Die aktuellen Daten über real vorgenommene Einkäufe demonstrieren eine besorgniserregende Tendenz. Der Anteil der Ausgaben von Russlands Bürger für die Ernährung nimmt ständig zu, zumindest im Verlauf der letzten zwei Monate. Solch einen Trend kann man mit dem generellen Rückgang der Einkommen der Bevölkerung, dem Verzicht auf den Erwerb von Nichtlebensmitteln und dem dominierenden Bestreben zum Sparen erklären. Die Zunahme der Ausgaben für Lebensmittel veranlassen, an der offiziellen Statistik über eine Lebensmittel-Inflationsrate von fast 0 Prozent zu zweifeln.
Innerhalb von zwei Monaten hat sich der Anteil der Ausgaben von Russlands Bürgern für die Verpflegung um mehr als 30 Prozent erhöht, betonen Soziologen. Laut Angaben der Experten aus der Forschungsholding „Romir“ hat das Lebensmittelsegment in den letzten acht Wochen seinen Anteil an den Ausgaben der Bürger Russlands um neun Prozentpunkte vergrößert.
In der Woche vom 18. bis einschließlich 24. Juli erreichte der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel 31 Prozent. Dieser Parameter stieg alle Sommerwochen an, nachdem er Anfang Juni bis auf 22 Prozent eingebrochen war, von 27 bis 29 Prozent, die das ganze Frühjahr gehalten worden waren.
Die Autoren der entsprechenden „Romir“-Untersuchung erläuterten, dass für die Beurteilung des Anteils der Ausgaben für Nahrungsmittel nicht die Daten über alle Ausgaben der Bürger genutzt werden. „Der Anteil der Ausgaben für die Verpflegung wird als das Verhältnis der Ausgaben für den Erwerb von Nahrungsmitteln zu den Ausgaben für alle Kategorien inklusive der Nichtnahrungsmittelwaren, der Dienstleistungen und des Segments HoReCa (Hotels, Restaurants, Cafés) berechnet“, teilte man in der Holding mit.
Russlands Bürger erhöhen die Ausgaben für das Essen, und dies ungeachtet dessen, dass laut Angaben des staatlichen Statistikamts Rosstat deren realen, zur Verfügung stehenden Einkommen um 0,8 Prozent im zweiten Quartal des Jahres 20122 – hochgerechnet auf das gesamte Jahr – zurückgegangen sind. Im ersten Quartal dieses Jahres hatte Rosstat, das von Sergej Galkin geleitet wird, einen Rückgang der Realeinkommen der Bevölkerung um 1,2 Prozent gemeldet. „Romir“ hat festgestellt, dass sich vom 25. bis einschließlich 31. Juli die Wochenausgaben im Vergleich zur Vorwoche um 1,4 Prozent verringerten. Der Index für die Wochenausgaben belief sich auf 5.170 Rubel. In der Jahresdynamik demonstrierte der Index aber eine Zunahme von 4,9 Prozent.
Die Ausgaben für Lebensmittel steigen vor dem Hintergrund der offiziellen Berichte über einen Rückgang der Preise für einige Arten von Nahrungsmitteln. Laut Angaben des Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung würden weiterhin gerade die Lebensmittelwaren den Hauptbeitrag zur Verringerung der Preise aufgrund der Verbilligung sowohl von Obst und Gemüse als auch von anderen Nahrungsmitteln leisten (minus 0,43 Prozent, fast genauso viel war es auch in der vorangegangenen Woche). Dabei habe sich die Verbilligung von Obst- und Gemüseerzeugnisse sogar etwas beschleunigt. Laut Angaben von Rosstat sind die Preise für Fleischprodukte zurückgegangen, für Butter und Pflanzenöl sowie Molkereierzeugnisse, Zucker, Eier Makkaroni, Graupen sowie Brot- und Backwaren, betonte man im Ministerium.
