweise können die Kinder der Krimtataren, Karäer und Krimtschaken eine Ausbildung in den Muttersprachen unter der Bedingung eines obligatorischen Studiums der ukrainischen Sprache erhalten. Aber die Kinder der nationalen Minderheiten haben das Recht, nur in der Grundschule in der Muttersprache unterrichtet zu werden. Danach muss mit jedem Jahr die Anzahl der Unterrichtsfächer, deren Vermittlung in Ukrainisch erfolgt, erhöht werden.

Eine wichtigere Norm des Gesetzes über die indigenen Völker betrifft aber die „Rechtssubjektivität“, was das Recht auf eine Selbstbestimmung in der Ukraine, die Festlegung seines politischen Status im Rahmen der Verfassung und der Gesetzgebung der Ukraine, aber auch das Recht auf eine freie Vornahme einer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung der indigenen Völker bedeutet. Gemeint ist, dass die indigenen Völker das Recht haben, eigene Verwaltungsorgane zu bilden (wie die Medschlis und den Kurultai des Krimtataren-Volkes), die von den ukrainischen Behörden anerkannt werden. Solche Organe sollen interne Fragen der indigenen Völker lösen, sind dabei aber verpflichtet, im Rahmen der ukrainischen Gesetzgebung zu handeln. Dies bedeutet, dass die Krimtataren kein Recht erhalten, die Unabhängigkeit zu proklamieren und sich von der Ukraine loszulösen. Allerdings geht es um die Zukunft, in der die ukrainischen Offiziellen hoffen, die Kontrolle über die Krim zurückzuerlangen.

Die russische Führung erklärte vor einigen Jahren, dass die Frage über den Status der Krim geklärt sei und nicht mehr diskutiert werden könne. Während seiner „Bürgersprechstunde“ bekräftigte Wladimir Putin diese Position, als er eine Frage zum Zwischenfall mit der Passage des britischen Kreuzers „Defender“ vor der Krim-Küste beantwortete: „Es stellt sich die Frage: Wozu musste man solch eine Provokation vornehmen? Um zu zeigen, dass man die Wahl der Krimbewohner bezüglich der Russischen Föderation nicht respektiert. Sie erkennen dort irgendetwas nicht an. Erkennen Sie weiter nichts an! Wozu Provokationen…“. In der Antwort des russischen Präsidenten war auch eine andere These zu vernehmen, die man mit Besorgnis in der Ukraine aufgenommen hat. „Mich besorgt eine fundamentalere Sache – die militärische Erschließung des ukrainischen Territoriums. Dies schafft für uns wesentliche Probleme im Sicherheitsbereich. Eben darüber müssen wir uns Gedanken machen“, sagte Putin. Mehrere ukrainische Experten haben im Zusammenhang damit erneut ihre Prognosen über die Möglichkeit einer militärischen Zuspitzung im Donbass und neuer Zwischenfälle im Süden der Ukraine und im Bereich des Schwarzen Meeres bekräftigt. Als eine gefährliche Periode betrachtet die ukrainische Seite Ende August, wenn das 30jährige Jubiläum der Unabhängigkeit der Ukraine begangen wird. Für diese Zeit ist in Kiew auch die erste Tagung des internationalen Forums „Krim-Plattform“ anberaumt worden.

Das ukrainische Parlament hat das Gesetz über die indigenen Völker mit den Stimmen von 325 Abgeordneten verabschiedet, von denen die meisten Normen ab dem Tag der offiziellen Veröffentlichung in Kraft treten werden. Behandelt wurde am 1. Juli auch eine andere Frage – über die Aufhebung der freien Wirtschaftszone „Krim“. Die Entscheidung über die Bildung solch einer Zone war im August 2014 gefasst worden, als Petro Poroschenko Präsident war und Arsenij Jazenjuk Regierungschef. Ursprünglich bestand die Idee darin, die Wirtschaftsbeziehungen der Ukraine mit dem Territorium zu regeln, dass zu einem nichtkontrollierten geworden war. Im Rahmen der „Krim“-Zone war eine freie Zoll-Zone mit einem kommerziellen, Service- und Industriecharakter geschaffen worden. Es wurden keine staatlichen Steuern und Gebühren erhoben, aber auch keine Beiträge für Renten-Pflichtversicherung. Die freie Wirtschaftszone war für eine Dauer von zehn Jahren etabliert worden, das heißt bis Herbst 2024.

Die Entscheidung des Poroschenko-Teams war ab dem Zeitpunkt der Annahme kritisiert worden. Der Wirtschaftsexperte Andrej Janizkij sagte bereits im Jahr 2015 in einem Interview von Radio Liberty (in der Russischen Föderation sind mehrere Strukturen des Senders als ausländische Agenten eingestuft worden), dass „dieses absolut lobbyistische Gesetz im Interesse des Business, das Vermögen auf der Krim hat, aber nicht im Interesse der Bürger, die auf dem Festlandteil der Ukraine leben, verabschiedet wurde“. Menschenrechtler lenkten alljährlich die Aufmerksamkeit der Offiziellen darauf, dass die Menschen mit ukrainischen Pässen, die auf der Krim leben, den Nichtresidenten gleichgestellt wurden. Das Selenskij-Team bereitete sich seit dem Jahr 2019 darauf vor, die unter Poroschenko angenommene Entscheidung aufzuheben. Vor kurzem erklärte Vizeaußenministerin Eminé Dschaparowa laut einer Meldung von „Ukrinform“, dass das Bestehen der freien Wirtschaftszone „Krim“ mit der Politik des ukrainischen Außenministeriums dissoniere. Und die Gesetzesvorlage über die indigenen Völker als auch die Entscheidung über die Aufhebung der freien Wirtschaftszone „Krim“ würden Unterstützung im ukrainischen Parlament finden. Ungeachtet der unweigerlichen Streitigkeiten hat die Werchowna Rada nicht nur das erste Dokument mehrheitlich angenommen, sondern auch die erwähnte Entscheidung zur freien Wirtschaftszone „Krim“ getroffen.