Spezialisten des Experten- und analytischen Zentrums für das Agrarbusiness „Ab-Zentrum“ analysierten die Wochendynamik der Preise hinsichtlich 44 Waren, wobei sie bei 35 Waren einen Rückgang innerhalb einer Woche und eines Monats feststellten. Innerhalb einer Woche wurden Kartoffeln um 7,4 Prozent billiger, Weißkohl – um 6,5 Prozent, rote Beete um sechs Prozent. Preiswerter wurden Bananen (um 4,5 Prozent), Gurken (3,5 Prozent), Möhren (3,2 Prozent), Äpfel (2,3 Prozent), Tomaten (2 Prozent), Hühnereier (1,1 Prozent), Buchweizen (0,8 Prozent) und Weizenmehl (0,6 Prozent).
Innerhalb eines Monats ist der „Preisverfall“ noch spürbarer: Billiger wurden Weißkohl um 35,3 Prozent, Kartoffeln (26,8 Prozent), rote Beete (25,7 Prozent), Tomaten (14,0 Prozent), Bananen (13,3 Prozent), Möhren (11,5 Prozent), Äpfel (4,9 Prozent), Zwiebeln (4,8 Prozent), Streuzucker (4,4 Prozent), Gurken (4,3 Prozent), Hühnereier (4 Prozent) und Buchweizen (3,1 Prozent). Einige Produkte sind im Preis angestiegen. Sie sind aber wenige, und die Amplitude ist nicht so spürbar. Margarine ist innerhalb eines Monats um 1,6 Prozent teurer geworden, Obst- und Beeren-Kindernahrungskonserven um 1,1 Prozent (wie auch Kekse). Und Fleischkonserven für die Kindernahrung – um 0,7 Prozent.
„Im Zusammenhang mit dem Rückgang der Einkommen verteilt die Bevölkerung die Ausgaben zugunsten von Waren des täglichen Bedarfs und für Nahrungsmittel um. Dies ist die Hauptstrategie zum Sparen von Russlands Bürgern. Die Angaben von „Romir“ widersprechen nicht der offiziellen Statistik. Die ganze Sache besteht in der Methodik für die Berechnungen. Die Berechnung der Ausgaben von Russlands Bürger nimmt „Romir“ auf der Grundlage eines Einheitlichen Daten-Panels vor, das die Informationen hinsichtlich aller tatsächlichen Einkäufe der Bürger Russlands erfasst, während die offizielle Statistik die Preisdynamik hinsichtlich einzeln ausgewählter Waren-Kategorien verfolgt“, betonen die Autoren der Untersuchung.
Als Sparmaßnahmen reduzieren Russlands Bürger die Ausgaben für die Freizeitgestaltung und Hobbys (47 Prozent der Bürger Russlands), verzichten auf teure Einkäufe (46 Prozent) und verteilen den Etat zugunsten des Essens und notwendiger Waren um (43 Prozent). Entsprechend den Ergebnissen der vergangenen Woche hat die Zahl derjenigen zugenommen, die bereit sind, an medizinischen Behandlungen und Ausbildungsmaßnahmen zu sparen, aber auch jener, die zwecks Einsparungen Obst und Gemüse bei sich im Kleingarten anbauen, erläutert man in der Holding „Romir“.
Dabei führen, wie das Portal SuperJob entsprechend den Ergebnissen einer neuen Untersuchung mitteilt, die Nahrungsmittel weiterhin das Rating der Top-3-Waren an, die durch einen Anstieg der Preise reizen. Dieser Faktor ist ein Reizfaktor für jeden zweiten Bürger Russlands. Laut Angaben einer Umfrage der kremlnahen Stiftung „Öffentliche Meinung“ sind 30 Prozent der Bürger Russlands der Auffassung, dass im vergangenen Monat die Preise für Zucker spürbar zugenommen hätten (obgleich er im Einzelhandel stabil vom Preis her billiger wird, und im Landwirtschaftsministerium, das von Dmitrij Patruschew geleitet wird, teilt man mit, dass in diesem Jahr die Zuckerrübenernte in diesem Jahr spürbar höher als im vergangenen Jahr ausfallen werde). 30 Prozent der von der erwähnten Stiftung Befragten haben eine ernsthafte Verteuerung von Fisch und Seeprodukten bemerkt, 25 Prozent für Graupen und Eierteigwaren. Und 20 Prozent glauben, dass diese Tendenz auch für Obst und Gemüse zutreffe.
In der Woche bis einschließlich 22. Juli machte der Rückgang des Indexes für die Verbraucherpreise 0,08 Prozent gegenüber dem Rückgang um 0,17 bzw. 0,03 Prozent in den beiden vorangegangenen Wochen aus, betonen die Autoren des analytischen Telegram-Kanals Macro Markets Inside. Die auf breiter Front erfolgende Verringerung der Preise kann nicht nur mit dem Einfluss der Obst- und Gemüseerzeugnisse erklärt werden. Praktisch alle Lebensmittel mit einer langen Haltbarkeitsdauer werden billiger. Es erfolgt eine Korrektur beim Zucker und Sonnenblumenöl. Ursache für das zu beobachtende Inflationsbild, das nichts mit dem Standard gemein hat, ist die Schwäche der Nachfrage, meinen die Autoren von Macro Markets Inside.
„Mit einem analogen Bild wurden wir entsprechend den Ergebnissen der Beobachtungen für das Jahr 2020 konfrontiert, als eine Zunahme der Ausgaben beobachtet wurde, was eine Verschlechterung der Ernährungsstruktur bedeuten sollte“, sagte der „NG“ Natalia Schagaida, Direktorin des Zentrums für Agrar- und Lebensmittelpolitik des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschungen der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsdienst. „Laut Angaben einer Untersuchung der Haushalte hatte sich jedoch herausgestellt, dass sich die Verpflegungsstruktur hinsichtlich der Lebensmittel fast nicht verändert hatte. Damals erschien uns die Erklärung eine logischere zu sein, dass die Pandemie die Ausgaben der Bevölkerung für Reisen, Fahrten und Dienstleistungen wesentlich verringerte. Durch große Ausgaben sicherten sich die Familien eine Verpflegung auf dem Stand von vor der Pandemie“.
Heutzutage gebe es gleichfalls Einschränkungen, sagte die Expertin. „Es ist möglich, dass man jetzt auch in Bezug auf Lebensmittel zu sparen beginnt. Genau wird man darüber aber entsprechend den Ergebnissen der Beobachtungen in den Jahren 2021 und 2022 sprechen können. (Die Ergebnisse für die Jahresbeobachtung im Jahr 2021 werde Ende August vorliegen.) Da wird ersichtlich werden, was die Lebensmittel kosteten usw.“, sagte sie.
„Die Nachfrage nach Nahrungsmitteln ist von einer geringen Elastizität. Bei einer Zunahme der Preise für Lebensmittel verringert sich deren Erwerb wenig“, sagte der „NG“ Mark Goichman, Chefanalytiker der Investitionsfirma „TeleTrade“. „Selbst bei einer Verringerung der Einkommen werden das letzte, was man reduzieren, die Einkäufe von Lebensmittel sein. Daher beginnen sie in der Gesamtmasse der Ausgaben, einen immer größeren Anteil einzunehmen, selbst bei einer relativ geringen Lebensmittel-Inflationsrate“.
In der Woche bis 31. Juli haben die Ausgaben für alle Kategorien von Konsumgütern um 5,8 Prozent im Vergleich zur selben Woche des Vorjahres zugenommen, und die Ausgaben für Lebensmittel – um 15,7 Prozent, zitiert der Experte Daten des Sberindexes.
„Schneller steigen die Preise für jene Nahrungsmittel, die eine große Nachfrage genießen und relativ billig sind. Daher verändert sich der Preis für das reale, von der Mehrheit der Menschen gekaufte Lebensmittelset schneller als für die Nahrungsmittel insgesamt. Und dies vergrößert zusätzlich den Anteil der Ausgaben der Familien für Lebensmittel, obgleich es den Anschein hatte, dass deren Verteuerung keine so spürbare ist“, sagt Goichman. „Am Sommerende und im Herbst können aber traditionell eine Reihe von Lebensmitteln billiger werden“, fuhr er fort. „Dies sind vor alle einheimisches Gemüse und Obst der neuen Ernte, deren Angebot sich erheblich vergrößert. Andererseits können die Import-Konsumgüter einen stärkeren Preisanstieg aufgrund der Verringerung der früher angelegten Vorräte und aufgrund der Zunahme der Wechselkurse für Devisen gegenüber dem Rubel in der letzten Zeit auslösen“, meint der Experte.